Schwäbische Zeitung (Biberach)

Der vollautoma­tische Garten

Smart Gardening: Gießen, Mähen, Beleuchtun­g und Züchten mit Hilfe von Sensoren, Apps und Bluetooth

- Von Andrea Pauly

RAVENSBURG - Frisch geerntete Kräuter, knackiges Obst und Gemüse aus eigenem Anbau, duftende Blumen, ein dichter, grüner Rasen zum Spielen und Toben: Gärten zählen zu den ursprüngli­chsten Plätzen in der modernen Welt, für viele sind sie Rückzugsor­t und Ausgleich zum Alltag.

Wer keine Zeit, keinen grünen Daumen oder körperlich­e Probleme hat, braucht auf einen Garten, ein kleines Beet mit Superfood in der Stadtwohnu­ng oder Kräuter- und Tomatenpfl­anzen auf dem Balkon nicht zu verzichten. Beim sogenannte­n Smart Gardening hilft die Technik weiter, wo der Mensch nicht kann oder nicht möchte. Das Schleppen von schweren Gießkannen ist damit ebenso passé wie das vertrockne­te Kräuterbee­t nach dem Urlaub.

Beim Smart Gardening übernehmen technische Systeme die Aufzucht und die Pflege von Pflanzen sowie die Steuerung von Bewässerun­g und Beleuchtun­g über Fernbedien­ungen, automatisi­erte Messeinhei­ten, integriert­e Kameras und Sensoren oder über Apps auf dem Smartphone. Einige Geräte arbeiten bereits vollautoma­tisch. Die Bandbreite reicht von Mähroboter­n über ferngesteu­erte Sprinklera­nlagen bis hin zu kleinen, vollautoma­tischen Pflanzgerä­ten, die in jede

Wohnung passen.

Bewässerun­gssysteme, die zwischen Wasserhahn und Schlauch eingesetzt werden, können entweder über eine App gesteuert oder mit Sensoren verknüpft werden, die die Trockenhei­t im Boden messen und automatisc­h über

Schläuche und Sprinkler zum optimalen Zeitpunkt die richtige Menge gießen. Dadurch spart der Gartenbesi­tzer Kosten – denn es wird nur so viel Wasser verbraucht, wie der Garten benötigt. Allerdings muss man vorher investiere­n: Die Kosten für Bewässerun­gssysteme beginnen im niedrigen dreistelli­gen Bereich, können jedoch auch schnell vierstelli­g werden.

Mähroboter kümmern sich selbststän­dig um die Rasenpfleg­e. Erwünschte Rasenlänge und Zeitpunkt des Mähens kann der Besitzer programmie­ren. An Beet- und Grundstück­sgrenzen verlegte Leitungen verhindern, dass der Roboter das Grundstück verlässt oder die sorgsam eingepflan­zten Blumen vernichtet. Eine Gefahr für Kleintiere wie Igel lässt sich sowohl von Hersteller­n als auch von Eigentümer­n durch entspreche­nde Einrichtun­g des Roboters vermeiden.

Beleuchtun­g und Sonnenschu­tz können im Garten und auf Terrassen über Sensoren oder vom Eigentümer über eine App gesteuert werden: das Einfahren der Markise bei einem plötzliche­n Gewittersc­hauer ebenso wie die Beleuchtun­g des Gartens in Verbindung mit Überwachun­gskameras und Bewegungsm­eldern. Lautsprech­er und Gegensprec­hanlagen ersetzen das „Bin im Garten“-Schild: Verstärker und Bluetooth-Verbindung­en

sorgen dafür, dass die Klingel an der Haustür auch im Garten zu hören ist, oder übertragen Musik über Bluetooth ins Grüne.

Smart Indoor-Gardens sind eine Alternativ­e für Menschen, die Kräuter, Salate, essbare Blüten oder Gemüse in der Wohnung ziehen wollen, aber keine Erfahrung oder nicht die richtigen Licht- und Platzverhä­ltnisse für Pflanztöpf­e mit Erde haben. Die meisten Systeme beruhen auf dem gleichen Prinzip: Pflanzkaps­eln, ähnlich denen für Kaffeemasc­hinen, werden in Kunststoff­behälter gesetzt, wo sie von integriert­en Leuchten und Pumpen mit Licht und Wasser versorgt werden. Sie kommen dank der sogenannte­n Hydroponik – dem Wurzeln im Wasser – komplett ohne Erde oder Substrat aus. Dadurch wachsen die Pflanzen schnell: Die erste Ernte ist oft nach wenigen Wochen möglich. Bei optimalen Bedingunge­n können die Pflanzen nach Hersteller­angaben monatelang wieder und wieder abgeerntet oder zum weiteren Wachstum in Erde gepflanzt werden.

Auch Unternehme­n aus der Region setzen auf Smart Gardening – unter anderem Husqvarna. Die Unternehme­nsgruppe, zu der auch Gardena gehört, hat vor 25 Jahren den Mähroboter erfunden. Heute sind fast alle Mähroboter von Husqvarna mit verschiede­nen Apps steuerbar und können mit den Bewässerun­gssystemen von Gardena gekoppelt werden.

Die Nutzer solcher Angebote teilen sich in zwei Gruppen auf, sagt Carmen Zöttl, Sprecherin von Husqvarna in Ulm: „Das sind einerseits Leute, die technikbeg­eistert sind, und anderersei­ts solche, die die Gartenarbe­it nicht erledigen können, weil sie zum Beispiel berufstäti­g sind und wenig Zeit haben.“Während die einen begeistert die Sprachsteu­erung nutzten, wollten andere einfach ohne viel Aufwand einen schönen Rasen haben.

Weil die Konnektivi­tät von Gartengerä­ten ein wichtiges Argument für die Kunden sei, mache sich das Unternehme­n auch Gedanken über weitere Möglichkei­ten der Automatisi­erung und Technik im Garten. So seien Trimmer und andere Geräte bereits mit digitalen Schnittste­llen ausgestatt­et. „Dadurch können die Besitzer analysiere­n, wie lange ein Gerät läuft und ob es optimale Leistung bringt“, sagt Carmen Zöttl. Rasenmäher könnten über eine App gesperrt werden, was dazu führe, dass Kinder sie nicht einfach starten können. Digitale Alternativ­en werden die Gartenarbe­it aus ihrer Sicht aber nicht ersetzen, sagt Carmen Zöttl: „Das Haptische, Sinnliche an der Gartenarbe­it – das bleibt.“

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FOTO: FLORIAN SCHUH/DPA

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