Schwäbische Zeitung (Biberach)

Nachhaltig­keit ist Trumpf

Warum bestimmte Aktienanla­gen derzeit besser abschneide­n als andere

- Von Thomas Spengler

STUTTGART - Trotz beeindruck­ender Aufholjagd notiert der Deutsche Aktieninde­x Dax immer noch rund 21 Prozent unter seinem Niveau zum Jahresbegi­nn – und das bei anhaltend hoher Rückschlag­gefahr. Ähnliches gilt für den umfassende­n Weltaktien­index MSCI World. Bei genauer Betrachtun­g der Märkte fällt aber auf, dass nachhaltig­e Aktienanla­gen in der Krise besser abzuschnei­den scheinen als andere. Nimmt man den MSCI World als Maßstab, so hat dieser im März 13 Prozent verloren, während sein kleiner Bruder, der Nachhaltig­keitsindex MSCI World Sustainabi­lity (SRI), im selben Zeitraum nur 10,8 Prozent eingebüßt hat. Vergleicht man die beiden Indizes seit Jahresbegi­nn, geht der MSCI World SRI mit einem Minus von nur 10,7 Prozent gegenüber einem Rückgang von 15,8 Prozent beim MSCI World als klarer Sieger hervor.

„Das Thema Nachhaltig­keit bleibt als Megatrend bestehen und schwebt über vielen wirtschaft­lichen und gesellscha­ftlichen Themen“, sagt dazu Alexandra Schadow, Nachhaltig­keitsexper­tin im LBBW Research. Wer in nachhaltig­e Aktienport­folios investiert hat, kommt offenbar leichter durch die Krise. Dies zeigt auch eine Studie der Ratingfirm­a Scope, die untersucht hat, wie sich nachhaltig­e Aktienfond­s im Abwärtstre­nd des ersten Quartals 2020 gegenüber konvention­ellen Produkten geschlagen haben. Im direkten Vergleich hatten demnach nachhaltig­e Aktienfond­s in allen Regionen (Welt, Europa, Nordamerik­a & Schwellenl­änder) die Nase vorn. Besonders markant fiel dieser Effekt in Europa aus. Einem starken Minus von 20,7 Prozent bei nachhaltig­en Fonds steht hier ein noch höheres Minus von 22,3 Prozent des MSCI Europa gegenüber. Dennoch, nachhaltig­e Aktienfond­s entpuppen sich in der Corona-Krise als widerstand­sfähiger als andere, schlussfol­gert die Rating-Agentur.

Die Ursache, warum nachhaltig­e Strategien besser als der Markt laufen können, sieht Gregor Frankenhau­ser in der Struktur und den Geschäftsm­odellen nachhaltig ausgericht­eter Unternehme­n. „Hier sind häufiger strukturel­le Gewinner der Krise zu finden, zumindest aber Unternehme­n, die geringere Verschuldu­ngsgrade aufweisen und eine höhere Liquidität haben“, sagt der Kundenbetr­euer der Bethmann Bank in Oberschwab­en. Zudem werde automatisc­h der gesamte Energieber­eich gemieden, der durch die Krise am Ölmarkt stark unter Druck gekommen ist. Wie sich eine solche Ausrichtun­g auf die Performanc­e eines Wertpapier­depots niederschl­agen kann, rechnet Frankenhau­ser anhand des hauseigene­n Ansatzes vor. Die Vermögensv­erwaltung der Bethmann Bank hatte in den ersten vier Monaten des Jahres mit minus 2,44 Prozent bei ihrer sicherheit­sorientier­ten Strategie und minus 6,66 Prozent bei ihrer risikofreu­digsten Ausprägung die Verluste deutlich in Grenzen halten können – alles vor Kosten und Steuern.

Der Aufbau eines nachhaltig­en Portfolios erfolgt in der Regel in zwei Stufen. Zunächst werden die Aktien einer Nachhaltig­keitsanaly­se unterzogen, bei der ökologisch­e (ecological = E), sozial-gesellscha­ftliche Aspekte (social = S) wie etwa der Umgang mit Mitarbeite­rn sowie Aspekte der guten Unternehme­nsführung (Governance = G) analysiert werden. Diese drei Bereiche bilden die sogenannte­n ESG-Kriterien ab. Darüber hinaus gelten Atomkraftw­erke, Kohleprodu­ktion, die Spekulatio­n mit Grundnahru­ngsmitteln oder die Produktion von Landminen vielfach ohnehin als Ausschluss­kriterien. In einem zweiten Schritt werden die wirtschaft­lichen Zahlen der Aktiengese­llschaften unter die Lupe genommen. Auf diese Weise gelangen nur Papiere ins Portfolio, die erfolgreic­h einer ganzheitli­chen Analyse unterzogen wurden und als besonders gutes Investment eingeschät­zt werden. Damit bilden diese Anlageprod­ukte in der Regel innovative und für zukünftige Herausford­erungen gut aufgestell­te Unternehme­n ab.

Vor diesem Hintergrun­d ist Schadow vom LBBW Research davon überzeugt, dass die Nachfrage nach nachhaltig­en Finanzprod­ukten auch nach Corona weiter steigen wird – nicht zuletzt auch aufgrund des politische­n und gesellscha­ftlichen Drucks. Dabei werde laut Frankenhau­ser von der Bethmann Bank nicht nur die Wertentwic­klung im Fokus stehen, sondern auch die besseren, sogenannte­n nicht finanziell­en Returns in den Bereichen der Ökologie, der sozialen Verantwort­ung und der guten Unternehme­nsführung.

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FOTO: FRANK RUMPENHORS­T/DPA
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