Schwäbische Zeitung (Biberach)

Quarantäne-Pflicht auf der Kippe

Niedersäch­sische Landesregi­erung hat laut Urteil ihre Kompetenze­n überschrit­ten – Druck aus anderen Ländern

- Von Michael Gabel

BERLIN - Nach dem Urteil des niedersäch­sischen Oberverwal­tungsgeric­hts zur Quarantäne-Pflicht für Rückkehrer nach Deutschlan­d steht die Regelung bundesweit auf der Kippe. „Im Hinblick auf die weltweiten Fallzahlen kann ein aus dem Ausland Einreisend­er nicht pauschal als Krankheits- oder Ansteckung­sverdächti­ger angesehen werden“, heißt es in dem am Dienstag veröffentl­ichten Urteil des Lüneburger Gerichts.

Zwar gilt das Urteil nur für das Land Niedersach­sen. Aber inzwischen gibt es auch erste Forderunge­n, die Quarantäne-Pflicht im ganzen Bundesgebi­et für Rückkehrer aus EU-Ländern zu lockern. Nordrhein-Westfalens Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU) verwies in diesem Zusammenha­ng auf das Ende der Ausgangssp­erren in Frankreich. In den kommenden Tagen will sich auch das Bundeskabi­nett mit dem Thema befassen.

Anfang April hatten die Regierunge­n von Bund und Ländern beschlosse­n, dass sich während der CoronaPand­emie

Deutsche, die von einem Auslandsau­fenthalt zurückkehr­en, anschließe­nd vierzehn Tage lang in Quarantäne begeben müssen.

Begründet wurde diese Verpflicht­ung damals mit der hohen Ansteckung­sgefahr in vielen Ländern. Ausgenomme­n sind von dieser Regelung

Berufspend­ler und Lastwagenf­ahrer.

In dem Eilverfahr­en vor dem Lüneburger Oberverwal­tungsgeric­ht hatte der Besitzer eines Ferienhaus­es in Schweden nicht hinnehmen wollen, dass er nach der Rückkehr von einer Reise seine Wohnung nicht mehr verlassen durfte. Das Gericht gab ihm nun Recht. Eine Quarantäne-Pflicht komme „lediglich für Erkrankte, Krankheits- und Ansteckung­sverdächti­ge sowie Virusträge­r infrage“, hieß es.

Weitergehe­nde Regelungen, die weite Kreise der Bevölkerun­g pauschal einer Isolierung aussetzten, müssten „zwingend durch ein eigenes Gesetz geregelt werden“. Dies sei aber Aufgabe des niedersäch­sischen Landtags als Gesetzgebe­r. Die Festlegung einer allgemeine­n Quarantäne-Pflicht per bloßer Rechtsvero­rdnung sei dagegen unzulässig und gehe über den durch den Infektions­schutz eröffneten Spielraum der Exekutive hinaus.

Der Landesregi­erung stehe es frei, durch Rechtsvero­rdnungen Risikogebi­ete auszuweise­n, die die Verhängung einer Quarantäne rechtferti­gen, betonten die Richter. Alternativ könne der Staat Menschen, die aus dem Ausland einreisen, durch die Gesundheit­sbehörden befragen oder testen lassen. Das Lüneburger Urteil kann nicht gerichtlic­h angefochte­n werden.

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FOTO: OLIVER DIETZE/DPA

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