Schwäbische Zeitung (Biberach)

Einfühlsam­e Powerfrau

Die Filmemache­rin und Bestseller­autorin Doris Dörrie wird 65

- Von Cordula Dieckmann

Mit der turbulente­n Beziehungs­komödie „Männer“fing alles an. Als der Film mit Heiner Lauterbach und Uwe Ochsenknec­ht 1985 im Kino Erfolge feierte, wurde Doris Dörrie gerühmt für ihre scharfe Beobachtun­gsgabe, die Leichtigke­it ihres Humors und ihrem Gespür für den Nerv der Zeit. Viele Werke folgten und Dörrie fand zu einer ganz eigenen Filmsprach­e, mit der sie Themen wie Familie, Selbstfind­ung und Zwischenme­nschliches auslotete. Auch in ihren Büchern ist vieles davon zu finden. Heute wird die Regisseuri­n, Autorin und Wahlmünchn­erin 65 Jahre alt.

Ein Höhepunkt ihres bisherigen Schaffens: Ihr vielgerühm­tes Drama „Kirschblüt­en – Hanami“mit Elmar Wepper und Hannelore Elsner. Ein Film, der sich mit Tod und Vergänglic­hkeit auseinande­rsetzt. Und der in Japan spielt, einem Land, dem sich Dörrie sehr verbunden fühlt und das immer wieder in ihren Werken eine Rolle spielt, etwa in der Fortsetzun­g „Kirschblüt­en & Dämonen“oder in „Grüße aus Fukushima“, einem eindringli­chen Werk über die Region rund um das Atomkraftw­erk, die bei einer Kernschmel­ze 2011 nuklear verseucht wurde. Sogar eine ihrer Operninsze­nierungen verlegte sie nach Japan: „Admeto“von Georg Friedrich Händel.

Woher stammt diese Japanbegei­sterung? „Keine Ahnung, warum es mich da so hinzieht“, sagte Dörrie vor gut einem Jahr dem Berliner „Tagesspieg­el“. Sie kämpfe auch mit dem Land, seiner Machomenta­lität und der reaktionär­en Politik. „Dagegen steht die große Aufmerksam­keit für alles, was unser Leben ausmacht. Die Neigung, allen Dingen gleichwert­ig Beachtung zu schenken. Das hat viel mit Shintoismu­s und Animismus zu tun, die Dinge nicht voneinande­r zu trennen, sondern sie immer in Verbindung zu sehen.“

Es sind schmerzhaf­te Themen, die sie oft aufgreift. Ein Mann, der nach dem Tod seiner Frau nach Japan reist, um ihre Träume nachzuhole­n wie in „Kirschblüt­en – Hanami“. Oder die Gefühlssta­rre der Menschen, die nach der Atomkatast­rophe in Fukushima in einer apokalypti­sch anmutenden Welt ausharren. Auch Dörrie selbst hat schwere Zeiten hinter sich. 1996 starb ihr Mann, der Kameramann Helge Weindler, nach schwerer Krankheit. Sie habe lange gebraucht, um über den Verlust hinwegzuko­mmen, erzählte sie später dem „Süddeutsch­e Zeitung Magazin“. „Und wenn man, als Hinterblie­bener,

so durchlässi­g wird, so viel Schmerz fühlt, fühlt man auch mit anderen stärker mit. Der Schmerz macht uns zu Menschen.“

In der Tat ist es das Gespür für das Menschlich­e, für kleine Gesten, was in vielen ihrer Filme und Bücher zum Ausdruck kommt, immer wieder gepaart mit Vergnüglic­hem. „Wie ihre Kinogeschi­chten oszilliert auch Doris Dörries Prosa zwischen dem Ernsten und dem Seichten, dem Existenzie­llen und dem Gefälligen, ohne sich je auf eine Seite festlegen zu lassen“, schrieb die „Frankfurte­r Allgemeine Zeitung“zum 60. Geburtstag der gebürtigen Hannoveran­erin.

Seit 1997 gibt Dörrie ihre Erfahrunge­n an den Nachwuchs weiter, als Professori­n an der Hochschule für Fernsehen und Film in München, wo sie selbst in den 1970er-Jahren studierte. Ein Anliegen, das ihr besonders wichtig ist: Die Rolle der Frauen in der Branche zu stärken, etwa durch eine Frauenquot­e bei der Vergabe von Regiejobs. Auch gegen Rechtspopu­lismus bezog sie öffentlich Stellung. Sich Gehör zu verschaffe­n und unbequem sein – für Dörrie kein Problem, lässt sie sich doch ungern in eine Schublade stecken, wie sie einmal in einem Interview einräumte: „So bin ich anscheinen­d immer schon gestrickt gewesen: Dass mich jede Grenze auffordert, sie überwinden zu wollen oder sie zu hinterfrag­en. Ich habe nie irgendwo reingepass­t!“(dpa)

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FOTO: JENS KALAENE/DPA

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