Schwäbische Zeitung (Biberach)
Der vollautomatische Garten
Smart Gardening: Gießen, Mähen, Beleuchtung und Züchten mit Hilfe von Sensoren, Apps und Bluetooth
RAVENSBURG - Frisch geerntete Kräuter, knackiges Obst und Gemüse aus eigenem Anbau, duftende Blumen, ein dichter, grüner Rasen zum Spielen und Toben: Gärten zählen zu den ursprünglichsten Plätzen in der modernen Welt, für viele sind sie Rückzugsort und Ausgleich zum Alltag.
Wer keine Zeit, keinen grünen Daumen oder körperliche Probleme hat, braucht auf einen Garten, ein kleines Beet mit Superfood in der Stadtwohnung oder Kräuter- und Tomatenpflanzen auf dem Balkon nicht zu verzichten. Beim sogenannten Smart Gardening hilft die Technik weiter, wo der Mensch nicht kann oder nicht möchte. Das Schleppen von schweren Gießkannen ist damit ebenso passé wie das vertrocknete Kräuterbeet nach dem Urlaub.
Beim Smart Gardening übernehmen technische Systeme die Aufzucht und die Pflege von Pflanzen sowie die Steuerung von Bewässerung und Beleuchtung über Fernbedienungen, automatisierte Messeinheiten, integrierte Kameras und Sensoren oder über Apps auf dem Smartphone. Einige Geräte arbeiten bereits vollautomatisch. Die Bandbreite reicht von Mährobotern über ferngesteuerte Sprinkleranlagen bis hin zu kleinen, vollautomatischen Pflanzgeräten, die in jede
Wohnung passen.
Bewässerungssysteme, die zwischen Wasserhahn und Schlauch eingesetzt werden, können entweder über eine App gesteuert oder mit Sensoren verknüpft werden, die die Trockenheit im Boden messen und automatisch über
Schläuche und Sprinkler zum optimalen Zeitpunkt die richtige Menge gießen. Dadurch spart der Gartenbesitzer Kosten – denn es wird nur so viel Wasser verbraucht, wie der Garten benötigt. Allerdings muss man vorher investieren: Die Kosten für Bewässerungssysteme beginnen im niedrigen dreistelligen Bereich, können jedoch auch schnell vierstellig werden.
Mähroboter kümmern sich selbstständig um die Rasenpflege. Erwünschte Rasenlänge und Zeitpunkt des Mähens kann der Besitzer programmieren. An Beet- und Grundstücksgrenzen verlegte Leitungen verhindern, dass der Roboter das Grundstück verlässt oder die sorgsam eingepflanzten Blumen vernichtet. Eine Gefahr für Kleintiere wie Igel lässt sich sowohl von Herstellern als auch von Eigentümern durch entsprechende Einrichtung des Roboters vermeiden.
Beleuchtung und Sonnenschutz können im Garten und auf Terrassen über Sensoren oder vom Eigentümer über eine App gesteuert werden: das Einfahren der Markise bei einem plötzlichen Gewitterschauer ebenso wie die Beleuchtung des Gartens in Verbindung mit Überwachungskameras und Bewegungsmeldern. Lautsprecher und Gegensprechanlagen ersetzen das „Bin im Garten“-Schild: Verstärker und Bluetooth-Verbindungen
sorgen dafür, dass die Klingel an der Haustür auch im Garten zu hören ist, oder übertragen Musik über Bluetooth ins Grüne.
Smart Indoor-Gardens sind eine Alternative für Menschen, die Kräuter, Salate, essbare Blüten oder Gemüse in der Wohnung ziehen wollen, aber keine Erfahrung oder nicht die richtigen Licht- und Platzverhältnisse für Pflanztöpfe mit Erde haben. Die meisten Systeme beruhen auf dem gleichen Prinzip: Pflanzkapseln, ähnlich denen für Kaffeemaschinen, werden in Kunststoffbehälter gesetzt, wo sie von integrierten Leuchten und Pumpen mit Licht und Wasser versorgt werden. Sie kommen dank der sogenannten Hydroponik – dem Wurzeln im Wasser – komplett ohne Erde oder Substrat aus. Dadurch wachsen die Pflanzen schnell: Die erste Ernte ist oft nach wenigen Wochen möglich. Bei optimalen Bedingungen können die Pflanzen nach Herstellerangaben monatelang wieder und wieder abgeerntet oder zum weiteren Wachstum in Erde gepflanzt werden.
Auch Unternehmen aus der Region setzen auf Smart Gardening – unter anderem Husqvarna. Die Unternehmensgruppe, zu der auch Gardena gehört, hat vor 25 Jahren den Mähroboter erfunden. Heute sind fast alle Mähroboter von Husqvarna mit verschiedenen Apps steuerbar und können mit den Bewässerungssystemen von Gardena gekoppelt werden.
Die Nutzer solcher Angebote teilen sich in zwei Gruppen auf, sagt Carmen Zöttl, Sprecherin von Husqvarna in Ulm: „Das sind einerseits Leute, die technikbegeistert sind, und andererseits solche, die die Gartenarbeit nicht erledigen können, weil sie zum Beispiel berufstätig sind und wenig Zeit haben.“Während die einen begeistert die Sprachsteuerung nutzten, wollten andere einfach ohne viel Aufwand einen schönen Rasen haben.
Weil die Konnektivität von Gartengeräten ein wichtiges Argument für die Kunden sei, mache sich das Unternehmen auch Gedanken über weitere Möglichkeiten der Automatisierung und Technik im Garten. So seien Trimmer und andere Geräte bereits mit digitalen Schnittstellen ausgestattet. „Dadurch können die Besitzer analysieren, wie lange ein Gerät läuft und ob es optimale Leistung bringt“, sagt Carmen Zöttl. Rasenmäher könnten über eine App gesperrt werden, was dazu führe, dass Kinder sie nicht einfach starten können. Digitale Alternativen werden die Gartenarbeit aus ihrer Sicht aber nicht ersetzen, sagt Carmen Zöttl: „Das Haptische, Sinnliche an der Gartenarbeit – das bleibt.“