Schwäbische Zeitung (Biberach)
Milder Winter wirkt sich auf Tierwelt aus
Zecken und Borkenkäfer könnten von Temperaturen profitieren
BIBERACH - Der milde Winter und auch die sommerlichen Temperaturen im Frühjahr wirken sich auf die Tierwelt in der Region aus. Profitieren können davon in diesem Jahr vor allem Schädlinge wie Borkenkäfer und Zecken.
„Durch die milden Temperaturen kommt der abgestimmte Rhythmus in der Natur aus dem Takt“, sagt Martin Rösler. Er ist Vorsitzender des Naturschutzbunds (Nabu) in Biberach. Die hiesige Tier- und Pflanzenwelt sei auf Frost eingestellt. Doch nicht nur das habe im Winter und Frühling gefehlt, sondern auch Niederschläge. Das könne die Nahrungssuche für Tiere schwierig machen.
Ein milder Winter betreffe neben Insekten auch Arten wie Rehwild oder Wildschweine. „Alle, für die der Winter ein Selektionsfaktor ist“, erklärt Rösler. Schwache Tiere, die normalerweise nicht über den kalten Winter kommen, könnten leichter überleben. Auch das bringe das natürliche Gleichgewicht durcheinander.
Hubert Moosmayer leitet das Kreisforstamt. Er bestätigt: „Das wirkt sich auf alle Tiere aus, die überwintern.“Von der gesunkenen Sterblichkeitsrate profitiere etwa das Schwarzwild. „Die Population wächst bei uns immer stärker an“, sagt er. Mehr Wildschweine oder mehr Rehwild würden aber auch mehr Schäden verursachen. Etwa in der Landwirtschaft. Weil es keine natürlichen Feinde gebe, müsse hier die Jagd regulieren, so der Forstamtsleiter.
„Ein milder Winter nimmt bei den Tieren viel Stress raus“, sagt Rainer Schall. Er ist Waldpädagoge im Landkreis Biberach. Er sagt: „Spannend ist, dass der milde Winter auch etwas mit dem Stoffwechsel der Tiere macht.“So würden etwa deren Fettreserven weniger stark aufgebraucht.
Nach einem kalten Winter hätten die Tiere weniger Kondition. Dadurch sinke auch die Fortpflanzungsrate, erklärt der studierte Biologe. Nicht so nach einem milden Winter. „Blätter, Knospen oder Triebe sind für die Tiere leichter zugänglich, wenn sie nicht unter der Schneedecke liegen“, sagt der Waldpädagoge. Der Großteil der Wildtiere gehe also gestärkt aus einem milden Winter hervor, erklärt Schall.
So auch der Borkenkäfer. Laut Rösler ist der wegen der milden
Temperaturen schon sehr aktiv. Schließlich seien Insekten wechselwarm. Sie würden aktiv, sobald es warm werde, meint der Nabu-Vorsitzende. „Wenn es keinen Winter gibt und ein zeitiges Frühjahr, sind sie eben einen Monat zu früh dran“, sagt Rösler. Gleichzeitig könne es für sie aber auch zu Rückschlägen kommen. Etwa während der Eisheiligen in dieser Woche. Dort könne es noch zu Frost kommen.
„Das ist eine fatale Kombination dieses Jahr“, sagt Moosmayer. Schon in den vergangenen beiden Jahren habe es viele Borkenkäfer gegeben.
Diese hohe Population habe nun größtenteils überwintert. Und wegen des milden Klimas gebe es innerhalb eines Jahres gleich mehrere Generationen von Käfern, sagt er.
Nach der Brut fliege etwa im Juni die nächste Käfergeneration aus. „Wir müssen damit rechnen, dass es viele Käferschäden im Sommer gibt“, sagt der Leiter des Kreisforstamts. Der Grund: „Wenn wir ein trockenes Frühjahr haben und die Borkenkäfer zur Ei-Ablage kommen, haben sie perfekte Bedingungen“, sagt Moosmayer. Dazu komme die hohe Zahl von Schadholz in den Wäldern durch den Sturm Sabine im vergangenen Februar.
Auch Zecken sind temperaturaktiv. Dennoch meint der Nabu-Vorsitzende Rösler: „Ob es in diesem Jahr wirklich mehr sind, muss sich erst zeigen.“Von einer Zeckengefahr könne man noch nicht sprechen. Auch nicht wegen der neueren Zeckenarten in Deutschland. „Es gibt invasive Arten, die sich ausbreiten“, bestätigt Rösler. „Ich sehe da bei uns aber keine ernsthaften Probleme.“
Waldpädagoge Schall meint hingegen: „Wir können eine starke Zeckensaison erwarten.“Auch wegen des milden Frühjahrs. „Es war immer so, dass Kälte die Tiere dezimieren konnte“, sagt er. Wenn es über einen längeren Zeitraum kalt sei, würden auch Insekten sterben, die etwa in Baumrinden Schutz gefunden hätten.
Ein milder Winter und Frühling sind für viele Tiere wie Borkenkäfer, Zecke oder Wildschwein also eher förderlich. „Das betrifft eher uns als Nutznießer“, sagt Schall. „Es kommt auf den Blickwinkel an“, sagt der Waldpädagoge. „Die Borkenkäfer freuen sich zum Beispiel. Aber für die Waldbesitzer bedeutet es eine Entwertung ihres Nutzholzes.“