Schwäbische Zeitung (Biberach)
Kein Corona-Abdera
Ganz ehrlich, Leute, meine Geburtstagsparty zum 20. hatte ich mir diese Woche irgendwie anders vorgestellt. Eine kleine Feier auf dem Marktplatz mit fröhlichen Menschen, die sich darüber freuen, dass ich seit nunmehr zwei Jahrzehnten in ihrer Mitte stehe.
Corona sei
Undank wurde daraus leider nichts.
Stattdessen fühle ich mich dieser Tage an die Geschichte erinnert, die den Anlass für mein Dasein bildet: die Einwohner der Stadt Abdera, die sich in Christoph Martin Wielands Satire darüber streiten, ob der Schatten eines Esels zum Esel dazugehört oder ob man ihn extra mieten muss, wenn man sich darin niederlassen und ausruhen will. Windige Winkeladvokaten schaukeln die schräge Diskussion immer weiter hoch, bis die Stadt fast daran zugrunde zu gehen droht. Am Ende wird der arme Esel von der Meute zerrissen und es kehrt wieder Ruhe ein. Abderitisch kommt mir auch das Verhalten mancher Zeitgenossen momentan vor: Es ist noch nicht so lange her, da ging ein Aufschrei durchs Land, als ein Kinderchor in einer Satiresendung eine Oma als „alte Umweltsau“besang. Respektlos gegenüber der älteren Generation sei das, die dieses Land mit aufgebaut hat – so tobte der Proteststurm. Und heute? Mit der Solidarität zum Schutz älterer Menschen scheint es bei manchen – jetzt wo es wirklich ernst wird – nicht mehr so weit her zu sein. Das Tragen von Mund-Nase-Masken, die vor allem die Risikogruppen – und das sind die Omas und Opas nun mal – vor Corona schützen sollen, wird als Maulkorb und Zeichen einer Versklavung empfunden. Weg mit dem Gesichtslappen! Ist doch alles übertrieben, unhygienisch und kommt sowieso viel zu spät. Wir selbst fühlen uns doch pumperlgsund.
Leute, jetzt nochmal zum Mitschreiben: Das Problem an diesem Virus ist, dass man einfach immer noch zu wenig darüber weiß. Die Pandemie einfach weiterlaufen zu lassen, wäre deshalb irgendwie unklug. Sich auf die Ratschläge eines Schwindelmediziners, eines Vegankochs oder diverser anderer Kreuz-und-Querdenker zu verlassen, vermutlich auch. Ich finde das, was renommierte Virologen zu Corona sagen, auch nicht immer erbauend. Vermutlich geht das den Virologen sogar selbst so, denn ihre Tätigkeitsbeschreibung lautet nicht, Wirtschaftskrisen herbeizureden oder anderer Leute Urlaube zu vermiesen. Aber das Virus lässt sich nun mal nicht zerfetzen, wie einst der Esel in Abdera. Deshalb: Machen wir aus Corona kein Abdera, behalten wir einen kühlen Kopf, halten uns an die Regeln und freuen uns über die Lockerungen, die jetzt nach und nach eintreten. Schönes Wochenende!