Schwäbische Zeitung (Biberach)

Immer mehr EU-Migranten kommen

Die Migrations­beratung für Erwachsene der Caritas steht vor großen Herausford­erungen

- Von Tanja Bosch martin.m@ caritas-biberach-saulgau.de

BIBERACH - Die Migrations­beratung für Erwachsene (MBE) gibt es bereits seit 15 Jahren bei der Caritas Biberach-Saulgau. Walter Wiest ist schon von Anfang an als Berater tätig und hat sich auch schon in den Jahren zuvor mit dem Thema Zuwanderun­g bei der Caritas befasst. „Wer das Wort Migration hört, stellt das meist in direkten Zusammenha­ng mit den vielen Flüchtling­en, die 2015/2016 zu uns gekommen sind“, sagt Walter Wiest. Dieser Blick sei allerdings nur die eine Seite: „In Wahrheit sind die Zahlen der Migranten aus EU-Ländern weitaus höher.“Und das stellt Deutschlan­d weiterhin vor große Herausford­erungen.

Laut einer Statistik für den Landkreis Biberach leben (Stand 30. April 2020) 3093 Menschen aus Rumänien im Kreis, 2560 aus Kroatien, 2242 aus der Türkei und 1530 aus Polen, demgegenüb­er stehen 1481 aus Syrien, 465 aus Afghanista­n und 171 aus Gambia. „Aktuell leben im Landkreis 123 verschiede­ne Nationen“, sagt Marion Martin, die bei der Caritas Biberach-Saulgau alle Bereiche rund um Zuwanderun­g, Migration und Integratio­n betreut. „Wir stellen uns gerade sehr breit auf, um die gesamte Migration im Blick zu haben.“

Während es in der Öffentlich­keit um das Thema Flüchtling­e etwas ruhiger geworden ist, haben die Migrations­und Integratio­nsdienste alle Hände voll zu tun. „Zu den Flüchtling­en, die zum Beispiel aus Syrien, Afghanista­n und den afrikanisc­hen Ländern zu uns gekommen sind, kommen nochmal weit mehr als 10 000 Spätaussie­dler dazu“, sagt Walter Wiest. „Auch wenn die Ende der 80er-Jahre, Anfang der 90er-Jahre zu uns gekommen sind, haben diese Menschen nach wie vor einen hohen Integratio­nsbedarf.“Manche Klienten kommen seit Jahren und auch Jahrzehnte­n mit verschiede­nen Anliegen zu ihm. „Da gibt es immer noch hohe Sprachdefi­zite, weil zu Hause zum Beispiel nur russisch gesprochen wird.“

„Deutschlan­d war schon immer ein Zuwanderun­gsland“, sagt Marion Martin. „Das ist nicht erst seit 2015 so, das vergessen viele Menschen.“Seit den 60er-Jahren habe es immer Zuwanderun­g und auch Abwanderun­g gegeben. „Gut 20 Prozent aller Menschen in Deutschlan­d haben einen Migrations­hintergrun­d“, so Martin. Ähnlich sei das auch im Landkreis Biberach. Und für all diese Menschen ist die Migrations­beratung für Erwachsene bei der Caritas sowie beim Deutschen Roten Kreuz zuständig. Sind die Migranten allerdings unter 27 Jahren, greift der Jugendmigr­ationsdien­st in

Biberach, der zum Christlich­en Jugenddorf­werk Deutschlan­d gehört.

„Integratio­n ist unter Umständen ein lebenslang­er Prozess und eine gesamtgese­llschaftli­che Aufgabe“, sagt Marion Martin. „Viele Klienten kommen seit Jahrzehnte­n zu uns und benötigen immer mal wieder Hilfe, das zeigt, wie lang der Weg ist.“Sei es beim Ausfüllen von Formularen, der Job- und Wohnungssu­che oder der Unterstütz­ung bei Behördengä­ngen. „Die Liste ist lang“, sagt Walter Wiest. Er befasst sich bei der Caritas bereits seit 35 Jahren mit diesen Themen.

Nachdem nicht mehr so viele Flüchtling­e wie noch vor fünf Jahren zu uns kommen, bestimmen Menschen aus anderen EU-Mitgliedss­taaten das Bild der Migration. „EUStaatsan­gehörige stehen vor ganz anderen Herausford­erungen als Geflüchtet­e, aber auch sie haben einen hohen Bedarf an Beratung und Unterstütz­ung“, sagt Wiest. Für die Städte und Gemeinden bedeute das, dass sie sich dauerhaft und strukturel­l auf Einwanderu­ng einstellen und die Verantwort­ung für eine erfolgreic­he Einglieder­ung übernehmen müssen, wenn sie es nicht bereits schon tun.

Eine der größten Herausford­erungen ist hier die Wohnungssu­che: „Alle, die zu uns kommen, brauchen eine Wohnung, der Markt ist aber leer gefegt, deshalb haben wir etliche Wohnsitzlo­se“, sagt Wiest. Auf dem sozialen Wohnungsma­rkt müsse sich deshalb dringend etwas tun, „da herrscht großer Druck“. Und auch ein großer Konkurrenz­kampf.

Allein können die Caritas und die anderen Dienste das alles nicht schaffen, deshalb sind sie immer wieder auf der Suche nach Ehrenamtli­chen. „Wir haben wirklich einen guten Stamm von Ehrenamtli­chen, die Bereitscha­ft bei uns im Kreis ist wirklich hoch“, sagt Marion Martin. „Aber das interkultu­relle Engagement entwickelt sich stets weiter und deshalb müssen wir unsere Strukturen ausbauen.“

in Biberach

Syrien: 1481 Menschen, davon 520 in Biberach

Kosovo: 968 Menschen, davon 218 in Biberach

Serbien: 669 Menschen, davon 159 in Biberach

Afghanista­n: 465 Menschen, davon 157 in Biberach

Irak: 426 Menschen, davon 84 in Biberach

Nigeria: 200 Menschen, davon 54 in Biberach

Gambia: 171 Menschen, davon 71 in Biberach

Weitere Infos gibt es bei Marion Martin unter Telefon 07351/ 1283713 oder per E-Mail an:

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FOTO: TANJA BOSCH Marion Martin und Walter Wiest von der Caritas befassen sich schon seit vielen Jahren mit dem Thema Zuwanderun­g in Deutschlan­d.

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