Schwäbische Zeitung (Biberach)
Land stellt klar: Naidoo darf auftreten
Es will sein Konzert in Wiblingen nicht verbieten – Kritik kommt vom Gemeinderat
ULM - Schlappe für die Gegner eines Auftritts des Verschwörungstheoretikers und Sängers Xavier Naidoo im kommenden Jahr im Klosterhof in Wiblingen. Das Land BadenWürttemberg, dem die Anlage gehört, hat nun mitgeteilt: Es sieht keine Möglichkeit, hier den Riegel vorzuschieben. Auch der Ulmer Gemeinderat stellt sich gegen den Mannheimer.
Das Wirken Naidoos stehe im „Widerspruch“zum Auftrag und zu den Werten der „Staatlichen Schlösser und Gärten“– trotzdem sei es nicht möglich, sein angestrebtes Konzert im kommenden Sommer (als Ersatz für den coronabedingten Ausfall in diesem Juli) im Klosterhof in Wiblingen zu untersagen.
Das dortige Kloster wird von den „Staatlichen Schlössern und Gärten“verwaltet, einer Institution des Landes, welche sich um landeseigene Liegenschaften kümmert – und die wiederum dem Finanzministerium untersteht.
Von dort bekam der Ulmer Landtagsabgeordnete Martin Rivoir (SPD) jüngst Post. Er hatte die Debatte um einen Auftritt Naidoos im Wiblinger Klosterhof angestoßen und mit seiner Meinung nicht hinterm Berg gehalten. Wegen Naidoos „rassistischen, antisemitischen und fremdenfeindlichen“Aussagen solle diesem ein Auftritt im (dem Staat gehörenden) Klosterhof verboten werden.
Durchaus angetan von den Argumenten Rivoirs zeigt sich nun Gisela Splett, ihres Zeichens Staatssekretärin im Finanzministerium, in ihrer Antwort an den Ulmer Landtagsabgeordneten (der wieder in den Landtag einziehen möchte bei der Wahl im kommenden Frühjahr). Rassistische, antisemitische und frauenfeindliche Äußerungen dürften in der Tat „keinen Platz“haben an solch’ einem Ort. Allerdings sehe man nach rechtlicher Prüfung „leider keine Möglichkeit“, die Verlegung des Naidoo-Konzerts ins kommende Jahr zu verweigern. Gisela Splett stellt klar: Auch sie schmerze dies. „Ich bedaure dies.“
Zusammengefasst wird die Unmöglichkeit eines Verbots des Naidoo-Auftritts
damit begründet, dass das Land keinen Vertrag mit Naidoo, sondern mit einem Konzertveranstalter vereinbart hat (in diesem Fall mit der Agentur „Provinztour“). Und darin seien Konzertverlegungen eben klar vorgesehen. Das Land könne nicht einfach Verträge aufkündigen. Diese seien in der Vergangenheit „gerichtsfest und rechtssicher“geschlossen worden. Jedoch deutet das Finanzministerium Veränderungen an. Aktuell werde geprüft, wie Verträge zwischen dem Land und Veranstaltern gestaltet werden können, damit das Land bei ähnlichen Fällen künftig eben doch Einfluss nehmen kann – ohne allerdings gegen die Meinungs- oder die Kunstfreiheit zu verstoßen. Laut Finanzministerium seien dahingehende Änderungen „voraussichtlich möglich“.
Mittlerweile beschäftigt der „Fall Naidoo“auch die Ulmer Stadtpolitik. Die Gemeinderatsfraktionen von SPD, Grünen und CDU haben sich mit einem Antrag an Oberbürgermeister Gunter Czisch (CDU) gewandt: Im Gemeinderat wollen sie über eine gemeinsame Resolution zum geplanten Konzert abstimmen. Das gab die SPD-Fraktion am Mittwoch bekannt. Im Entwurf der Resolution äußern sich die drei Fraktionen sehr kritisch zum Auftritt des umstrittenen Popstars im Kloster Wiblingen.
Bewilligt Czisch den Antrag, könnte die Resolution am 29. Mai im Gemeinderat zur Debatte und Abstimmung stehen.
Im Entwurf der Resolution äußern sich die Fraktionen: „Naidoo hat sich in Videos, bei Auftritten, in seinen Songs und bei anderen Veranstaltungen immer wieder eindeutig frauenfeindlich, rassistisch, antisemitisch und fremdenfeindlich geäußert. Erst vor wenigen Tagen behauptete er, dass das Coronavirus eine Verschwörung sei und die Regierung das Virus als tödliche Waffe nutze.“Weiter heißt es im Entwurf der Stellungnahme: „Ulm ist eine offene, demokratische und solidarische Stadt, die all ihren Bürgerinnen und Bürgern gleich welcher Herkunft
eine gemeinsame Heimat bietet; diese Maxime leitet den Gemeinderat und die Verwaltung.“
Die Kontroversen, die der Sänger aus Mannheim immer wieder auslöst, werden auch in anderen deutschen Großstädten diskutiert. In Rostock und Dortmund sind Konzerte von Naidoo geplant, auch dort befasst sich die Stadtpolitik kritisch mit seinem Fall.
Die drei Ulmer Gemeinderatsfraktionen beziehen in ihrem Entwurf auch Stellung zur künstlerischen Freiheit. Befürworter von Naidoo sehen dieses Recht wiederum in der politischen Debatte gefährdet. „Unser Grundgesetz schützt zu Recht die Meinungsfreiheit und die Freiheit der Kunst. Eine Zensur findet nicht statt und wird auch nicht angestrebt“, so heißt es im Entwurf von SPD, Grünen und CDU. Abschließend jedoch: „Der Ulmer Gemeinderat stellt unmissverständlich klar, dass die Ansichten des Herrn Naidoo mit dem Grundkonsens der internationalen Stadt Ulm nicht kompatibel sind.“