Schwäbische Zeitung (Biberach)
Kitas betreuen wieder mehr Kinder
Vom Normalbetrieb sind jedoch alle Einrichtungen noch weit entfernt
BAD SCHUSSENRIED - Die Kindergärten in Baden-Württemberg dürfen ab dieser Woche wieder mehr Kinder betreuen. Bis zu 50 Prozent der Zweibis Sechsjährigen, so die Landesvorgabe, könnten rein theoretisch wieder in ihre Gruppen zurückkehren. In der Praxis, das zeigen die bisherigen Rückmeldungen der Einrichtungen, wird das jedoch nur in wenigen Kitas möglich sein. Eine Rückkehr zum Normalbetrieb wird es weiterhin nicht geben.
In Bad Schussenried herrscht diese Woche reger Telefonkontakt zwischen den einzelnen Kindertagesstätten und der Stadtverwaltung. Am Dienstag telefonierte Hauptamtsleiter Günter Bechinka mit allen Leiterinnen der drei städtischen Kitas. Die Berichterstattung in der Presse, so Bechinka, habe bei manchen Eltern Hoffnungen geweckt, die nur schwer einzuhalten seien. „Der Bedarf nach einer ausgeweiteten Kinderbetreuung ist natürlich da“, stellt er fest, „denn viele Eltern müssen wieder arbeiten und nicht bei allen ist das mit einer Kinderbetreuung zu Hause vereinbar.“In Bad Schussenried versuche man, diese Woche für jede Einrichtung individuelle Lösungen zu finden. Wie viele Kinder dann letztendlich betreut werden können, hänge unter anderem davon ab, wie viele Erzieherinnen ausfallen, weil sie zur Risikogruppe gehören. „Es liegt nun vor allem im Ermessen der Leiterinnen, welches Kind jetzt eine Betreuung dringend nötig hat“, sagt er.
Im städtischen Kindergarten St. Norbert besuchen bisher fünf Kinder die Notbetreuung. Keine der Erzieherinnen gehört zur Risikogruppe, weswegen Leiterin Birgit Mayer zuversichtlich ist, dass in Kürze wieder deutlich mehr Kinder in die Kita zurückkehren können. „Momentan gehen wir davon aus, dass wahrscheinlich jedes Kind zwei halbe Tage die
Einrichtung besuchen kann“, erklärt sie. Eine große Herausforderung bei der Erstellung eines neuen Betreuungskonzepts: Die Kinder, deren Eltern einen systemrelevanten Beruf ausüben, dürfen auch weiterhin keinen Kontakt zu anderen Kindern haben. „Für uns bedeutet das, dass unser pädagogisches Konzept der offenen Türen nicht mehr funktioniert“, sagt Mayer. „Jetzt sind alle unsere Türen zu. Die Kinder aus der Notbetreuung dürfen nicht die gleiche Toilette wie die anderen Kinder benutzen und auch im Garten nicht miteinander spielen.“Da der Kindergarten St. Norbert zwei getrennte Außenbereiche hat, lasse sich das durch einen genauen Zeitplan koordinieren. Andere Kitas stehen da vor einem Problem.
„Im Alltag bedeutet das, dass ich kein Kind mehr allein aufs Klo gehen lassen kann und ich auch sonst stets darauf achten muss, dass die Kinder sich nicht zu nahekommen.“Zudem müsse immer eine Erzieherin als Reserve bereitstehen, falls eine Kollegin krank werde. Denn die Notbetreuung muss in jedem Fall gewährleistet werden.
Im Gegensatz zu früher dürfen die Erzieherinnen auch nicht mehr zwischen den Gruppen hin- und herwechseln. „Wir sind wirklich weit von unserem normalen Alltag entfernt, die Kinder können auch nicht mehr frei entscheiden, ob sie heute im Rollenspielraum oder in dem Baubereich spielen – anders geht es aber nicht“, erklärt die Leiterin.
Mayer hofft, dass trotz all der Einschränkungen die erweiterte Betreuung eine Entlastung für die Eltern sein wird und die Kinder gern wieder in den Kindergarten kommen. „Bisher haben unsere Familien viel Verständnis aufgebracht und die Kommunikation hat gut funktioniert.“
Auch in den Kindergärten in katholischer Trägerschaft laufen die Vorbereitungen in dieser Woche auf Hochtouren. Ab voraussichtlich nächster Woche sollen in den katholischen Kindergärten St. Magnus und
St. Margareta wieder mehr Kinder betreut werden. Wie viele genau, ist noch offen.
„Jede Einrichtung ist derzeit dabei, ein individuelles Konzept zu erstellen und den genauen Bedarf bei den Eltern abzufragen“, sagt Martina Sodeikat, Kindergartenbeauftragte für das Dekanat Biberach. Ziel sei es, ähnlich wie in den städtischen Einrichtungen, in einem rollierenden System möglichst vielen Familien wenigstens eine zeitweise Betreuung wieder anzubieten. „Es muss aber allen klar sein, dass ein Normalbetrieb unter den aktuellen Voraussetzungen noch nicht möglich ist. Der Infektionsschutz hat oberste Priorität“, sagt sie. Und klar sei daher auch, dass die bisher geltenden pädagogischen Konzepte nicht wie bisher umgesetzt werden könnten. Jede Kindertagesstätte stehe im engen Austausch mit den Eltern und werde diese, sobald das neue Konzept stehe, direkt informieren.