Schwäbische Zeitung (Biberach)
Abt-Kündigungen: Müllers Handeln sei „asozial“
Gewerkschafter protestieren gegen die Entlassung von 21 Mitarbeitern. Es soll nicht die letzte Aktion sein
ULM - Verdi hatte gerufen und 15 Mitglieder der Gewerkschaft – darunter die lokale Spitze – kamen, um vor wenigen Tagen vor dem Kaufhaus Abt in der Ulmer Hirschstraße gegen die Entlassung von 21 AbtMitarbeitern, die Inhaber Erwin Müller Ende April ausgesprochen hatte, lautstark zu protestieren. Mit dabei waren zudem etwa zehn Mitglieder der Gewerkschaft IG Metall. „Sie haben sich uns aus Solidarität angeschlossen“, erklärte die Geschäftsführerin des Verdi-Bezirks Ulm-Oberschwaben, Maria Winkler. Weder Erwin Müller selbst, der auch Chef des Drogeriemarkt-Imperiums Müller ist und wie berichtet kürzlich mit eigenwilligen Öffnungen von Geschäftsflächen in der Corona-Krise für Aufregung gesorgt hatte, noch ein Sprecher des Unternehmens ließen sich blicken, um mit den Demonstranten zu diskutieren. „Das haben wir auch nicht erwartet“, bekannte Rainer Dacke, der im Verdi-Bezirk für den Bereich Handel zuständig ist.
Als sich die Gewerkschafter vor dem Abt-Kaufhaus platzierten, kontrollierte zunächst ein Polizeibeamter, ob diese die Corona-Sicherheitsregeln einhielten, und als dies nach leichten Korrekturen der Fall war, zeigten die Versammelten lautstark ihren Unmut bezüglich der ihrer Meinung nach ungerechtfertigten Entlassungen. Auf Plakaten war unter anderem zu lesen, dass Kurzarbeit ein gerechterer Weg gewesen wäre. „Am 28. April wurden die Betroffenen über ihre definitive Entlassung schriftlich informiert“, berichtete Maria Winkler. „Da standen diese am Tag der Arbeit mit ihrer Unsicherheit bezüglich der Zukunft da.“
Inzwischen wissen Winkler und Dacke, dass mehreren der Entlassenen angeboten wurde, im MüllerLager in Jungingen weiter zu arbeiten. „Wie viele es sind, wissen wir nicht genau“, sagte die Geschäftsführerin. „Mit einigen stehen wir im Kontakt“, berichtete Winkler. „Im Lager würden sie viel schlechter dastehen als bisher. Sie müssten im Schichtdienst arbeiten, was zum Beispiel für Alleinerziehende nicht zu bewältigen wäre. Die Arbeitszeiten dort wären entweder von sechs bis 14 oder von 14 bis 22 Uhr. Und das für einen Stundenlohn von zwölf Euro. Außerdem sollen die Busverbindungen nicht sehr gut sein“, erklärte Winkler, während die wenigen Passanten, die stehen blieben und sich näher für das Geschehen interessierten, zum Teil kontrovers diskutierten.
Über den Betriebsrat zu gehen sei unmöglich, so Winkler, denn Erwin Müller lasse seit Jahrzehnten keinen solchen zu. „Er ist Milliardär und meint, von 21 Entlassungen hänge das Überleben seines Unternehmens ab. Sein erstes Signal war, dass er zum 1. April nicht die Lohnerhöhung von 1,8 Prozent zahlte, und nun wartet er mit Entlassungen auf.“Einige der Entlassenen denken laut Winkler an eine Kündigungsschutzklage. Die Frist, um eine solche einzureichen, betrage drei Wochen. „Wir stellen jetzt den an den Pranger, wer so mit langjährigen Beschäftigten umspringt.“
Rainer Dacke und die anderen Gewerkschafter entrüsteten sich noch deutlicher. Der für den Bereich Handel zuständige Verdi-Mann ereiferte sich: „Müller ist auf dem Holzweg“, um dann laut zu rufen: „Herr Müller, schämen sie sich!“Dann skandierten die Demonstranten: „Rücknahme der Entlassungen!“oder: „Keine Entlassungen in der Krise!“Ein Passant, der die Demo aufmerksam verfolgte, zeigte sich ebenfalls empört: „Die Entlassungen sind eine Sauerei. In der momentanen Situation wurden sie grundlos ausgesprochen. Das kann nicht sein. Deshalb finde ich die Aktion hier sehr gut.“
Dacke seinerseits empfindet Erwin Müllers Handeln als „asozial“. Dazu sagte er: „Es gibt die Möglichkeit der Kurzarbeit, da muss man Leute nicht auf die Straße setzen. Und ich traue Müller zu, dass er die, die ins Lager gehen, mit einer Probezeit anfangen lässt.“Dacke versicherte: „Wir werden noch öfter derartige Aktionen machen. Als nächstes wohl auch vor der Galeria Kaufhof. Da stehen wohl Schließungen an vielen Standorten bevor und massenhaft Beschäftigte stehen dann ohne Job da.“