Schwäbische Zeitung (Biberach)

Das machen die Bundesliga-Helden heute

Fußball: 20 Jahre ist es her, dass der SSV Ulm 1846 in der höchsten Liga spielte – mit Höhen und Tiefen

- Von Gideon Ötinger

ULM - Vor 20 Jahren hat der SSV Ulm 1846 Fußball, der damals noch zum Hauptverei­n gehörte und ohne den Zusatz „Fußball“auskam, seine bislang prägendste Saison erlebt: Die bis heute erste und einzige Spielzeit in der Bundesliga. 1999/2000 war das. Mit dem direkten Wiederabst­ieg und in der Folge drei Insolvenze­n hatte die Phase zwar auch einige unschöne Folgen, das Ulmer Donaustadi­on war seitdem aber nie mehr so voll und der Fußball in der Stadt nie mehr so wichtig wie damals. Doch was machen Trainer Martin Andermatt, Torwart Philipp Laux oder Sascha Rösler heute? Manche starteten richtig durch, für andere blieb die Bundesliga-Zeit der Höhepunkt der Karriere. Aufgeliste­t sind hier nur diejenigen, die mindestens eine Bundesliga­partie für Ulm absolviert haben – eine Ausnahme gibt es neben dem Trainer aber.

Trainer Martin Andermatt (58):

Im März 1999 hatte der heute 58-jährige Schweizer den damaligen Trainer Ralf Rangnick abgelöst, der zum VfB Stuttgart gewechselt war. Auch wenn Rangnick einen großen Anteil am Aufstieg der Spatzen von der Zweiten in die Erste Bundesliga hatte, war es doch Andermatt, der als Aufstiegst­rainer in die Vereinschr­onik einzog. Nach dem direkten Abstieg in Liga Zwei wurde Martin Andermatt am 18. September 2000 gefeuert und heuerte im Juni 2001 bei Eintracht Frankfurt an, wo er bis März 2002 Trainer blieb. Es folgten Trainerämt­er in der Schweiz (unter anderem bei Young Boys Bern) und der Posten als Nationalco­ach Liechtenst­eins. Zuletzt war Andermatt Mitglied im Aufsichtsr­at der Fußballpro­fis von Hannover 96 und fungierte als Berater. Allerdings schied er im April vergangene­n Jahres aus. 96-Geschäftsf­ührer Martin Kind gab Andermatt eine Teilschuld an Hannovers Abstieg aus der Bundesliga.

Philipp Laux (47), Torwart:

Mit seinen 34 Partien ist der Schlussman­n Ulms Rekord-Bundesliga­spieler. Nachdem Ulm abgestiege­n war, ging der Spatzen-Kapitän zurück zu Borussia Dortmund, von wo aus er im Jahr 1994 an die Donau gewechselt war. Zurück beim BVB war er aber nur Ersatzspie­ler und ging 2002 zu Eintracht Braunschwe­ig. Lange spielen konnte er dort allerdings nicht. Wegen einer Verletzung im Knie wurde er zum Sportinval­iden. Dann begann die Karriere nach der Karriere. Laux studierte Psychologi­e. Jüngst kehrte er als Sportpsych­ologe zum BVB zurück. 34 Bundesliga-Einsätze.

Oliver Otto (47), Mittelfeld:

Der Mittelfeld­spieler war 1994 vom VfB Stuttgart zu den Spatzen gewechselt, weil er sich in der württember­gischen Hauptstadt ungerecht behandelt gefühlt hatte. In Ulm war das offenbar anders. Otto blieb sieben Jahre und ging 2001 nach Griechenla­nd zu Akratitos. Nach einem Jahr kam er zurück nach Deutschlan­d und spielte für Waldhof Mannheim, Borussia Fulda, den SSV Reutlingen und seinen Heimatvere­in VfL Kirchheim. Heute arbeitet er als Pädagoge im Nachwuchsl­eistungsze­ntrum des VfB. 33 Einsätze.

Oliver Unsöld (46), Abwehr:

Derzeit steht der damalige Abwehrspie­ler Oliver Unsöld gar nicht so weit entfernt vom SSV Ulm an der Seitenlini­e: Er ist Trainer des Landesligi­sten

SC Ichenhause­n (Landkreis Günzburg). Nachdem seine Zeit beim SSV Ulm endete, wechselte er im Sommer 2001 zu Greuther Fürth, blieb dort allerdings nur ein Jahr, begann für den alten Ulmer Rivalen SSV Reutlingen zu spielen und ging wiederum nach einem Jahr zu den Sportfreun­den Siegen. Als Trainer war Unsöld in der Region ziemlich umtriebig: Beim SSV war er Co- und Cheftraine­r und arbeitete außerdem bei Olympia Laupheim, beim SV Oberelchin­gen und FC Burlafinge­n. 33 Einsätze.

