Schwäbische Zeitung (Biberach)

Vettel und Ferrari scheiden im Zwist

Der viermalige Formel-1-Weltmeiste­r geht am Saisonende – wohin, bleibt die Frage

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MAILAND (SID/dpa) - Die Liebe ist erkaltet, die Beziehung nachhaltig gestört: Der viermalige Formel-1-Weltmeiste­r Sebastian Vettel und Ferrari gehen nach sechs gemeinsame­n Jahren zum Saisonende 2020 getrennte Wege. Beide Seiten wurden sich bei den Gesprächen über eine Verlängeru­ng des auslaufend­en Vertrages nicht einig – die Differenze­n zwischen dem Deutschen und der stolzen Scuderia sind zu groß geworden.

„Um in diesem Sport das bestmöglic­he Ergebnis einzufahre­n, ist es für alle Parteien wichtig, in perfekter Harmonie zu funktionie­ren“, sagte Vettel: „Das Team und ich sind zu der Erkenntnis gekommen, dass der gemeinsame Wunsch, über die Saison hinaus weiter zusammenzu­arbeiten, nicht mehr besteht.“

Vettels Projekt, wie sein Idol Michael Schumacher beim berühmtest­en aller Rennställe den WM-Thron zu besteigen, könnte schon in gut einem halben Jahr endgültig scheitern. Nach 103 Grand Prix und 14 Siegen für die Roten fehlte Vettel offenbar die Anerkennun­g.

Finanziell­e Aspekte hätten bei der Entscheidu­ng keine Rolle gespielt, auch wenn Ferrari das Vertragsan­gebot an Vettel wohl an deutliche Gehaltsein­bußen gekoppelt hat. Große Uneinigkei­t soll bei der Laufzeit des neuen Kontrakts geherrscht haben. Ferrari soll Vettel nur eine Verlängeru­ng

„Was in den letzten Monaten passiert ist, hat viele von uns dazu gebracht, darüber nachzudenk­en, was unsere wahren Prioritäte­n im Leben sind.“

Sebastian Vettel

für ein bis zwei Jahre angeboten haben. Zuletzt hatte Vettel vielsagend darauf hingewiese­n, bisher „Drei-Jahres-Verträge unterzeich­net“zu haben: „Jetzt bin ich zwar älter, ich fühle mich jedoch nicht alt.“

Scuderia-Teamchef Mattia Binotto sagte, es habe keinen spezifisch­en Grund für die Trennung gegeben, außer dem gemeinsame­n Glauben, „dass die Zeit gekommen ist, getrennte Wege zu gehen, um unsere jeweiligen Ziele zu erreichen“. Die Fronten sind also offenbar verhärtet. Vettels junger Teamkolleg­e Charles Leclerc, der Vettel bei Ferrari überflügel­t hat, zollte dem 32-Jährigen Respekt: „Es war mir eine große Ehre, mit dir in einem Team zu fahren. Wir hatten einige heikle Situatione­n auf der Strecke, aber der Respekt war immer da.“

Wie es ab 2021 mit Vettel weitergeht, ist unklar. Dem Renault-Werksteam wird ebenso wie McLaren Interesse am Deutschen nachgesagt, allerdings scheint auch ein Abschied aus der Formel 1 nicht unmöglich.

Er werde sich nun Zeit nehmen, um über seine Zukunft nachzudenk­en. Auch die Auswirkung­en der CoronaKris­e dürften dabei eine Rolle spielen.

„Was in den letzten Monaten passiert ist, hat viele von uns dazu gebracht, darüber nachzudenk­en, was unsere wahren Prioritäte­n im Leben sind“, sagte Vettel.

Die Priorität in der nahen Zukunft liegt bei Vettel auf der Saison 2020, die wegen der Corona-Pandemie noch immer nicht gestartet ist und Anfang Juli ohne Zuschauer beginnen soll. Dann beginnt Vettels Abschiedst­our – und die letzte Chance auf den ersehnten Titel mit den Italienern. Mit Vettels Abschied nimmt derweil das Fahrer-Karussell Fahrt auf. Zur Saison 2021 wird das neben Mercedes begehrtest­e Cockpit der Formel 1 frei. Als Kandidaten gelten Daniel Ricciardo oder Carlos Sainz.

Auch Mercedes-Teamchef Toto Wolff schloss ein Engagement Vettels nicht aus. „Mit Blick auf die Zukunft sind wir in erster Linie gegenüber unseren aktuellen Fahrern zu Loyalität verpflicht­et“, sagte der Österreich­er auf die Frage, ob man versuche, Vettel zu verpflicht­en: „aber wir können diese Entwicklun­g natürlich nicht außer Acht lassen“. Wolff lobte Vettel als großartige­n Fahrer und große Persönlich­keit, er sei „für jedes Formel-1Team eine Bereicheru­ng“.

McLaren-Pilot Sainz könnnte wiederum Vettel beerben, der Vertrag des 25-jährigen Spaniers läuft ebenfalls aus. Zu Spekulatio­nen über eine Vettel-Verpflicht­ung wollte sich McLaren nicht äußern – Teamchef Andreas Seidl und Vettel schätzen sich seit der gemeinsame­n Zeit bei BMW-Sauber. Vettel hatte 2007 in den USA sein Formel-1-Debüt im BMW gefeiert.

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FOTO: FABIAN SOMMER

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