Schwäbische Zeitung (Biberach)
Mit gutem Gefühl in die finalen Prüfungen
Hunderte Schüler machen derzeit ihren Abschluss – Welchen Einfluss Corona hat
BIBERACH - Mit dem Fach Deutsch am Mittwoch sind die Abschlussprüfungen an den Schulen in BadenWürttemberg in die heiße Phase gestartet. Egal, ob allgemeinbildende oder berufliche Gymnasien, Realschulen oder Werkrealschulen – an mehreren Orten in der Region grübelten Jugendliche über den Aufgaben. An der Karl-Arnold-Schule in Biberach lief der mehr als fünfstündige Test trotz Corona ähnlich wie in den Vorjahren ab. Und doch blieb nicht alles beim Alten.
Ausgestattet mit Stift, Papier und reichlich Nervennahrung sitzen 38 Schüler der Karl-Arnold-Schule im Emminger-Saal. Gespannt warten sie auf das Signal, loslegen zu dürfen. Eine von ihnen ist Isabel Aschemacher, die pünktlich aufgestanden ist, um „ruhig in den Tag zu starten.“Mitte Februar hatte sie mit den Vorbereitungen begonnen. „Doch mit dem Lockdown ist die Motivation erst einmal in den Keller gegangen“, schildert die 19-Jährige aus Bad Buchau. Wie sie waren viele zu Beginn der Pandemie zunächst verunsichert, ob und wie überhaupt der Abschluss über die Bühne gehen würde.
Insgesamt absolvieren bis nächste Woche 86 Schüler an der Karl-Arnold-Schule das schriftliche Abitur. Nicht jeder hatte am Mittwoch seinen großen Auftritt. Für den 19-jährigen Leon Merk aus Bellamont ist die Premiere erst an diesem Freitag: „Da kein Unterricht stattgefunden hat, habe ich überwiegend den Vormittag zum Lernen genutzt.“Aus seiner Sicht wäre es in manchen Situationen hilfreich gewesen, wenn der Online-Unterricht schon früher verfügbar gewesen wäre: „In meinem Prüfungsfach Geschichte hatten wir den Unterrichtsstoff noch nicht ganz durch. Da wäre der weitere Unterricht
in der Schule sicher vorteilhaft gewesen.“
Der Geschichtslehrer habe ihnen kurzerhand noch ein Skript zusammengestellt, welches ihnen helfen sollte, berichtet Leon Merk. Trotzdem gehe er mit „gutem Gefühl“in die Prüfungsphase. So wie auch die 19-jährige Nadja Steinle: „Dadurch, dass wir so viel Zeit zu lernen hatten, habe ich immer wieder sporadisch gelernt. Und jetzt, kurz vor den Prüfungen, lerne ich ins Kurzzeitgedächtnis.“Eigentlich hätten die schriftlichen Prüfungen schon vor den Osterferien stattfinden sollen.
Die zeitliche Verschiebung ist aber nicht der einzige Unterschied zu den Vorjahren. So stehen die Tische noch weiter auseinander, wie der Abteilungsleiter fürs Technische Gymnasium und Berufskolleg, Michael Kovacs, erläutert. Des Weiteren muss jeder, der sich einen Duden nimmt, vorher seine Hände desinfizieren und die Lehrkräfte tragen beim Austeilen der Bögen einen Mundschutz. Schüler, die der Corona-Risikogruppe angehören, schreiben in einem separaten Raum, um noch mehr vor einer möglichen Infektion geschützt zu sein. Seine Kollegen und er sehen nicht, dass die Schüler in den Prüfungen einen Corona-Bonus bekommen, sagt Michael Kovacs. Im Fach Deutsch standen ein Gedichtsvergleich, ein Literaturvergleich, eine Prosaanalyse, eine Texterörterung und ein Essay zur Wahl.
Ganz genau kontrollieren die Lehrer an diesem Morgen, ob alle Blätter korrekt vor den Schülern liegen. „Erstmals sind uns die Aufgaben elektronisch übermittelt worden. Wir mussten sie selbst ausdrucken“, erläutert Schulleiterin Renate Granacher-Buroh. Um 6 Uhr morgens sei das Passwort gekommen, sodass die Lehrkräfte loslegen konnten. Der ominöse Safe, in dem die Prüfungen bislang sicher verschlossen lagerten, dürfte damit ausgedient haben. Es ist ein weiterer Schritt hin zu mehr Digitalisierung im Bildungssystem. Corona hatte diesen Weg ja ohnehin schon beschleunigt.
„Der Fernunterricht hat aus meiner Wahrnehmung sehr gut funktioniert. Die Lehrer konnten die Schüler gut erreichen und haben sich auch schwer ins Zeug gelegt“, lobt Granacher-Buroh. Für die beruflichen Schulen bedeute die momentane Situation einen Kraftakt, der mit den schriftlichen Abi-Prüfungen noch nicht zu Ende sei. In den nächsten Wochen folgen an der Karl-Arnold Fachhochschulreife, Technikerprüfung,
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praktische Prüfung und noch die große Berufsschulabschlussprüfung.
Unklar ist bislang, wie die Abschlussschüler verabschiedet werden. Der Abiball in der Gigelberghalle fällt wegen der Corona-Beschränkungen genauso flach wie die AbiHütte, was viele traurig stimmt. „Wir müssen abwarten, was geht. Aber das Abiturzeugnis per Post zusenden, geht gar nicht“, betont GranacherBuroh. Zu wichtig sei dieser Meilenstein im Leben der Schüler: „Es wird einen Rahmen geben – ob schlicht oder barock müssen wir sehen.“
Klarer ist da schon die Zukunft mancher Abgänger. Leon Merk macht ein Duales Studium als Elektrotechniker bei der Firma Liebherr. Nadja Steinle möchte später Produktdesign oder Bühnenbild studieren, absolviert zuvor aber eine handwerkliche Ausbildung als Schreinerin. Isabel Aschemacher könnte sich ein Studium in Richtung Medien vorstellen, möchte sich dafür aber noch ein Jahr Bedenkzeit geben. „Ich bin froh, dass wir die Abschlussprüfungen jetzt schreiben und es kein Durchschnitts-Abitur gibt“, sagt sie. „Wer weiß, welche Nachteile wir sonst bei der Jobsuche oder der Studienwahl gehabt hätten.“