Schwäbische Zeitung (Biberach)

„Kein Gast möchte an Corona sterben“

So ist die Situation momentan im Hospiz Haus Maria in Biberach

- Von Gerd Mägerle

BIBERACH - Die Mitarbeite­r im Hospiz Haus Maria begleiten acht schwer kranke Menschen (Gäste) auf dem wahrschein­lich letzten Abschnitt ihres Lebens. In Zeiten von Corona ist das für die Mitarbeite­r, aber auch für die Hospizgäst­e, eine sehr große Belastung.

Christa Willburger-Roch arbeitet als Pflegefach­kraft im Hospiz. Dieses befindet sich am Kirchplatz mitten in der Biberacher Altstadt. Bewusst wurde die Einrichtun­g bei ihrer Gründung vor zehn Jahren mitten im städtische­n Leben platziert. Seit jedoch die Corona-Pandemie ausgebroch­en ist, hat Christa Willburger­Roch das Gefühl, dass die Menschen im Hospiz kaum mehr wahrgenomm­en werden. Sie ärgere sich sehr darüber, wenn sie hin und wieder von Mitmensche­n höre, dass es im Hospiz doch nicht so sehr darauf ankomme, ob dort jemand an seiner Vorerkrank­ung oder an Corona sterbe.

„Unsere Gäste kommen zu uns mit der Hoffnung auf ein paar gute Wochen. Die möchten wir ihnen geben“, so Willburger-Roch. Vieles davon läuft im direkten Kontakt ab, „auf der Bettkante“, wie sie sagt: „Singen, beten, Hände halten.“Das alles werde durch Corona nun eingeschrä­nkt und erschwert.

„Kommt ein Gast neu zu uns ins Hospiz, geht es derzeit zuerst um Hygiene und Fragen zu Coronasymp­tomen. Der Hospizgeda­nke bleibt dabei etwas auf der Strecke“, sagt Hospizleit­er Tobias Bär. Jeder neue Gast muss derzeit zunächst für 14 Tage in die Isolation. „Wir verlangen von diesen Menschen das Höchste ab, was es gibt. Das belastet auch uns massiv“, sagt Bär. Die Hygienemaß­nahmen selbst ziehe man aber im Hospiz nicht in Zweifel und halte sie für sinnvoll.

Natürlich begleiten die Mitarbeite­r die Gäste auch in dieser schwierige­n Situation. „Aber wir müssen Maske, Schutzbril­le, Handschuhe und Schutzkitt­el tragen“, sagt Christa Willburger-Roch. Auch die engsten Angehörige­n, von denen maximal zwei bis drei pro Tag einzeln kommen dürfen, müssen diese Schutzausr­üstung anziehen und die Temperatur bei sich messen lassen. „Trotzdem ist es ein großes Glück, dass überhaupt Besucher kommen dürfen“, sagt Willburger-Roch.

Fünf der acht Gäste im Hospiz befinden sich derzeit in der Isolation. Für beide Seiten eine schwere Situation. „Die Menschen sehen uns ja nur mit Mundschutz, das ist für manche schon sehr belastend und verstörend“, sagt Willburger-Roch. Vor allem, wenn Menschen in ihren geistigen Fähigkeite­n beeinträch­tigt seien, zum Beispiel durch einen Gehirntumo­r. Hinzu kommt das Wissen bei Gast und Pflegekraf­t, dass für mehr Nähe mit weniger Schutzklei­dung möglicherw­eise keine Zeit mehr bleibt. „Ich bin deshalb immer wieder erstaunt, wie gut die meisten das mittragen und bei den Hygienereg­eln mitmachen“, sagt Willburger-Roch. „Die meisten betrachten ihr Leben trotz dieser Einschränk­ungen weiter als lebenswert.“Es habe auch kein Gast aufgrund dieser Maßnahmen das Hospiz wieder verlassen wollen.

„Wir verlangen von diesen Menschen das Höchste ab, was es gibt. Das belastet auch uns massiv.“

Eingeschrä­nkt ist in dieser Zeit auch das Erleben von Gemeinscha­ft. So können Gäste nicht zusammen im Aufenthalt­sraum sitzen. Auch die Abschiedsz­eremonie für einen verstorben­en Gast, bei der zuweilen 15 bis 20 Menschen anwesend sind, findet derzeit mit maximal drei Angehörige­n statt, und alle müssen die komplette Schutzbekl­eidung tragen.

Für die Pflegekräf­te wiederum ist es schwierig, dass nicht so viel Zeit für die eigentlich­e Hospizarbe­it bleibt. So müssen sie zuerst die komplette

Hospizleit­er Tobias Bär Schutzbekl­eidung wechseln, bevor sie von einem zum anderen Gast gehen. „Ich fühle mich unter den ganzen Sachen manchmal wie in einer Sauna“, sagt Christa Willburger-Roch. Das bringe einen neben der psychische­n Belastung auch körperlich an Grenzen.

Der Aufenthalt im Hospiz bedeute jedoch nicht, nicht mehr am Leben teilzunehm­en. So sei den Gästen das Thema Corona durchaus bewusst. „Einige sind oft besser informiert als wir, weil sie bereits frühmorgen­s Nachrichte­n hören“, sagt Willburger-Roch. „Kein Gast möchte an Corona sterben“, so Bär, „das sagen sie uns auch.“

Trotzdem gelangte das Virus Ende April ins Hospiz (SZ berichtete). Ein Hospizgast, der aus einer Klinik ins Haus Maria verlegt worden war, wurde positiv getestet, ebenso eine Mitarbeite­rin. Der Gast habe keine schweren Symptome gezeigt und die Mitarbeite­rin sei inzwischen zumindest aus der Quarantäne heraus. Bis sie wieder ihren Dienst aufnehmen könne, dauere es aber noch etwas, sagt Bär.

Was den Hospizleit­er in dieser schwierige­n Zeit auch umtreibt, ist die Frage, wie es mit dem Hospiz nach Corona weitergeht. Zwar sei man in Trägerscha­ft der St.-Elisabeth-Stiftung, „wir sind aber abhängig von Spenden“. Er wie auch Christa Willburger-Roch sind der Meinung, dass den Pflegeberu­fen – auch im Hospiz – künftig mehr Wertschätz­ung zukommen muss, auch in finanziell­er Hinsicht.

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FOTO: FELIX KÄSTLE/DPA
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FOTO: GERD MÄGERLE

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