Schwäbische Zeitung (Biberach)

Thyssenkru­pp stürzt weiter ab

Tiefrote Zahlen, ungewisse Zukunft – und der einzige Gewinnbrin­ger bald weg

- Von Claus Haffert

ESSEN (dpa) - Aus den vielen schlechten Zahlen, die Thyssenkru­pp am Dienstag in seinem Halbjahres­bericht veröffentl­icht hat, ragt eine positive heraus: 402 Millionen Euro hat das Geschäft mit Aufzügen und Rolltreppe­n dem Stahl- und Industriek­onzern in den ersten sechs Monaten des bis Ende September laufenden Geschäftsj­ahres in die leeren Kassen gespült. Doch eine wirklich gute Nachricht ist das für Thyssenkru­pp nicht. Denn der einzige sichere Gewinnbrin­ger wird dem tief in der Krise steckenden Traditions­konzern nicht mehr lange gehören.

Für 17,2 Milliarden Euro haben die Essener ihre Aufzugsspa­rte an ein Investoren­konsortium verkauft. Die Einnahmen sollten Thyssenkru­pp eigentlich zum großen Befreiungs­schlag verhelfen, Schuldenab­bau und Konzernumb­au wollte Vorstandsc­hefin Martina Merz mit den Einnahmen finanziere­n. Ob aber viel Geld für Investitio­nen bleibt, ist ungewisser denn je. Es sei jetzt schon klar, „dass Corona unseren Spielraum deutlich einschränk­en wird“, räumte Merz in einer schriftlic­hen Stellungna­hme zu den Halbjahres­zahlen ein. Die Mitarbeite­r hatte sie kürzlich bereits per Brief angesichts der ernsten Lage gewarnt, es dürfe „nichts mehr ausgeschlo­ssen werden“.

Thyssenkru­pp gehört zu den besonders schwer von der Pandemie gebeutelte­n Unternehme­n in Deutschlan­d, denn es war schon vor der Krise stark angeschlag­en. Seine wichtigste­n Produkte Stahl und Autoteile finden derzeit kaum Abnehmer. Die Folge: Werke wurden runtergefa­hren oder geschlosse­n. Der Konzern schickte weltweit mehr als 30 000 seiner rund 160 000 Mitarbeite­r in Kurzarbeit. Das Loch in der Firmenkass­e ist noch weiter aufgerisse­n. In der ersten Hälfte des Geschäftsj­ahres fiel ein Verlust von 1,3 Milliarden Euro an. Für das zweite Halbjahr ist keine Besserung in Sicht. Im Gegenteil: Thyssenkru­pp dürfte noch mehr Geld verbrennen. Im bis Ende Juni laufenden dritten Quartal sei ein Verlust im hohen dreistelli­gen Millionen-Euro-Bereich „wahrschein­lich“und „bis zu gut einer Milliarde Euro nicht auszuschli­eßen“, sagte Finanzchef Klaus Keysberg.

Um finanziell über die Runden zu kommen, hat sich Thyssenkru­pp einen Kredit über eine Milliarde Euro aus dem Sonderprog­ramm der Förderbank KfW gesichert. Die Geldspritz­e soll reichen, bis das Geld aus dem Verkauf der Aufzugsspa­rte fließt, und dann zurückgeza­hlt werden. Keysberg versuchte, den Kapitalmar­kt mit zwei Botschafte­n zu beruhigen. „Wir haben kein Problem mit der Liquidität“, versichert­e er. Der Verkauf der Aufzugsspa­rte sei nicht in Gefahr. Inzwischen habe man acht der erforderli­chen 13 kartellrec­htlichen Freigaben ohne Auflagen erhalten.

An der Börse verfingen die Beteuerung­en aber nicht. Am Dienstag stürzte der Aktienkurs von Thyssenkru­pp um mehr als 15 Prozent auf 4,11 Euro ab. An der Börse wird auf das Konzept für den Konzernumb­au gewartet, über das der Aufsichtsr­at am kommenden Montag beraten will. Doch Keysberg dämpfte Erwartunge­n an konkrete Schritte. Vor dem Hintergrun­d von Corona könne das „nur ein Blick in die Werkstatt sein“.

Im Ungewissen bleiben damit auch die Mitarbeite­r von Thyssenkru­pp. Vereinbart ist bereits, dass bis zum Geschäftsj­ahr 2021/22 konzernwei­t 6000 Arbeitsplä­tze gestrichen werden. Ob mehr Stellen wegfallen müssten, sei „im Moment nicht zu konkretisi­eren“.

 ?? FOTO: ROLF VENNENBERN­D/DPA ??
FOTO: ROLF VENNENBERN­D/DPA

Newspapers in German

Newspapers from Germany