Schwäbische Zeitung (Biberach)
Alles wie immer beim VfB
Stuttgart verpatzt den Neustart – Videobeweis wieder einmal ein Diskussionsthema
WIESBADEN (dpa/sz) - Viel vorgenommen, aber dann doch sehr pomadig gespielt, beste Chancen vergeben, unnötig einen Gegentreffer kassiert, selber ein Tor gemacht und dann den Videobeweis nicht auf seiner Seite: Der VfB Stuttgart konnte sich beim 1:2 (0:0) bei Abstiegskandidat Wehen Wiesbaden an vieles erinnert fühlen, was ihm schon so oft in dieser Saison zum Verhängnis geworden war. Es war also vieles wie immer beim Aufstiegskandidaten – nur dass eben die Zuschauer fehlten. Vom avisierten Finale um den Aufstieg in die Bundesliga war nicht viel zu sehen. „Wir könnten eigentlich der Gewinner des Spieltags sein. Jetzt sind wir der Verlierer des Spieltags. Das tut weh“, konnte dann auch Stürmer Mario Gomez nur zu Protokoll geben. Recht hatte er damit allemal. Immerhin war das für die Schwaben beim Neustart nach der Zwangspause ein heftiger Rückschlag im Aufstiegsrennen, auch wenn sie Glück hatten, dass auch einige Konkurrenten Federn ließen.
Besonders bitter: Der Videobeweis führte nach einem Handspiel von Hamadi Al Ghaddioui in der Nachspielzeit zur Auswärtsniederlage. Mit der letzten Aktion des Spiels verwandelte Phillip Tietz für Wehen Wiesbaden den Strafstoß (90.+7 Minuten) und verdarb den Schwaben den Nachmittag.
Und während sich einige Wiesbadener auch in der Coronavirus-Krise in die Arme fielen, diskutierte VfBTrainer Pellegrino Matarazzo immer weiter mit Schiedsrichter Sascha Stegemann. Er schüttelte den Kopf, sein Mundschutz baumelte um den Hals. Wenig später analysierte der Trainer: „Wir sind gut ins Spiel gekommen, haben aber die Chancen nicht genutzt. Der Gegentreffer hat die Mannschaft verunsichert, wir waren nicht mehr so zwingend. Wiesbaden hätte durchaus nachlegen können. Nach dem 1:1 sind wir auf Sieg gegangen. Der Elfmeter war natürlich unglücklich. Ich muss da noch Gespräche führen, vielleicht waren wir nicht konzentriert genug, vielleicht auch mental unzufrieden.“
Auch Gomez ließ die entscheidende Szene nicht los: „Wenn im Luftkampf, wo die beiden Spieler zum Ball gehen, der Ball von zehn
Zentimetern an die Hand springt, dann ist das kein Handspiel. Dass es überhaupt so weit kommt in der
97. ist unsere Schuld und nicht die des Schiedsrichters. Der Schiri hatte wahrscheinlich die wenigste Schuld heute“, so der Stürmer: „Am Ende des Tages stehst du da und schaust blöd.“Denn die Stuttgarter hatten es sich auch selbst zuzuschreiben, dass sie den Hamburger SV vorbeiziehen lassen mussten und auf Rang drei der
2. Bundesliga abrutschten. Nach der überlegenen ersten Hälfte habe der VfB in der zweiten Halbzeit „zu viel Harakiri“gespielt, gestand Gomez.
Der frühere Nationalspieler hätte seine Elf in der schwungvollen Anfangsphase in Führung bringen können, konnte aus kurzer Distanz Wehens Torhüter Heinz Lindner aber nicht überwinden (4.). Es gelang nur der zwischenzeitliche Ausgleich durch Nicólas González (83.), nachdem Manuel Schäffler für Wehen die
Führung erzielt (50.) hatte. Auch ohne das Anfeuern der Zuschauer hatte der Favorit die Partie zunächst dominiert, die notwendige Konsequenz aber vermissen lassen. In der zweiten Halbzeit ließ der VfB dann nach. Vor dem Rückstand leistete sich
Mario Gomez
Rückkehrer Marcin Kaminski einen folgenschweren Fehlpass im Spielaufbau – der Verteidiger gab nach seiner langen Verletzungspause damit ein unglückliches Comeback. Wehens Stürmer Schäffler nutzte den Konter effizient aus, er hatte
„Wir könnten eigentlich der Gewinner des Spieltags sein. Jetzt sind wir der Verlierer des Spieltags.“
schon beim überraschenden 2:1 der Wiesbadener im Oktober zweimal gegen den VfB getroffen.
Matarazzo reagierte und nutzte mit fünf Wechseln die neue Regel aus, zu mehr als einem Treffer führte auch das nicht. Die Gastgeber hatten schon vor dem Handelfmeter in der Nachspielzeit bessere Chancen. „Das waren einfach zum richtigen Zeitpunkt die Tore“, meinte Schäffler. Die den VfB aber umso mehr schmerzen. Denn Arminia Bielefeld und der HSV nahmen jeweils einen Punkt mit. Der Tabellenführer ist sieben Punkte entfernt, der HSV liegt punktgleich dank des besseren Torverhältnisses vor den Schwaben.
Also Arbeit genug für Matarazzo, der meinte: Wir müssen zusammenwachsen. Jetzt wissen wir, wo wir stehen. Die Auswärtsprobleme müssen wir abstellen. Wir verlieren zu schnell den Faden, uns fehlt die Widerstandsfähigkeit und Gegenwehr.“