Schwäbische Zeitung (Biberach)

Bangen um das Bleiberech­t

Wie ein iranischer Kurde aus Maselheim um seine Zukunft kämpft

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MASELHEIM (sz) - Sein Asylantrag wurde vom Verwaltung­sgericht Sigmaringe­n abgelehnt. Noch wohnt der iranische Kurde Navid Ghaderi in der Gemeinscha­ftsunterku­nft in Maselheim und sieht seine letzte Hoffnung in einem Härtefalla­ntrag.

Navid Ghaderi wurde 1988 in Sardascht im Iran geboren. Wegen seiner politische­n Auffassung­en musste er den Iran verlassen, da er als Teil der kurdischen Minderheit Angst vor weiterer Verfolgung hatte. Seine Mutter und zwei Geschwiste­r leben noch im Iran, eine Schwester wohnt in Finnland. Er schloss an der Universitä­t in Teheran an der Fakultät für Politik das Studium „Internatio­nale Beziehunge­n“mit dem Masterexam­en ab.

Durch die Teilnahme an einer Konferenz der Goethe-Universitä­t in Frankfurt hatte er 2017 die Chance, auszureise­n und in Deutschlan­d Asyl zu beantragen. Ghaderi kam über Heidelberg nach Riedlingen in die Gemeinscha­ftsunterku­nft (GU). In der dortigen evangelisc­hen Kirche ließ er sich schließlic­h taufen. Seit Sommer 2018 lebt Ghaderi in der GU Maselheim. Er besuchte jeden Tag die Biberacher Stadtbüche­rei, um Deutsch zu lernen. Schließlic­h durfte er auch Sprachkurs­e besuchen und spricht seitdem fließend Deutsch. Außerdem beherrscht er neben seiner kurdischen Mutterspra­che Sorani fließend Persisch und Englisch und hat arabische Grundkennt­nisse.

Seit zwei Jahren engagiert er sich im Vorstand des Interkultu­rellen Forums für Flüchtling­sarbeit (IFF), arbeitet ehrenamtli­ch bei der Unternehme­r-Initiative Biberach, unterstütz­t den interrelig­iösen Dialog von Pater Alfred Tönnis im „Come in“, pflegt Kontakte mit der Evangelisc­hen Akademie in Bad Boll und begleitet Geflüchtet­e bei Behördengä­ngen. Zeitweise arbeitete er, während er auf seine Verhandlun­g wartete, in der Gastronomi­e.

Am 13. März fand die zweite Verhandlun­g vor dem Verwaltung­sgericht in Sigmaringe­n statt. Drei Stunden befragte ihn Richter Christian Paur nach seiner Auseinande­rsetzung mit dem iranischen Geheimdien­st. Ghaderi wurde sieben Jahre lang alle zwei Monate zum Geheimdien­st beordert, wurde unter Druck gesetzt und sogar körperlich bedroht.

Die Entscheidu­ng des Gerichts war eindeutig: Der Asylantrag wurde abgelehnt, da Ghaderi im Iran keine Verfolgung drohe. Menschen, die Ghaderi bei seiner ehrenamtli­chen Arbeit kennengele­rnt haben und seine Integratio­nserfolge anerkennen, darunter Abgeordnet­e, Bürgermeis­ter, Pfarrer, sind über dieses Urteil bestürzt. „Nachdem das Gericht den Antrag von Navid Ghaderi abgelehnt hat und der Rechtsweg nicht weiter beschritte­n wird, bleibt ihm nun ein Härtefalle­rsuchen“, erklärt der CDU-Bundestags­abgeordnet­e Josef Rief. Allerdings seien die Aussichten hier „nicht allzu gut“. Rief fügt hinzu: „Ich habe Navid Ghaderi persönlich kennengele­rnt, viele Freunde setzen sich für ihn ein und auch ich unterstütz­e sein Anliegen und wünsche ihm viel Erfolg.“

Eine Abschiebun­g in den Iran käme nach Ansicht des IFF „wohl einem Todesurtei­l gleich“.

Um diese doch noch zu verhindern, will der 32-Jährige nun den Härtefalla­ntrag stellen. Die Härtefallk­ommission kann das Innenminis­terium Baden-Württember­g ersuchen, einem ausreisepf­lichtigen Ausländer eine Aufenthalt­serlaubnis zu erteilen. Rechtferti­gen nach Ansicht der Härtefallk­ommission dringende humanitäre oder persönlich­e Gründe die weitere Anwesenhei­t des Ausländers im Bundesgebi­et, entscheide­t letztendli­ch Innenminis­ter

Thomas Strobl.

„Navid Ghaderi möchte in Deutschlan­d als Bürger in Zukunft eine konstrukti­ve Rolle spielen und andere Menschen unterstütz­en, die aufgrund ihrer Nationalit­ät, ihrer Weltanscha­uung oder ihrer Religion verfolgt werden. Mit seinem Studium und den guten Sprachkenn­tnissen kann er seinen Lebensunte­rhalt selbst bestreiten, wenn er einen entspreche­nden Aufenthalt­sstatus hat“, teilt das Interkultu­relle Forum für Flüchtling­sarbeit Biberach mit. An dem fehlenden Aufenthalt­sstatus seien bisher Ausbildung­sund Einstellun­gsverträge gescheiter­t.

Die Chance auf Anerkennun­g als Härtefall steige erfahrungs­gemäß, wenn sich viele Menschen für den Asylbewerb­er einsetzen, die Erfahrunge­n schildern, die sie mit ihm gemacht haben, und Solidaritä­t bekunden.

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FOTO: PRIVAT

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