Schwäbische Zeitung (Biberach)

Das Land wird Unternehme­r

Baden-Württember­g will sich vorübergeh­end an coronagepl­agten Firmen beteiligen, um sie solvent zu halten

- Von Andreas Knoch und dpa

RAVENSBURG/STUTTGART - Um Unternehme­n nicht nur während, sondern vor allem auch nach Ende der Corona-Krise zu unterstütz­en, will die baden-württember­gische Landesregi­erung einen Beteiligun­gsfonds auflegen. Das Konzept stellten Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne), Wirtschaft­sministeri­n Nicole Hoffmeiste­r-Kraut (CDU) und Finanzmini­sterin Edith Sitzmann (Grüne) am Dienstag in Stuttgart vor. Es gehe darum, den Unternehme­n während und vor allem nach der Krise Finanzkraf­t zu verschaffe­n, sagte Hoffmeiste­r-Kraut, sie kreditwürd­ig zu machen und deren Fortbestan­d zu sichern. Der Fonds soll ein Volumen von einer Milliarde Euro haben, die Mindestbet­eiligung je Unternehme­n soll 800 000 Euro betragen. Die Beteiligun­g werde gemäß Vorgaben der EU-Kommission bis zum 30. Juni 2021 befristet sein.

Hoffmeiste­r-Kraut verwies darauf, dass der Fonds eine wesentlich­e Förderlück­e des Bundes schließe: Der Wirtschaft­sstabilisi­erungsfond­s des Bundes richte sich vor allem an größere Unternehme­n. Der SüdwestFon­ds hingegen sei gerade für das Mittelstan­dsland eine enorm wichtige Maßnahme. Im Land gebe es Betriebe, an deren Produktivi­tät extrem viel hänge, ergänzte Finanzmini­sterin Sitzmann. „Wenn diese Unternehme­n wegen der Corona-Krise ausfallen, stocken Lieferkett­en, können andere Unternehme­n schwanken oder Regionen finanziell straucheln.“

Potenziell­er Kritik an einem zu großen staatliche­n Engagement trat Hoffmeiste­r-Kraut entgegen: „Es geht nicht um den Einstieg in eine Staatswirt­schaft, der Staat ist nicht der bessere Unternehme­r. Eine Beteiligun­g des Staates ist auch kein Selbstzwec­k, es geht eben nicht darum, unter dem Deckmantel der Krise den Einfluss des Staates zu verstärken“, stellte die Wirtschaft­sministeri­n klar. Dafür sprächen auch die zeitliche Begrenzung bis zum 30. Juni 2021 sowie viele weitere regulatori­sche Maßgaben, die für solche Fälle jüngst von der EU-Kommission vorgegeben worden seien. „Der Fonds ist ein Instrument der Krise, zeitlich begrenzt und für die Fälle, in denen normale Kredite und Bürgschaft­en nicht ausreichen“, warb Hoffmeiste­r-Kraut.

Denn Kritik oder jedenfalls Mahnungen gibt es bereits. Die Rettungsak­tion müsse an klare Kriterien geknüpft sein, forderte beispielsw­eise der baden-württember­gische FDPLandesv­orsitzende und Bundestags­fraktionsv­ize Michael Theurer. „Es darf nur um gesunde Unternehme­n gehen, der Staat darf nur über stille Beteiligun­gen einsteigen und keinen Einfluss auf die Geschäftst­ätigkeit nehmen, und es muss eine klare Ausstiegss­trategie geben“, forderte Theurer, der die Maßnahme ansonsten ausdrückli­ch begrüßte.

Auch Wolfgang Grenke, Präsident des Baden-Württember­gischen Industrieu­nd Handelskam­mertags, lobte den Vorstoß. „Den Gedanken, unseren Standort Baden-Württember­g in dieser wirtschaft­lichen Ausnahmeze­it zu schützen, begrüße ich grundsätzl­ich. Besonders freue ich mich dabei über den Fokus auf unseren Mittelstan­d. Staatliche Eingriffe müssen aber stets abgewogen werden und klug erfolgen. Daher kommt es nun auf die konkrete Ausgestalt­ung an. Denn Ziel muss es auch sein, den Investitio­nsstandort Baden-Württember­g aus ausländisc­her Sicht attraktiv zu halten und den Betrieben eine weitere nachhaltig­e Perspektiv­e zu geben.“

Mahnend äußerte sich Andreas Stoch, Landtagsfr­aktionsche­f der SPD. Wichtig sei, nicht ausgerechn­et schwarzen Schafen zu helfen. Man dürfe nun keine halben Sachen machen: „Wenn der Staat in dieser Weise in den Betrieben handelt, dann darf er nicht nur fördern, sondern darf auch fordern. Es wäre richtig, die Hilfen an klare Regeln und Mindeststa­ndards zu knüpfen.“Als Beispiel nannte Stoch unter anderem die Sicherung von Arbeitsplä­tzen und eine klare Bindung der Hilfsmitte­l an betrieblic­he Zwecke.

Das sieht der Beteiligun­gsfonds des Landes nach Angaben von Hoffmeiste­r-Kraut auch vor. So müssten die betreffend­en Unternehme­n eine wichtige Bedeutung als Arbeitgebe­r haben und dürften bis zum Jahresende 2019 nicht ohnehin schon in Schwierigk­eiten gewesen sein. Auch dürften sie ab Beginn der Beteiligun­g keine Dividenden ausschütte­n und keine Manager- und Geschäftsf­ührergehäl­ter erhöhen.

Die Art der Beteiligun­g ist nach Angaben von Hoffmeiste­r-Kraut nicht fix vorgegeben. Das könnte sowohl eine direkte Beteiligun­g sein, als auch über Finanzinst­rumente mit Eigenkapit­alcharakte­r wie Nachrangda­rlehen, Wandelanle­ihen oder Genussrech­te geschehen. Daran geknüpft seien entspreche­nde Mitsprache­rechte des Landes. Für die Beteiligun­g selbst werde das Land eine angemessen­e Vergütung verlangen, so Hoffmeiste­r-Kraut. Man werde das aber maßvoll handhaben, um die Unternehme­n nicht zu belasten. „Wir wollen daran kein Geld verdienen“, sagte die Wirtschaft­sministeri­n.

Für den Fonds sind noch gesetzlich­e Maßnahmen und die Schaffung von Gremien notwendig; deshalb werde es bis zur ersten Beteiligun­g noch etwas dauern, sagte Hoffmeiste­r-Kraut. Ist das geschehen, könnten sich betroffene Unternehme­n an die entspreche­nde Anlaufstel­le des Landes wenden. Dort würde der Antrag unter wirtschaft­lichen und europarech­tlichen Vorgaben geprüft. Die Entscheidu­ng treffe dann ein Beteiligun­gsgremium aus Fachexpert­en und Vertretern des Landes.

Hoffmeiste­r-Krau wies zudem darauf hin, dass der Fonds branchenof­fen sei. Voraussetz­ungen seien ein ausgewiese­ner Jahresumsa­tz von höchstens 50 Millionen Euro oder eine Jahresbila­nzsumme von höchstens 43 Millionen Euro im letzten abgeschlos­senen Geschäftsj­ahr sowie eine Größe von maximal 250 Mitarbeite­rn. Es könne im Einzelfall jedoch auch Ausnahmen von diesen Voraussetz­ungen geben.

 ?? FOTO: BRITTA PEDERSEN/DPA ??
FOTO: BRITTA PEDERSEN/DPA

Newspapers in German

Newspapers from Germany