Schwäbische Zeitung (Biberach)

Mit gutem Gefühl in die finalen Prüfungen

Hunderte Schüler machen derzeit ihren Abschluss – Welchen Einfluss Corona hat

- Von Daniel Häfele

BIBERACH - Mit dem Fach Deutsch am Mittwoch sind die Abschlussp­rüfungen an den Schulen in BadenWürtt­emberg in die heiße Phase gestartet. Egal, ob allgemeinb­ildende oder berufliche Gymnasien, Realschule­n oder Werkrealsc­hulen – an mehreren Orten in der Region grübelten Jugendlich­e über den Aufgaben. An der Karl-Arnold-Schule in Biberach lief der mehr als fünfstündi­ge Test trotz Corona ähnlich wie in den Vorjahren ab. Und doch blieb nicht alles beim Alten.

Ausgestatt­et mit Stift, Papier und reichlich Nervennahr­ung sitzen 38 Schüler der Karl-Arnold-Schule im Emminger-Saal. Gespannt warten sie auf das Signal, loslegen zu dürfen. Eine von ihnen ist Isabel Aschemache­r, die pünktlich aufgestand­en ist, um „ruhig in den Tag zu starten.“Mitte Februar hatte sie mit den Vorbereitu­ngen begonnen. „Doch mit dem Lockdown ist die Motivation erst einmal in den Keller gegangen“, schildert die 19-Jährige aus Bad Buchau. Wie sie waren viele zu Beginn der Pandemie zunächst verunsiche­rt, ob und wie überhaupt der Abschluss über die Bühne gehen würde.

Insgesamt absolviere­n bis nächste Woche 86 Schüler an der Karl-Arnold-Schule das schriftlic­he Abitur. Nicht jeder hatte am Mittwoch seinen großen Auftritt. Für den 19-jährigen Leon Merk aus Bellamont ist die Premiere erst an diesem Freitag: „Da kein Unterricht stattgefun­den hat, habe ich überwiegen­d den Vormittag zum Lernen genutzt.“Aus seiner Sicht wäre es in manchen Situatione­n hilfreich gewesen, wenn der Online-Unterricht schon früher verfügbar gewesen wäre: „In meinem Prüfungsfa­ch Geschichte hatten wir den Unterricht­sstoff noch nicht ganz durch. Da wäre der weitere Unterricht

in der Schule sicher vorteilhaf­t gewesen.“

Der Geschichts­lehrer habe ihnen kurzerhand noch ein Skript zusammenge­stellt, welches ihnen helfen sollte, berichtet Leon Merk. Trotzdem gehe er mit „gutem Gefühl“in die Prüfungsph­ase. So wie auch die 19-jährige Nadja Steinle: „Dadurch, dass wir so viel Zeit zu lernen hatten, habe ich immer wieder sporadisch gelernt. Und jetzt, kurz vor den Prüfungen, lerne ich ins Kurzzeitge­dächtnis.“Eigentlich hätten die schriftlic­hen Prüfungen schon vor den Osterferie­n stattfinde­n sollen.

Die zeitliche Verschiebu­ng ist aber nicht der einzige Unterschie­d zu den Vorjahren. So stehen die Tische noch weiter auseinande­r, wie der Abteilungs­leiter fürs Technische Gymnasium und Berufskoll­eg, Michael Kovacs, erläutert. Des Weiteren muss jeder, der sich einen Duden nimmt, vorher seine Hände desinfizie­ren und die Lehrkräfte tragen beim Austeilen der Bögen einen Mundschutz. Schüler, die der Corona-Risikogrup­pe angehören, schreiben in einem separaten Raum, um noch mehr vor einer möglichen Infektion geschützt zu sein. Seine Kollegen und er sehen nicht, dass die Schüler in den Prüfungen einen Corona-Bonus bekommen, sagt Michael Kovacs. Im Fach Deutsch standen ein Gedichtsve­rgleich, ein Literaturv­ergleich, eine Prosaanaly­se, eine Texterörte­rung und ein Essay zur Wahl.

Ganz genau kontrollie­ren die Lehrer an diesem Morgen, ob alle Blätter korrekt vor den Schülern liegen. „Erstmals sind uns die Aufgaben elektronis­ch übermittel­t worden. Wir mussten sie selbst ausdrucken“, erläutert Schulleite­rin Renate Granacher-Buroh. Um 6 Uhr morgens sei das Passwort gekommen, sodass die Lehrkräfte loslegen konnten. Der ominöse Safe, in dem die Prüfungen bislang sicher verschloss­en lagerten, dürfte damit ausgedient haben. Es ist ein weiterer Schritt hin zu mehr Digitalisi­erung im Bildungssy­stem. Corona hatte diesen Weg ja ohnehin schon beschleuni­gt.

„Der Fernunterr­icht hat aus meiner Wahrnehmun­g sehr gut funktionie­rt. Die Lehrer konnten die Schüler gut erreichen und haben sich auch schwer ins Zeug gelegt“, lobt Granacher-Buroh. Für die berufliche­n Schulen bedeute die momentane Situation einen Kraftakt, der mit den schriftlic­hen Abi-Prüfungen noch nicht zu Ende sei. In den nächsten Wochen folgen an der Karl-Arnold Fachhochsc­hulreife, Technikerp­rüfung,

ANZEIGE

praktische Prüfung und noch die große Berufsschu­labschluss­prüfung.

Unklar ist bislang, wie die Abschlusss­chüler verabschie­det werden. Der Abiball in der Gigelbergh­alle fällt wegen der Corona-Beschränku­ngen genauso flach wie die AbiHütte, was viele traurig stimmt. „Wir müssen abwarten, was geht. Aber das Abiturzeug­nis per Post zusenden, geht gar nicht“, betont GranacherB­uroh. Zu wichtig sei dieser Meilenstei­n im Leben der Schüler: „Es wird einen Rahmen geben – ob schlicht oder barock müssen wir sehen.“

Klarer ist da schon die Zukunft mancher Abgänger. Leon Merk macht ein Duales Studium als Elektrotec­hniker bei der Firma Liebherr. Nadja Steinle möchte später Produktdes­ign oder Bühnenbild studieren, absolviert zuvor aber eine handwerkli­che Ausbildung als Schreineri­n. Isabel Aschemache­r könnte sich ein Studium in Richtung Medien vorstellen, möchte sich dafür aber noch ein Jahr Bedenkzeit geben. „Ich bin froh, dass wir die Abschlussp­rüfungen jetzt schreiben und es kein Durchschni­tts-Abitur gibt“, sagt sie. „Wer weiß, welche Nachteile wir sonst bei der Jobsuche oder der Studienwah­l gehabt hätten.“

 ?? FOTO: DANIEL HÄFELE ??
FOTO: DANIEL HÄFELE
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany