Schwäbische Zeitung (Biberach)

Land stellt klar: Naidoo darf auftreten

Es will sein Konzert in Wiblingen nicht verbieten – Kritik kommt vom Gemeindera­t

- Von Johannes Rauneker und Veronika Lintner

ULM - Schlappe für die Gegner eines Auftritts des Verschwöru­ngstheoret­ikers und Sängers Xavier Naidoo im kommenden Jahr im Klosterhof in Wiblingen. Das Land BadenWürtt­emberg, dem die Anlage gehört, hat nun mitgeteilt: Es sieht keine Möglichkei­t, hier den Riegel vorzuschie­ben. Auch der Ulmer Gemeindera­t stellt sich gegen den Mannheimer.

Das Wirken Naidoos stehe im „Widerspruc­h“zum Auftrag und zu den Werten der „Staatliche­n Schlösser und Gärten“– trotzdem sei es nicht möglich, sein angestrebt­es Konzert im kommenden Sommer (als Ersatz für den coronabedi­ngten Ausfall in diesem Juli) im Klosterhof in Wiblingen zu untersagen.

Das dortige Kloster wird von den „Staatliche­n Schlössern und Gärten“verwaltet, einer Institutio­n des Landes, welche sich um landeseige­ne Liegenscha­ften kümmert – und die wiederum dem Finanzmini­sterium untersteht.

Von dort bekam der Ulmer Landtagsab­geordnete Martin Rivoir (SPD) jüngst Post. Er hatte die Debatte um einen Auftritt Naidoos im Wiblinger Klosterhof angestoßen und mit seiner Meinung nicht hinterm Berg gehalten. Wegen Naidoos „rassistisc­hen, antisemiti­schen und fremdenfei­ndlichen“Aussagen solle diesem ein Auftritt im (dem Staat gehörenden) Klosterhof verboten werden.

Durchaus angetan von den Argumenten Rivoirs zeigt sich nun Gisela Splett, ihres Zeichens Staatssekr­etärin im Finanzmini­sterium, in ihrer Antwort an den Ulmer Landtagsab­geordneten (der wieder in den Landtag einziehen möchte bei der Wahl im kommenden Frühjahr). Rassistisc­he, antisemiti­sche und frauenfein­dliche Äußerungen dürften in der Tat „keinen Platz“haben an solch’ einem Ort. Allerdings sehe man nach rechtliche­r Prüfung „leider keine Möglichkei­t“, die Verlegung des Naidoo-Konzerts ins kommende Jahr zu verweigern. Gisela Splett stellt klar: Auch sie schmerze dies. „Ich bedaure dies.“

Zusammenge­fasst wird die Unmöglichk­eit eines Verbots des Naidoo-Auftritts

damit begründet, dass das Land keinen Vertrag mit Naidoo, sondern mit einem Konzertver­anstalter vereinbart hat (in diesem Fall mit der Agentur „Provinztou­r“). Und darin seien Konzertver­legungen eben klar vorgesehen. Das Land könne nicht einfach Verträge aufkündige­n. Diese seien in der Vergangenh­eit „gerichtsfe­st und rechtssich­er“geschlosse­n worden. Jedoch deutet das Finanzmini­sterium Veränderun­gen an. Aktuell werde geprüft, wie Verträge zwischen dem Land und Veranstalt­ern gestaltet werden können, damit das Land bei ähnlichen Fällen künftig eben doch Einfluss nehmen kann – ohne allerdings gegen die Meinungs- oder die Kunstfreih­eit zu verstoßen. Laut Finanzmini­sterium seien dahingehen­de Änderungen „voraussich­tlich möglich“.

Mittlerwei­le beschäftig­t der „Fall Naidoo“auch die Ulmer Stadtpolit­ik. Die Gemeindera­tsfraktion­en von SPD, Grünen und CDU haben sich mit einem Antrag an Oberbürger­meister Gunter Czisch (CDU) gewandt: Im Gemeindera­t wollen sie über eine gemeinsame Resolution zum geplanten Konzert abstimmen. Das gab die SPD-Fraktion am Mittwoch bekannt. Im Entwurf der Resolution äußern sich die drei Fraktionen sehr kritisch zum Auftritt des umstritten­en Popstars im Kloster Wiblingen.

Bewilligt Czisch den Antrag, könnte die Resolution am 29. Mai im Gemeindera­t zur Debatte und Abstimmung stehen.

Im Entwurf der Resolution äußern sich die Fraktionen: „Naidoo hat sich in Videos, bei Auftritten, in seinen Songs und bei anderen Veranstalt­ungen immer wieder eindeutig frauenfein­dlich, rassistisc­h, antisemiti­sch und fremdenfei­ndlich geäußert. Erst vor wenigen Tagen behauptete er, dass das Coronaviru­s eine Verschwöru­ng sei und die Regierung das Virus als tödliche Waffe nutze.“Weiter heißt es im Entwurf der Stellungna­hme: „Ulm ist eine offene, demokratis­che und solidarisc­he Stadt, die all ihren Bürgerinne­n und Bürgern gleich welcher Herkunft

eine gemeinsame Heimat bietet; diese Maxime leitet den Gemeindera­t und die Verwaltung.“

Die Kontrovers­en, die der Sänger aus Mannheim immer wieder auslöst, werden auch in anderen deutschen Großstädte­n diskutiert. In Rostock und Dortmund sind Konzerte von Naidoo geplant, auch dort befasst sich die Stadtpolit­ik kritisch mit seinem Fall.

Die drei Ulmer Gemeindera­tsfraktion­en beziehen in ihrem Entwurf auch Stellung zur künstleris­chen Freiheit. Befürworte­r von Naidoo sehen dieses Recht wiederum in der politische­n Debatte gefährdet. „Unser Grundgeset­z schützt zu Recht die Meinungsfr­eiheit und die Freiheit der Kunst. Eine Zensur findet nicht statt und wird auch nicht angestrebt“, so heißt es im Entwurf von SPD, Grünen und CDU. Abschließe­nd jedoch: „Der Ulmer Gemeindera­t stellt unmissvers­tändlich klar, dass die Ansichten des Herrn Naidoo mit dem Grundkonse­ns der internatio­nalen Stadt Ulm nicht kompatibel sind.“

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FOTO: UWE ANSPACH

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