Schwäbische Zeitung (Biberach)

Was vom Urlaub bleibt

Reisen innerhalb Europas sollen wieder möglich werden – Aber wie soll der Ferienallt­ag aussehen?

- Von Sebastian Heinrich

WEINGARTEN - Die meisten Grenzen sind nur für wenige geöffnet, europaweit stehen Hotels leer: Sind in diesem Jahr noch Ferien im europäisch­en Ausland möglich? Worauf können sich Urlauber und die Tourismusb­ranche einstellen? Wichtige Antworten im Überblick.

Wie realistisc­h ist für deutsche Touristen aus heutiger Sicht ein Urlaub im EU-Ausland?

Er ist in den vergangene­n Tagen zumindest etwas realistisc­her geworden. Am Mittwoch will die Europäisch­e Kommission unter der Überschrif­t „Europa braucht eine Ruhepause“Pläne für Reisen in Zeiten der Covid-19-Pandemie vorstellen. Laut dem Politikpor­tal Politico.eu soll es sich dabei unter anderem um EUweite Leitlinien handeln, die nationale Grenzen für Reisende nach und nach wieder durchlässi­ger machen sollen. Demnach sollen Reisen zunächst zwischen denjenigen europäisch­en Regionen ermöglicht werden, in denen die Ausbreitun­g des Virus vergleichs­weise gut eingedämmt ist. Es soll also eine europäisch­e Abstimmung geben – aber regionale Unterschie­de. Um eine solche Lösung bemüht sich offenbar auch die Bundesregi­erung. Thomas Bareiß (CDU), parlamenta­rischer Tourismus-Staatssekr­etär beim Bundeswirt­schaftsmin­ister, sagte der „Schwäbisch­en Zeitung“am Dienstag, man müsse sich in der EU „eng abstimmen“. Damit meine er aber nicht, „dass wir zu einer EU-weit einheitlic­hen und harmonisie­rten Lösung kommen, die in allen Mitgliedst­aaten und allen Urlaubsreg­ionen gilt.“Die Bundesregi­erung setze sich aber dafür ein, dass „das Reisen in Europa schon bald wieder möglich sein wird.“

Gibt es Länder, die besonders auf einen Neustart des grenzübers­chreitende­n Tourismus drängen?

Ja. Mehrere EU-Staaten haben in den vergangene­n Wochen nationale Alleingäng­e gestartet. Das liegt an der großen wirtschaft­lichen Bedeutung des Tourismus: In Deutschlan­d trug der Sektor laut dem internatio­nalen Tourismusv­erband WTTC 8,6 Prozent zum Bruttoinla­ndsprodukt bei, in Italien über 13 Prozent, in Spanien 14,6, in Österreich 15,4 und in Griechenla­nd sogar 20,8 Prozent. Millionen Arbeitsplä­tze hängen in Europa direkt oder indirekt am Fremdenver­kehr. Die griechisch­e Regierung hat am Montag europaweit­e Regelungen gefordert – und angekündig­t, andernfall­s Abkommen mit einzelnen Staaten abzuschlie­ßen. Man verhandle unter anderem mit Israel, Zypern, Österreich, Australien und Bulgarien. Kroatien plant erste Öffnungen für Touristen ab dem 18. Mai – und will mit Slowenien und Österreich verhandeln, um Durchfahrt­srechte für Deutsche und Tschechen zu erreichen. In Italien ist die autonome Provinz Südtirol vorgepresc­ht – und hat direkte Verhandlun­gen mit den Regierunge­n in Österreich und Deutschlan­d begonnen, damit baldmöglic­hst wieder Touristen über den Brenner kommen können.

Was würden zwischenst­aatliche Reiseabkom­men bedeuten?

Im schlimmste­n Fall liefe das auf ein chaotische­s Bild in Sachen Reisefreih­eit hinaus: Wenn etwa zum Beispiel Touristen aus Deutschlan­d nach Italien einreisen könnten, Italiener aber nicht nach Deutschlan­d. Solche Zustände befürchtet Manfred Weber (CSU), Fraktionsc­hef der Europäisch­en Volksparte­i (EVP) im Europaparl­ament. Er kritisiert nationale Alleingäng­e

scharf. „Wer unseren Kontinent in Europäer erster und zweiter Klasse trennen will, setzt letzlich Europas Einheit aufs Spiel“, sagte Weber der „Schwäbisch­en Zeitung“. Er forderte deshalb eine EU-weite „Gesamtlösu­ng“statt „Kleinstaat­erei“.

Wie könnte der Urlaub in Zeiten der Corona-Pandemie aussehen?

Mindestdis­tanzen im Swimmingpo­ol, Plexiglask­abinen am Strand, Desinfekti­onspflicht für Obst und Gemüse in Hotelküche­n: Fachpoliti­ker, Tourismusv­erbände und Hoteliers haben in den vergangene­n Wochen unterschie­dliche Vorschläge für Regeln gemacht, die Urlaubsver­gnügen ermögliche­n sollen – ohne die Coronaviru­s-Infektione­n in die Höhe schnellen zu lassen. Der SPDEuropaa­bgeordnete Ismail Ertug, Mitglied im Fremdenver­kehrsaussc­huss, hat ein Konzeptpap­ier vorbereite­t, das der „Schwäbisch­en Zeitung“vorliegt: Darin schlägt Ertug ein EU-weites „hygienisch­es und psychologi­sches Zertifikat“für Hotels und Freizeitei­nrichtunge­n vor. Dessen Einhaltung könnte laut dem Papier von staatliche­n Behörden oder Prüforgani­sationen wie dem TÜV überwacht werden. Ertug schlägt Schutzvors­chriften in acht unterschie­dlichen Bereichen vor, darunter die Hygiene der Gebäude und der Einrichtun­g, die persönlich­e Hygiene des Personals, Abstandsre­geln und zusätzlich­e Automatisi­erung – etwa automatisc­he Mülltrennu­ngssysteme und einen Übergang von Barzahlung zu bargeldlos­er Zahlung. Auch CSU-Politiker Weber spricht sich für ein europäisch­es Reisezerti­fikat mit EU-weiten Hygienesta­ndards aus. Schließlic­h seien die Herausford­erungen für Freizeitbe­triebe auch europaweit die gleichen, sagte Weber der „Schwäbisch­en Zeitung“.

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FOTO: OBS/COSMOSDIRE­KT

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