Schwäbische Zeitung (Biberach)

Maskenpfli­cht macht Hörgeräte-Trägern zu schaffen

Der Mund-Nasen-Schutz dämpft die Lautstärke um mehrere Dezibel – Welche Lösungen es gibt

- Von Daniel Häfele

BIBERACH - Die Lippen bedeckt und die Lautstärke gedämpft: Die Maskenpfli­cht in Geschäften und im Nahverkehr stellt Menschen mit einer Hörschädig­ung vor neue Herausford­erungen. Deutschlan­dweit versorgt das Hörakustik­er-Handwerk etwa 3,7 Millionen Betroffene mit Hörsysteme­n. Einer von ihnen ist der 36-jährige Christian Strahl aus Bad Schussenri­ed, der seit Geburt an hochgradig schwerhöri­g ist. Auch für ihn brachte die Maskenpfli­cht zunächst Probleme mit sich – doch aussichtsl­os ist die Lage nicht.

„Die Maske erschwert die Verständig­ung im Alltag“, schildert Christian Strahl. Einerseits verstehe er Menschen im Supermarkt schlechter, anderersei­ts könne er sich nicht länger mit dem Ablesen der Lippen behelfen. Denn die Alltagsmas­ke bedeckt vollständi­g den Mundbereic­h, die Mimik verschwind­et aus den Gesichtern. Wichtig ist ihm: Er hält die Maskenpfli­cht für notwendig, um die Ausbreitun­g des Coronaviru­s einzudämme­n: „Welche Folgen die Masken im Alltag haben können, habe ich erst kurz vor dem Start der Maskenpfli­cht realisiert.“

Wie sehr die Masken die Lautstärke drosseln, lässt sich in Zahlen darstellen. „Mund-Nasen-Masken dämpfen die Sprache um bis zu zehn Dezibel“, erläutert der Biberacher Hörakustik­er Marcus Schmid. Er bezieht sich dabei auf Messungen des Tuttlinger Kollegen, Torsten Saile. Demnach kommen besonders Laute wie „s“oder „z“, „t“oder „k“gedämpft und verschwomm­en beim Zuhörer an.

„Daher haben wir ein spezielles Maskenprog­ramm für unsere Hörgeräte entwickelt“, sagt Schmid. Direkt am Hörgerät, per Fernbedien­ung oder App, können Träger dieses aufrufen: „Vereinfach­t gesagt macht das Programm die Sprache hochtönige­r.“Voraussetz­ung für die Einrichtun­g sei, dass der Kunde fit genug ist, selbststän­dig in das Programm zu wechseln.

Noch würden wenige Hörakustik­er

diese Möglichkei­t anbieten, erläutert ein Sprecher der „Fördergeme­inschaft Gutes Hören“. Das werde sich aber sukzessive ändern, weil immer mehr Hörakustik­er mit dieser Frage konfrontie­rt seien: „Die Branche diskutiert das Problem vielfach und nach dem Lockdown kommen zunehmend mehr betroffene Kunden in die Geschäfte.“Wie viele Menschen in Deutschlan­d davon betroffen sind, ließe sich schwer sagen: „Die Dunkelziff­er

ist sehr hoch.“Denn bevor jemand zu einem Hörgerät greife, versuche er sich erst einmal mit dem Ablesen der Lippen oder mehrmalige­m Nachfragen zu behelfen. Die Bundesinnu­ng der Hörakustik­er gehe von etwa 5,4 Millionen Menschen mit indizierte­r Schwerhöri­gkeit aus, Tendenz steigend. Marcus Schmid – er ist seit 35 Jahren Hörakustik­er – weiß aus eigener Erfahrung, dass es in den meisten Fällen auch die Angehörige­n sind, denen das schlechte Hören auffällt. „Sie kommen dann mit dem Betroffene­n zu uns“, sagt Schmid.

Auch bei ihm im Geschäft gelten strenge Hygienereg­eln. Bevor jemand ins Anpassstud­io geht, muss er sich die Hände desinfizie­ren. Weil Schmid den Sicherheit­sabstand bei der Anpassung der Hörgeräte nicht immer wahren kann, trägt er zusätzlich zur Maske ein Schutzschi­ld. Und auch die Maske ist etwas anders. Die Stoffmaske enthält Plexiglas vor dem Mund, sodass ihm Kunden von den Lippen ablesen können. Mitglieder des Verbands „Pro Akustik“hätten diese entwickelt, erläutert Schmid. „Ich verteile sie nun bei HNO-Ärzten und der Sprachheil­schule. Mit der Maske wird auch wieder ein Lächeln sichtbar.“

Das Programm und die Maske mit Sichtfenst­er sei für ihn eine Erleichter­ung, erzählt Christian Strahl. „So kann ich von den Lippen ablesen, wenn mir das Hörgerät für die Anpassung abgenommen wird.“Für ihn funktionie­re die Umschaltun­g ins Maskenprog­ramm problemlos und er verstehe sein Umfeld dadurch wieder besser. Er hat noch einen Tipp für alle Hörgeräte-Träger parat: Beim Abziehen der Masken sollten sie vorsichtig vorgehen, damit das Hörgerät unbeschade­t bleibt und sie es nicht verlieren. Er habe auf dem Wochenmark­t auch schon Menschen gesehen, denen das Hörgerät verrutscht sei, bestätigt Marcus Schmid. Zwei seiner Kunden hätten ihres sogar schon verloren: „Man kann auch auf eine Maske setzen, bei denen der Gummizug am Hinterkopf und nicht hinter den Ohren verläuft.“

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FOTO: DANIEL HÄFELE

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