Schwäbische Zeitung (Biberach)
Scholz plant Milliardenhilfe für Kommunen
Union und Süd-Länder reagieren skeptisch bis ablehnend auf Vorstoß des Finanzministers
BERLIN - Das Angebot klingt großzügig: Die Corona-Pandemie hat Städte und Gemeinden in massive Finanzprobleme gestürzt. Daher will Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) einen Schutzschirm von fast 57 Milliarden Euro über ihnen aufspannen. Die eine Hälfte soll der Bund übernehmen, die andere die jeweiligen Bundesländer. Doch mit der Union ist der Plan nicht abgesprochen. Sie lehnt ihn ab.
Wenn Kommunen jetzt Aufgaben und Ausgaben zurückfahren müssten, „dann hat das in diesem und im nächsten Jahr dramatische Folgen für die Investitionstätigkeit in Deutschland“, begründete Scholz seinen Vorstoß. Denn Städte und Gemeinden seien die größten öffentlichen Investoren.
Die Kommunen rufen schon seit Wochen um Hilfe: Wegen der Corona-Hilfen explodieren ihre Ausgaben. Gleichzeitig brechen ihre Gewerbesteuereinnahmen dramatisch ein. Nach der jüngsten Steuerschätzung dürften sie in diesem Jahr um 11,8 Milliarden Euro niedriger ausfallen als zuletzt erhofft. Scholz macht das Angebot, der Bund übernehme die Hälfte, wenn das jeweilige Land den Rest zuschießt. Eigentlich sind die Länder allein dafür verantwortlich, dass die Kommunen ausreichend mit Finanzmitteln ausgestattet sind.
Scholz will diese Akuthilfe mit der Altschuldenhilfe verbinden, über die schon seit Monaten diskutiert wird: Etwa 2000 Kommunen gelten als hoffnungslos verschuldet. Bei ihnen haben sich Kassenkredite von rund 45 Milliarden Euro angesammelt. Sie will er einmalig entlasten. Alles, was über 100 Euro pro Einwohner geht, soll der Bund zur Hälfte übernehmen, wenn auch dabei das jeweilige Land die zweite Hälfte trägt. Den Bund würde das laut Scholz 22,6 Milliarden Euro kosten. Davon würden hauptsächlich Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und das Saarland profitieren, wo es besonders viele hoch verschuldete Kommunen gibt. Auch bereits angelaufene Entschuldungsprogramme etwa in Hessen und Brandenburg sollen berücksichtigt werden.
Von den Ländern, die am meisten profitieren würden, kommt viel Zustimmung. Städtetagspräsident
Burkhard Jung (SPD), Oberbürgermeister von Leipzig, lobte das „kluge Konzept“, das allen Kommunen neue Kraft gebe.
Dagegen ging der haushaltspolitische Sprecher der Union, Eckhardt Rehberg (CDU), auf die Barrikaden, schon weil er sich überfahren fühlt: „Scholz kann nicht alleine über den Bundeshaushalt verfügen und zweistellige Milliardenbeträge frei im Land verteilen.“Die Bundesländer seien allein für die Kommunen zuständig. „Der Bund kann nicht alles tragen.“Für die Pläne von Scholz müsste das Grundgesetz geändert werden, was eine Zweidrittelmehrheit
in Bundestag und Bundesrat erfordert. Es sei nicht ersichtlich, wie Scholz sie erreichen wolle, so Rehberg.
Baden-Württembergs Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne) reagierte skeptisch auf Scholz’ Vorstoß. „Da kommt ein Signal vom Bund an einer wichtigen Stelle, das ist erst einmal gut“, sagte ein Sprecher ihres Hauses am Samstag. Insbesondere beim Thema Altschulden lasse sich aus den bisherigen Informationen aber nicht ablesen, was die Pläne für den Südwesten konkret bedeuteten. „Bisher lagen der Bund und wir da weit auseinander“, sagte er.
Die Kommunen im Südwesten stünden bei den Altschulden nicht zuletzt dank der Unterstützung des Landes gut da. Kassenkredite spielten kaum eine Rolle und würden – wenn überhaupt – im rechtlich zulässigen Rahmen nur zur Überbrückung kurzfristiger Liquiditätsengpässe eingesetzt und nicht zur dauerhaften Finanzierung kommunaler Defizite zweckentfremdet. Bei einer bundesweiten Lösung dürften die Südwest-Kommunen nicht für sparsames Wirtschaften in der Vergangenheit bestraft werden. „Grundsätzlich gilt: Über eine mögliche CoFinanzierung muss immer erst verhandelt werden. Sie kann nicht einseitig festgelegt werden“, sagte der Sprecher. Das baden-württembergische Innenministerium veranschlagt als Hilfe für die Kommunen im Südwesten eine Milliarde Euro, wie aus einer Auflistung geplanter CoronaHilfsprogramme hervorgeht, über die die „Schwäbische Zeitung“am Freitag berichtet hatte. Darüber wird die Finanzkommission der grünschwarzen Koalition am Dienstag in Stuttgart beraten.
Der Chef der FDP im Südwesten, Michael Theurer, sagte, es sei gut, dass Scholz wegbrechende Einnahmen der Kommunen kompensieren wolle. Eine grundsätzliche Reform der Finanzierung sei überfällig. „Dass er jedoch nun wieder unseriöse Haushaltspolitik belohnen will, ist ein Affront an alle Kommunen, die bei allen Schwierigkeiten solide gewirtschaftet haben“, kritisierte er.
Aus der Südwest-SPD hingegen kam Zustimmung für Scholz. „Anstatt das Haar in der Suppe zu suchen, sollten Frau Sitzmann und die Landesregierung von Baden-Württemberg nun endlich ihre kommunalfeindliche Linie aufgeben“, sagte der Landesvorsitzende Andreas Stoch. Das Land müsse mit eigenen Mitteln und vor allem mit der Bereitschaft zu offenen und konstruktiven Gesprächen auf die Kommunen zugehen.
Die bayerische Staatsregierung lehnt die Pläne aus Berlin ab. „Die Vorschläge von Bundesminister Scholz wird Bayern keinesfalls mitmachen“, sagte Finanzminister Albert Füracker (CSU). „Wenn der Bund den Kommunen helfen möchte, darf er das gern tun – eine Zwangsverpflichtung der Länder nach den Regeln des Bundes ohne Absprache ist aber eine Unverschämtheit.“