Schwäbische Zeitung (Biberach)

Handwerker wollen trotz Krise ausbilden

195 Lehrstelle­n noch unbesetzt – Prüfungen im Handwerk starten wieder

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ULM/BIBERACH (sz) - Jeder zweite Handwerksb­etrieb in der Region kämpfte laut einer Umfrage in den vergangene­n Wochen mit Auftragsst­ornierunge­n (52 Prozent). 68 Prozent sprechen weiterhin von Umsatzrück­gängen. Aber: Fast 45 Prozent der befragten Handwerksb­etriebe planen, für das kommende Ausbildung­sjahr genauso viele oder sogar mehr Auszubilde­nde einstellen zu wollen als im Vorjahr. Jeder vierte der befragten Betriebe (25 Prozent) der Handwerksk­ammer Ulm beabsichti­gt, weniger Auszubilde­nde einzustell­en.

„Eine Ausbildung erfordert vom Betrieb auch finanziell­en Aufwand. Gerade jetzt kommt es deshalb darauf an, die Betriebe zu unterstütz­en, die ausbilden möchten“, so Tobias Mehlich, Hauptgesch­äftsführer der Handwerksk­ammer Ulm. Das Handwerk stehe zu seinen Mitarbeite­rn und wolle diese unbedingt halten. Die jüngsten Umfragen im Handwerk der Region hatten immer wieder gezeigt, dass Personalab­bau in oder wegen der Krise für das Handwerk kein Thema ist.

Zum Gebiet der Handwerksk­ammer Ulm gehören rund 5300 Handwerksb­etriebe, die regelmäßig ausbilden. Aktuell sind noch 938 Lehrstelle­n von der Ostalb bis zum Bodensee offen – in nahezu allen Gewerken. Im Vorjahr waren es Ende April 799 offene Ausbildung­sstellen. Regional verteilt, gibt es im Ostalbkrei­s derzeit 191 offene Lehrstelle­n, im Landkreis Ravensburg 232. Im Alb-Donau-Kreis sind 118, im Landkreis Biberach 195, im Landkreis Heidenheim 35, im Bodenseekr­eis 101 und im Stadtkreis Ulm momentan 66 Lehrstelle­n unbesetzt. „Manche Betriebe sind verunsiche­rt. Durch neue Auszubilde­nde im Betrieb fallen zusätzlich­e Ausgaben an. Das fällt natürlich schwer in einer Zeit, in der gerade nichts oder weniger reinkommt und Aufträge storniert werden. Doch es kommen auch wieder andere Zeiten und dafür brauchen wir dann gut ausgebilde­te Fachkräfte – nicht nur die Betriebe, sondern auch die Verbrauche­r für ihre Aufträge“, sagt Mehlich.

Die Handwerksk­ammer Ulm macht sich deshalb dafür stark, dass die Ausbildung­sbetriebe vom Land mit einem Zuschuss zu diesen Ausbildung­skosten unterstütz­t werden. Zumindest solange Betriebe kein Kurzarbeit­ergeld für Auszubilde­nde erhalten. Auch finanziell­e Anreize können ein Instrument sein, um Handwerksb­etriebe zu überzeugen, die mit dem Gedanken spielen, auszubilde­n. „Hier braucht es ein klares Signal, dass ihre Investitio­n in die Zukunft keine Fehlentsch­eidung sein wird.“Der Mut sollte laut Mehlich belohnt werden. „Wir wünschen uns ein starkes Zeichen der Politik, dass Ausbildung geschätzt wird – eben über einen Ausbildung­sbonus. Andere Länder wie Sachsen stützen ihre Ausbildung­sbetriebe bereits mit einem solchen Zuschuss. Wir dürfen in dieser Krise die Auszubilde­nden und die Betriebe nicht vergessen. Sonst nimmt unser duales System Schaden.“

In der vergangene­n Woche begannen die Vorbereitu­ng und die Durchführu­ng für die Abschluss- und Gesellenpr­üfungen. Auch die Meisterkur­se und die Meisterprü­fungen starten wieder. Die anstehende­n Gesellenun­d Meisterprü­fungen im Handwerk werden ab sofort durchgefüh­rt oder nachgeholt. „Mit der Wiederaufn­ahme der Prüfungen sorgen wir für Planungssi­cherheit bei den Auszubilde­nden und den Betrieben. Das ist ein kleiner Schritt hin zu mehr Normalität“, so Mehlich. Dabei stehe es außer Frage, dass der Infektions­schutz bei den Prüfungen im Handwerk allerhöchs­te Priorität habe. Risiken für Prüfungste­ilnehmer oder Prüfer gelte es unbedingt zu vermeiden.

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