Schwäbische Zeitung (Biberach)
Jazzmusik im Holzlager
Warum ein Profimusiker jetzt in einer Holzhandlung aushilft – Konzerte am Wochenende
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UMMENDORF - Ein neues Konzertformat mitten in der Corona-Krise: Der Profimusiker Christan Segmehl tritt am Wochenende in Fischbach auf. Dort stellt die Holzhandlung Ströbele ihren Lagerraum zur Verfügung. Entstanden ist die Idee aus einer Not heraus.
Schnell kamen die „Einschläge immer näher“, erinnert sich Christian Segmehl an den Beginn der CoronaPandemie in Deutschland. Im Frühjahr wurden nach und nach Konzerte und Veranstaltungen abgesagt. Normalerweise spielt der gebürtige Schemmerhofer Vollblutmusiker rund 15 Konzerte im Monat in ganz Deutschland und der ganzen Welt. „Ich hab bald gemerkt, Wahnsinn, der Virus betrifft uns alle“, erzählt er. Bald war sein Terminkalender leer. Finanzielle Angst hätte er damals keine gespürt. Als Künstler sei er es gewohnt, auch mal eine Zeit ohne Auftritte zu überbrücken. „Ich habe das eher als Zwangsurlaub empfunden“, erzählt er. Damals habe er aber kaum geahnt, wie lange sich die Krise hinziehe.
Schon wenige Tage danach erhielt er einen Anruf von seinem Bekannten Andreas Rodi aus Fischbach. Der Inhaber der Holzhandlung Ströbele konnte weiterhin eine große Nachfrage verbuchen, doch zwei lang gediente Fahrer zählten nun zur Risikogruppe und sollten deshalb besonders geschützt werden. Rodi fragte seinen Musikerfreund, ob dieser einspringen wolle. Und Segmehl sagte zu. Seitdem fährt er ein Mal in der Woche Holzteile aus. Ausschlaggebend dafür seien zunächst nicht finanzielle Gründe gewesen, erzählt der Musiker. „Ich wollte meinem Freund auch kurzzeitig einen Gefallen tun.“Außerdem hatte er Zeit dafür.
Bei der Arbeit sah Segmehl auch das große Holzlager der Firma. „Da sollte mal ein Konzert stattfinden“, habe er damals gesagt. Die Idee war geboren – und wird jetzt in die Tat umgesetzt. Wo sonst Leisten, Bodenbeläge und Kühlregale lagern, sollen am Samstag und am Sonntag jeweils rund 50 Zuhörer Platz finden. Vorher aber steht noch viel Arbeit an: „Wir sind am Samstag mit etwa zehn Leuten beschäftigt, um ein schönes, konzertmäßiges Ambiente zu schaffen“, erzählt Andreas Rodi. Dennoch empfiehlt er allen Gästen, sich etwas wärmer anzuziehen. Wohnzimmertemperaturen könnten nicht erreicht werden.
Das Konzert dauert rund 90 Minuten. „Wir bieten einen bunten Mix von Klassik bis Jazz“, sagt Segmehl. Begleitet wird er dabei von Paul Livinius am Flügel. „Paul ist ein guter Freund von mir, spielt super Klavier und ist genauso soloselbstständig wie ich“, erzählt Segmehl.
Segmehl bezeichnet sich als absoluter „Gegner jeder Verschwörungstheorie“. Kritik am Umgang mit der Corona-Krise müsse dennoch erlaubt sein. Nach den anfänglichen Unterstützungen für Künstler und Freischaffende habe er inzwischen das Gefühl, dass viele vergessen würden. Veranstalter und Kommunen sagten Konzerte häufig komplett ab, obwohl vieles gesetzlich möglich wäre und die Ansteckungsgefahr bei Konzerten relativ gering sei. „Wir selbst halten uns natürlich auch streng an die Vorgaben“, erklärt er. Aber Kunst müsse eben auch „etwas Wert sein“.
Segmehl selbst hat bereits weitere Pläne: Im November soll ein weiteres Konzert aus seiner Reihe „AllgäuKonzerte“in Leutkirch stattfinden.
Die Arbeit in der Holzhandlung in Fischbach gefalle ihm. Doch vollständig auf die Musik verzichten möchte er nicht. Außerdem benötige er auch in der Corona-Pause weiterhin viel Zeit zum Üben. „Wie ein Profisportler muss man sich auch als Musiker regelmäßig fit halten.“
Für Andreas Rodi in Fischbach ist das Konzert wohl vorerst einmalig. Bislang sei kein weiteres Konzert geplant. Rodi sagt aber auch: „Mal abwarten. Aus mancher spontanen Idee ist schon manchmal Größeres geboren worden.“
am Samstag, 17. Oktober, um 19 Uhr statt. Einlass ist ab 18.30 Uhr. Der Eintritt kostet jeweils 28 Euro. Tickets dafür sind noch bei der Holzhandlung Ströbele telefonisch oder per E-Mail zu erhalten: Telefon 07351/21444, info@stroebele-holzhandlung.de