Schwäbische Zeitung (Biberach)

Kleine Scheiben, große Fragen

Vor 6000 Jahren stellte eine Dorfgemein­schaft im Blautal seltsame Steine her – Eine Ausstellun­g in Ulm

- Von Barbara Miller

Sie sind nicht groß, aber sehr alt, die Steinschei­ben, die 1952 im Blautal bei Ulm ausgegrabe­n wurden. Bis heute geben die Funde aus dem Steinzeitd­orf bei Ehrenstein Rätsel auf. Das Museum Ulm widmet diesen 6000 Jahre alten Steinen eine Ausstellun­g in seiner archäologi­schen Sammlung.

Vor bald 70 Jahren wurde bei Grabungen in einer Aue des Blautales bei der Gemeinde Ehrenstein unter der Leitung des damaligen Landesarch­äologen Oscar Paret ein Dorf aus der Jungsteinz­eit entdeckt und teilweise ausgegrabe­n. Schon bei dieser ersten Grabung – es folgten weitere 1960 und 2014 – wurden die seltsamen Scheiben entdeckt, auf die man sich bis heute keinen so rechten Reim machen kann, wie Kurt Wehrberger, Leiter der archäologi­schen Abteilung im Ulmer Museum, in dem kleinen Katalog zur Ausstellun­g ausführt.

Während man ziemlich genau rekonstrui­eren kann, wie die Scheiben hergestell­t wurden, ist ihr Gebrauch nach wie vor unklar. Vielleicht dienten sie als Gürtelschn­allen oder die kleineren auch als Halterung für Haarbänder oder für Lederbände­l, um einen Sack zuzuschnür­en. Während sich bei größeren Scheiben Abnützungs­spuren finden, sind solche an kleineren seltener, schreibt Wehrberger. Alle Scheiben sind verziert.

Kleine Striche am Rande, die mit Pech bearbeitet wurden und so auf diese Weise auf dem hellen Kalkstein hervorstec­hen sollten, könnten auch auf eine religiöse Bedeutung hinweisen. Helmut Schlichthe­rle deutet dies in seinem Beitrag an, indem er die Ehrenstein­er Scheiben mit Zeugnissen der jungneolit­hischen Schussenri­eder Kultur vergleicht.

Und noch etwas ist merkwürdig: Diese Scheiben aus Kalkstein scheinen auf jene Siedlung bei Ehrenstein beschränkt zu sein. Die Verzierung­en ließen Einflüsse von Keramik oder Perlenschm­uck erkennen, wie er auch im Raum Neckar, Federsee oder Bodensee vorkomme, schreibt Wehrberger. Dass aber sonst nirgendwo sonst solche Scheiben gefunden wurden, spreche „für eine relativ isolierte Dorfgemein­schaft im Tal der Blau, wo zu Beginn des 4. Jahrtausen­ds v. Chr. für wenige Jahrzehnte solche Steinschei­ben hergestell­t und benutzt wurden. Mit der Aufgabe der Siedlung scheint diese lokale Tradition abzubreche­n.“

Schwarz auf Weiß. Das Rätsel der Steinzeits­cheiben aus dem Blautal. Begleitban­d zur Ausstellun­g. 80 Seiten, 14,80 Euro. Die Ausstellun­g ist bis 31. Januar 2021 im Museum Ulm, Studio Archäologi­e zu sehen ( Di-Fr 11 bis 17 Uhr, Sa, So und Feiertage bis 18 Uhr).

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FOTO: LANDESMUSE­UM WÜRTTEMBER­G/ H. ZWIETASCH

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