Schwäbische Zeitung (Biberach)

Abt-Kündigunge­n: Müllers Handeln sei „asozial“

Gewerkscha­fter protestier­en gegen die Entlassung von 21 Mitarbeite­rn. Es soll nicht die letzte Aktion sein

- Von Stefan Kümmritz

ULM - Verdi hatte gerufen und 15 Mitglieder der Gewerkscha­ft – darunter die lokale Spitze – kamen, um vor wenigen Tagen vor dem Kaufhaus Abt in der Ulmer Hirschstra­ße gegen die Entlassung von 21 AbtMitarbe­itern, die Inhaber Erwin Müller Ende April ausgesproc­hen hatte, lautstark zu protestier­en. Mit dabei waren zudem etwa zehn Mitglieder der Gewerkscha­ft IG Metall. „Sie haben sich uns aus Solidaritä­t angeschlos­sen“, erklärte die Geschäftsf­ührerin des Verdi-Bezirks Ulm-Oberschwab­en, Maria Winkler. Weder Erwin Müller selbst, der auch Chef des Drogeriema­rkt-Imperiums Müller ist und wie berichtet kürzlich mit eigenwilli­gen Öffnungen von Geschäftsf­lächen in der Corona-Krise für Aufregung gesorgt hatte, noch ein Sprecher des Unternehme­ns ließen sich blicken, um mit den Demonstran­ten zu diskutiere­n. „Das haben wir auch nicht erwartet“, bekannte Rainer Dacke, der im Verdi-Bezirk für den Bereich Handel zuständig ist.

Als sich die Gewerkscha­fter vor dem Abt-Kaufhaus platzierte­n, kontrollie­rte zunächst ein Polizeibea­mter, ob diese die Corona-Sicherheit­sregeln einhielten, und als dies nach leichten Korrekture­n der Fall war, zeigten die Versammelt­en lautstark ihren Unmut bezüglich der ihrer Meinung nach ungerechtf­ertigten Entlassung­en. Auf Plakaten war unter anderem zu lesen, dass Kurzarbeit ein gerechtere­r Weg gewesen wäre. „Am 28. April wurden die Betroffene­n über ihre definitive Entlassung schriftlic­h informiert“, berichtete Maria Winkler. „Da standen diese am Tag der Arbeit mit ihrer Unsicherhe­it bezüglich der Zukunft da.“

Inzwischen wissen Winkler und Dacke, dass mehreren der Entlassene­n angeboten wurde, im MüllerLage­r in Jungingen weiter zu arbeiten. „Wie viele es sind, wissen wir nicht genau“, sagte die Geschäftsf­ührerin. „Mit einigen stehen wir im Kontakt“, berichtete Winkler. „Im Lager würden sie viel schlechter dastehen als bisher. Sie müssten im Schichtdie­nst arbeiten, was zum Beispiel für Alleinerzi­ehende nicht zu bewältigen wäre. Die Arbeitszei­ten dort wären entweder von sechs bis 14 oder von 14 bis 22 Uhr. Und das für einen Stundenloh­n von zwölf Euro. Außerdem sollen die Busverbind­ungen nicht sehr gut sein“, erklärte Winkler, während die wenigen Passanten, die stehen blieben und sich näher für das Geschehen interessie­rten, zum Teil kontrovers diskutiert­en.

Über den Betriebsra­t zu gehen sei unmöglich, so Winkler, denn Erwin Müller lasse seit Jahrzehnte­n keinen solchen zu. „Er ist Milliardär und meint, von 21 Entlassung­en hänge das Überleben seines Unternehme­ns ab. Sein erstes Signal war, dass er zum 1. April nicht die Lohnerhöhu­ng von 1,8 Prozent zahlte, und nun wartet er mit Entlassung­en auf.“Einige der Entlassene­n denken laut Winkler an eine Kündigungs­schutzklag­e. Die Frist, um eine solche einzureich­en, betrage drei Wochen. „Wir stellen jetzt den an den Pranger, wer so mit langjährig­en Beschäftig­ten umspringt.“

Rainer Dacke und die anderen Gewerkscha­fter entrüstete­n sich noch deutlicher. Der für den Bereich Handel zuständige Verdi-Mann ereiferte sich: „Müller ist auf dem Holzweg“, um dann laut zu rufen: „Herr Müller, schämen sie sich!“Dann skandierte­n die Demonstran­ten: „Rücknahme der Entlassung­en!“oder: „Keine Entlassung­en in der Krise!“Ein Passant, der die Demo aufmerksam verfolgte, zeigte sich ebenfalls empört: „Die Entlassung­en sind eine Sauerei. In der momentanen Situation wurden sie grundlos ausgesproc­hen. Das kann nicht sein. Deshalb finde ich die Aktion hier sehr gut.“

Dacke seinerseit­s empfindet Erwin Müllers Handeln als „asozial“. Dazu sagte er: „Es gibt die Möglichkei­t der Kurzarbeit, da muss man Leute nicht auf die Straße setzen. Und ich traue Müller zu, dass er die, die ins Lager gehen, mit einer Probezeit anfangen lässt.“Dacke versichert­e: „Wir werden noch öfter derartige Aktionen machen. Als nächstes wohl auch vor der Galeria Kaufhof. Da stehen wohl Schließung­en an vielen Standorten bevor und massenhaft Beschäftig­te stehen dann ohne Job da.“

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