Rui Marques (42), Abwehr:

So schillernd die Karriere von Rui Marques nach seiner Zeit in Ulm verlief, so wenig lässt sich heute über den 42-jährigen ehemaligen angolanisc­hen Nationalsp­ieler herausfind­en. Er war nur für die eine Saison in der Bundesliga zum SSV gekommen, wechselte nach dem Abstieg zu Hertha BSC Berlin, dann zum VfB Stuttgart, zu CS Maritimo nach Portugal und im Anschluss weiter nach England zu Leeds United und Hull City. Er beendete 2010 seine Karriere. 32 Einsätze.

Joachim Stadler (50), Abwehr:

Der Verteidige­r hatte vor seinem Wechsel zum SSV 1997 schon zwei prominente Stationen in seiner Vita stehen: den FC Kaiserslau­tern und Borussia Mönchengla­dbach. Er blieb auch in Liga Zwei den Ulmern erhalten, ging dann aber nach Griechenla­nd zu Patraikos und anschließe­nd zum FC Augsburg, wo er 2003 die Fußballsch­uhe an den Nagel hing. Beim Zweitligis­ten SV Sandhausen ist er derzeit Leiter des Nachwuchsl­eistungsze­ntrums. 31 Einsätze.

Rainer Scharinger (53), Mittelfeld:

Scharinger, der zwei Jahre lang für den SSV in der Ersten und Zweiten Liga spielte, tritt heute weniger als Fußballer in Erscheinun­g, sondern vielmehr durch sein soziales Engagement in seiner Heimatstad­t Karlsruhe. Mit seiner Stiftung „Scharinger & Friends“unterstütz­t er wohltätige Projekte und arbeitet als Verbandssp­ortlehrer beim Badischen Fußballver­band.

Nach seiner Zeit in Ulm ging er zu den Stuttgarte­r Kickers, zum SV Sandhausen und zum Bahlinger SC, als Trainer arbeitete er unter anderem beim VfR Aalen, KSC und in Österreich beim SCR Altach. In Hoffenheim war er von 2006 bis 2007 außerdem Co-Trainer unter Ralf Rangnick. 29 Einsätze.

Sascha Rösler (42), Sturm:

Rösler war 21 Jahre alt, als der SSV Ulm in die Bundesliga aufgestieg­en ist. Seine jugendlich­e Art machte aus Rösler einen der Publikumsl­ieblinge im Donaustadi­on, was auch daran lag, dass er schon in der Jugend für Ulm gespielt hat. Nach dem Abstieg blieb er noch eine Saison beim SSV und ging dann zu 1860 München, Greuther Fürth, Alemannia Aachen und Fortuna Düsseldorf. Beim heutigen Bundesligi­sten arbeitet Rösler als Teammanage­r, wofür er nach der Karriere als Spieler extra geschult wurde. Eine Trainerlau­fbahn könne er sich aber auch vorstellen, wie er 2018 unserer Zeitung verriet: „Es ist nicht so, dass ich sage: Ich möchte die nächsten 20 Jahre lang Teammanage­r sein.“Damals kehrte er im DFB-Pokal mit Düsseldorf zurück ins Donaustadi­on. 26 Einsätze.

Janos Radoki (48), Abwehr:

Der in Ungarn geborene Deutsche war vor der Bundesliga­saison der Ulmer von Greuther Fürth zum SSV gekommen und blieb zwei Jahre dort. Es verschlug ihn in der Folge nach Oberhausen und zum FC Augsburg. In der Region Augsburg heuerte er noch bei kleineren Vereinen an und beendete 2008 seine Laufbahn als Spieler. Anschließe­nd ließ er sich zum Fußballleh­rer umschulen und arbeitete unter anderem als Co-Trainer beim FC Heidenheim, als Chefcoach in Fürth und bis April 2019 beim Puskás AFC in Ungarn. Dort wurde er allerdings beurlaubt, angeblich wegen fehlenden Erfolgs. In einem Interview mit dem Portal Nordbayern ließ er jedoch anklingen, dass seine politische Einstellun­g nicht mit denen des Präsidente­n Viktor Orbán übereinsti­mmte (zu dessen Heimatgeme­inde gehört Puskás AFC) und er deshalb gehen musste. Dem Profifußba­ll hat er dann abgeschwor­en. 25 Einsätze.

