Schwäbische Zeitung (Biberach)
Variante Vettel
Mercedes denkt intensiv über den Ferraristar nach
KÖLN (SID) - Der erfolgreichste deutsche Formel-1-Fahrer der letzten 15 Jahre im deutschen Weltmeisterauto? Der Faszination dieses Gedankenspiels kann sich natürlich auch Toto Wolff nicht entziehen. „Ein deutscher Fahrer in einem deutschen Fahrzeug ist eine gute MarketingStory“, sagte der Mercedes-Motorsportchef im ORF.
Unabhängig davon könne „kein gutes Team es einfach ignorieren, wenn ein viermaliger Weltmeister plötzlich auf dem Transfermarkt auftaucht“, merkte der Österreicher in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung an. Bahnt sich da etwa ein „perfect match“an?
Schließlich ist Mercedes nicht bloß ein gutes Team, es ist seit sechs Jahren das mit Abstand beste in der Formel 1. So wie Sebastian Vettel seit seinen Red-Bull-Weltmeisterjahren (2010 bis 2013) zu den Allerbesten seines Sports gehört. Und tatsächlich scheint für den Heppenheimer die „große Lösung“noch die wahrscheinlichste zu sein, will er nach Ablauf seines Ferrari-Vertrags auch 2021 weiter in der Motorsport-Königsklasse mitmischen.
Aber: Wie realistisch ist die Option Mercedes tatsächlich? „Beim Blick in die Zukunft sind wir natürlich zunächst einmal unseren derzeitigen Fahrern gegenüber zu Loyalität verpflichtet“, erklärte Wolff, der ein Meister darin ist, öffentlich Türen nicht zu weit zu öffnen und selten komplett zuzuschlagen. „Für uns stellt sich auch die Frage, was wir mit George Russell machen. Das ist eine Option“, fügte der 48-Jährige an, „und dann kommt auch eine Sebastian-Vettel-Variante dazu.“
Grund etwas zu verändern, hat Mercedes eigentlich nicht. Das derzeitige Mercedes-Fahrerduo Lewis
Hamilton/Valtteri Bottas harmoniert seit drei Jahren exzellent. Zwar laufen die Verträge beider Piloten aus, doch um den sechsmaligen Weltmeister Hamilton herum ist das Team quasi aufgebaut worden. Der Brite bezeichnet den Rennstall als sein „Dream Team“, zudem ist für ihn die einzig verlockende Alternative Ferrari durch die Verpflichtung von Carlos Sainz als Vettel-Nachfolger keine mehr. Bliebe der Sitz von Bottas. Der 30-jährige Finne ist ein Muster an Konstanz, dazu ein Teamplayer erster Güte, der auch mit Hamilton harmoniert. Vettel mit seinen 53 Grand-Prix-Siegen ist ein anderes Kaliber, auch von seinem Temperament und den Ansprüchen her.
Hamilton und der Deutsche begegnen sich seit jeher mit großem Respekt, doch ein Rivale in der eigenen Garage ist eine ganz andere Qualität. Da muss man Hamilton nur auf Nico Rosberg und Vettel auf Charles Leclerc ansprechen.
„Sebastian hat alle Fäden in der Hand“, sagte Wolff nun mit Blick auf die Formel-1-Zukunft des Deutschen. Genau genommen stimmt das nicht: Mercedes allein entscheidet, ob man sich ein Gigantenduell mit zwei Alphatieren, dekoriert mit zehn WMTiteln und 137 (!) Grand-Prix-Erfolgen gönnen will. Oder zumuten.