Schwäbische Zeitung (Biberach)
Zeidler macht sich für Erleichterungen stark
OB befürchtet, dass Akzeptanz für Corona-Einschränkungen verloren geht
BIBERACH - Mit eindringlichen Appell in Sachen Corona-Einschränkungen hat sich der Biberacher Oberbürgermeister Norbert Zeidler am Montag an die große Politik gewandt. Er würde sich freuen, wenn man der Bevölkerung wieder etwas mehr Verantwortung zurückgebe, sagte Zeidler am Ende der Hauptausschusssitzung in der Gigelberghalle.
Die altehrwürdige Halle aus dem Jahr 1895 mit ihrer beeindruckenden Holzkonstruktion wird auch in den kommenden Wochen Tagungsort für den Gemeinderat und seine Ausschüsse bleiben. In gebührendem Abstand und von Besuchern von der Empore aus beobachtet, absolvierten die Stadträte ihre Sitzungspremiere unter Corona-Bedingungen. Bis auf gelegentliche Probleme beim Bedienen der Mikrofone klappte alles problemlos.
Die Corona-Pandemie und ihre Auswirkungen auf die Stadt standen im Mittelpunkt eines längeren Statements des Oberbürgermeisters am Ende der Sitzung. Er appellierte an die Politik, die derzeitigen Einschränkungen zu lockern. „Geschäftsgrundlage für den Shutdown war, eine Überlastung des Gesundheitssystems wie in Italien oder den USA zu verhindern“, so Zeidler. Das sei zum Glück so nicht eingetreten.
„Wenn man die Maßnahmen weiter aufrechterhalten will, muss das gut erklärt sein.“Es drohe die Akzeptanz dafür verloren zu gehen. Erschwerend komme hinzu, dass für manche Bereiche nicht mal eine Perspektive aufgezeigt werde. „Die Bevölkerung hat nur ein Thema und das wird auch noch gehypt“, so Zeidler. Die Menschen informierten sich derzeit so genau wie noch nie. Leider seien sie in der ersten Phase der Einschränkungen „erfolgreich verängstigt“worden. Jetzt müsse man darauf achten, wieder Regeln an die Menschen zurückzugeben, sagte der OB und fügte hinzu: „Ich kann vor diesem Hintergrund auch verstehen, dass Menschen dafür auf die Straße gehen.“Er sei gespannt, wie es mit den Einschränkungen nun weitergehe. „Wir befinden uns da an einem gewissen Scheideweg“, so Zeidler. Deshalb verfolge er die für diesen Mittwoch in Berlin und Stuttgart angekündigten Entscheidungen sehr genau.
Alle Lebensbereiche und alle Bürger der Stadt seien von den CoronaAuswirkungen betroffen, hatte Zeidler seine Rede eingeleitet. Bei insgesamt 411 Bürgern habe die Stadt bislang eine häusliche Quarantäne anordnen müssen, aktuell seien noch 51 davon betroffen, so Zeidler.
Wenn es um die Schließung von Geschäften und Gastronomie gegangen sei, habe das Land teils seltsame, nicht nachvollziehbare Regelungen aufgestellt, sagte der OB und bezog sich auf die 800-Quadratmeter-Regelung für Läden.
„Die Schließung von Schulen und Kindertageseinrichtungen trifft einen unserer kommunalen Kernbereiche“, so Zeidler. Momentan gebe es eine Notbetreuung für 109 Schul- und 150 Kindergartenkinder. In der Krippe des Hospitals sind es zwölf Kinder. „Als einzige Stadt im OB-Sprengel Tübingen machen wir das momentan kostenlos“, betonte Zeidler.
Der OB dankte in diesem Zusammenhang besonders den beteiligten Ämtern und Mitarbeitern der Stadtverwaltung, dem Hospitalverwalter Ralf Miller sowie dem Ältestenrat des Gemeinderats. Dieser und auch der städtische Krisenstab hätten in den vergangenen zehn Wochen gute Arbeit geleistet. So habe man Entscheidungen
fällen können, über die ein fraktionsübergreifender Konsens bestanden habe. „Als OB sollte man in einer solchen Krise tunlichst vermeiden, den einsamen Krisenmanager spielen zu wollen“, sagte Zeidler.
Was die städtischen Finanzen betreffe, so werde die Verwaltung dem Gemeinderat im Juni/Juli ein überarbeitetes Investitionsprogramm vorlegen, das „im Zeichen von Corona“stehen werde, kündigte der OB an.
Selten zuvor sei so deutlich geworden, worin der Kern der Arbeit für das Gemeinwesen bestehe: „Schaden von den Bürgern im eigenen Verantwortungsbereich abzuwenden und alles Mögliche zu ihrem Wohl und ihrer Sicherheit zu tun“, sagte Zeidler. Daran arbeite die Stadt mit Nachdruck: „Seit zehn Wochen. Und noch so lange, bis wieder Normalität einkehrt.“