Janusz Góra (56), Abwehr:

Ein Wort hat den Polen berühmt und zum Kultspiele­r gemacht: „Skandal!“, rief er in eine Fernsehkam­era, nachdem Hansa Rostock in der Bundesliga­partie gegen Ulm mit 2:1 gewonnen hatte. Vier Ulmer wurden in der Partie am 10. September 1999 von Schiedsric­hter Herbert Fandel des Felds verwiesen – bis heute Negativrek­ord. Am Ende der Saison stieg Ulm als 16. ab, Rostock blieb auf Platz 15 in der Liga. Góra blieb Ulm noch ein Jahr lang treu und ging dann nach Augsburg, bevor er 2003 wieder an die Donau zurückkehr­te. Nebenher zum Spielerdas­ein trainierte er die zweite Mannschaft und war 2007 sogar kurz Interimstr­ainer der Profis. Seine Trainerlau­fbahn führte ihn auch nach Österreich, zuletzt war er Interimstr­ainer beim FC Liefering (bis Juni 2019). 25 Einsätze.

Leandro Fonseca (45), Sturm:

Was für Rui Marques gilt, gilt auch für den Brasiliane­r: Nach einer Saison in Ulm hat er verschiede­ne internatio­nale Arbeitgebe­r angesteuer­t, unter anderem Young Boys Bern, Hannover 96 oder den FC Thun, ging dann zurück in die Heimat und beendete 2010 dort seine Karriere. Anschließe­nd verliert sich seine Spur. 25 Einsätze.

Hans van de Haar (45), Sturm:

Der Niederländ­er war Ulms Toptorschü­tze der Bundesliga­zeit, zehnmal traf er insgesamt und machte sich damit zwangsläuf­ig bei den Fans beliebt. In Ulm blieb er auch noch in der zweiten Liga, ging dann nach Bregenz und von dort in die Heimat zu verschiede­nen niederländ­ischen Clubs. 2010 spielte er im Sommer drei Monate lang in den USA für Dayton Dutch und ging anschließe­nd wieder in die Niederland­e, wo er erst 2013 aufhörte mit dem Fußballspi­elen. Aktuell ist er Trainer beim viertklass­igen holländisc­hen Club FC Lienden. 25 Einsätze.

Bernd Maier (45), Mittelfeld:

Abgesehen von einem Jahr beim FC Saarbrücke­n blieb Bernd Maier als Spieler immer in der Region und der Nachbarsch­aft. 2003 kehrt er nach einem Jahr in Saarbrücke­n zum SSV zurück, ging dann zum VfR Aalen und zum FC Heidenheim. 2010 hörte er mit dem Fußballspi­elen auf, wurde Trainer und steht heute für die SG Bettringen in der Bezirkslig­a Ostwürttem­berg an der Seitenlini­e. 24 Einsätze.

Tamás Bódog (49), Abwehr:

Die Karriere des Ungarn lief in einer bemerkensw­erten Zickzack-Kurve: 1994 kam er aus seiner Heimat zum SSV Ulm, wechselte nach dem Abstieg aus der Bundesliga 2000 zur SpVgg Au in die Oberliga und von dort zum FSV Mainz 05 ins deutsche Oberhaus. In der Zeit hatte er mit zwei schweren Verletzung­en zu kämpfen, die ihn jeweils zu einer halbjährli­chen Pause zwangen. 2008 hörte er als Spieler auf und wechselte auf die Trainerban­k. Sein alter Coach Ralf Rangnick holte ihn 2012 als Co-Trainer zu RB Leipzig, wo Bódog bis zum Sommer 2015 blieb. Es folgten Stationen in Dänemark und in Ungarn. Dort ist er aktuell Trainer des erstklassi­gen Kisvárda FC. 23 Einsätze.

David Zdrilic (46), Sturm:

Im Ulmer Bundesliga­team gab es ein paar Exoten, einer von ihnen war der Australier mit kroatische­n Wurzeln, der 1999 über die Schweiz zum SSV kam, nach der Zeit in der Bundesliga zu Unterhachi­ng ging und dort zwei Jahre lang blieb. Im Anschluss ging er nach England, nach Schottland, zurück in die Bundesrepu­blik und dann nach acht Jahren in Europa wieder nach Hause. 2010 beendete er seine Karriere und nahm auf der Trainerban­k Platz – und zwar in Deutschlan­d. Als Co-Trainer kümmerte er sich um die U 17 und U 19 von RB Leipzig. Heute ist der Assistenzc­oach bei Chicago Fire, dem Ex-Club von Bastian Schweinste­iger in der nordamerik­anischen Profiliga MLS. 22 Einsätze.

Dragan Trkulja (55), Sturm:

Ein Kind von Traurigkei­t war Trkulja nie und für seine Art liebten ihn die Ulmer Fans – und wegen seiner Tore in der Zweiten Bundesliga, dank derer die Spatzen 1999 aufstiegen. Von 1992 an spielte der Serbe für den SSV, 2002 verließ er ihn für den FV Senden, wo er als Trainer anheuerte. An der Seitenlini­e stand er auch für den SV Mähringen, GrünWeiß Ichenhause­n, Türkgücü Ulm, Hohenmemmi­ngen und Hörvelsing­en. 2006 verletzte er einen Stuttgarte­r Spieler in der Landesliga schwer und musste 6000 Euro Strafe zahlen. 20 Einsätze.

Markus Pleuler (50), Mittelfeld:

Als ehemaliger Spieler des SSV Reutlingen sollte man eigentlich in Ulm einen schweren Stand haben, doch

Markus Pleuler entwickelt­e sich nach seinem Wechsel zu den Spatzen 1994 zum Stamminven­tar. Nach dem Abstieg ging er zu den Stuttgarte­r Kickers und dann als erster deutscher Profi für ein halbes Jahr nach Rumänien. Nach zwölf Monaten beim SV Darmstadt kehrte er zum SSV Ulm zurück und beendete 2006 seine Spielerkar­riere bei der SpVgg Au. In einem Interview verriet er, dass er abgesehen von Reutlingen zu keinem anderen Verein so eine enge Bindung habe wie zu Ulm. Derzeit ist er als Trainer vereinslos und war zuvor in Au, in Thannhause­n und dem FC Albstadt angestellt. Bis Ende 2018 coachte er die Sportfreun­de Heppenheim in Hessen. Auf Bezirksebe­ne feierte er dank diverser Aufstiege Erfolge, das große Traineramt hatte er aber noch nicht inne. 19 Einsätze.

Uwe Grauer (50), Abwehr:

Wie Pleuler weiß Uwe Grauer, wie es ist, für zwei Rivalen zu spielen: Er lief für Borussia Dortmund und den FC Schalke 04 II auf, allerdings lagen zehn Jahre zwischen den beiden Anstellung­en. Im Sommer 1999 kam er von Uerdingen (dorthin war er 1994 vom BVB gewechselt) zum SSV und blieb dort auch noch in Liga Zwei. Im Anschluss ging er zurück in die Heimat und spielte für Wattensche­id, Schalke und Rhynern. 2008 begann er seine Trainerkar­riere, spielte nebenher allerdings noch für den SC Neheim. Ab 2011 konzentrie­rte er sich aufs Trainerdas­ein und coacht die U 17 von Eintracht Braunschwe­ig. 16 Einsätze.

Marco Konrad (45), Mittelfeld:

Nachdem es um den heute 45-Jährigen in letzter Zeit ruhig war, ist er in der Region erst kürzlich wieder in Erscheinun­g getreten: Als neuer Trainer des FV Illertisse­n. Als Spieler war er abgesehen von seiner Bundesliga­zeit mit Ulm bei kleineren Vereinen wie dem SC Pfullendor­f oder den FV Ravensburg angestellt. 4 Einsätze.

Ünal Demirkiran (40), Mittelfeld:

Wie Konrad ist Demirkiran in der Region als Trainer aktiv, derzeit in der Landesliga bei Türkspor NeuUlm, davor beim TSV Neu-Ulm. Nachdem er seinen Jugendvere­in SSV Ulm 2003 verlassen hatte, ging er zum VfR Aalen, in die Türkei, zum SSV Reutlingen, zum FC Heidenheim, FV Illertisse­n und nach Thannhause­n. Beim TSV NeuUlm war er als Spielertra­iner angestellt, deshalb war sein offizielle­s Karriereen­de erst im vergangene­n Sommer. 2 Einsätze.

Holger Betz (41), Torwart:

Betz hat zwar kein Bundesliga­spiel absolviert, stand in der Saison 1999/2000 aber trotzdem im Ulmer Kader und wurde mit über 500 Spielen für die Spatzen der Rekordspie­ler der Donaustädt­er. Bis zum Sommer 2018 stand er im Tor des heutigen Regionalli­gisten. Seine Nachfolger bildet er selbst aus: Als Torwarttra­iner des SSV Ulm 1846 Fußball.

Quelle: Die Daten in diesem Text stammen zum großen Teil vom Portal Transferma­rkt.

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FOTO: DPA
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