Schwäbische Zeitung (Biberach)

Angst vor erneuter Absage sitzt tief

Weshalb diesen über 80-Jährigen ihr Training beim SV Birkenhard so viel bedeutet

- Von Birgit van Laak

BIRKENHARD/BIBERACH - Kraft, Beweglichk­eit, Gleichgewi­cht: das gilt es im Alter zu trainieren, um den Alltag lange selbststän­dig bewältigen zu können. Ein Gruppe von über 80-Jährigen hat sich genau das vorgenomme­n. Beim SV Birkenhard trainieren die Senioren immer freitags eine Stunde lang. Nach der coronabedi­ngten Pause arbeiten sie sich nun wieder an ihre alte Fitness heran. Froh, wieder in ihrem Kurs zu sein, sind sie nicht nur wegen der sportliche­n Aktivität, sondern auch wegen der sozialen Kontakte.

„Weniger Gewicht, dafür mehr Wiederholu­ngen, das ist für Ältere besser“, ruft Übungsleit­erin Claudia Weber in die Runde, während die Senioren mit der rechten Hand eine kleine Hantel stemmen. Sieben Frauen und ein Mann, alle über 80 Jahre, sind an dem Morgen ins Abdera nach Biberach gekommen zum Kurs „Fit bis ins hohe Alter“. Aus dem Lautsprech­er erklingen Hits der 50er-Jahre. Catherina Valente singt vom „schönen Mexiko“, das Hazy Osterwald Sextett stimmt „Gehn Sie mit der Konjunktur“an, während sich die Senioren gut gelaunt und motiviert ins Zeug legen.

Übungen im Sitzen, im Stehen oder auch aufgestütz­t auf die Stuhllehne wechseln sich ab. Mal ist mehr Kraft gefragt, mal der Gleichgewi­chtssinn

beim Stehen auf einem Bein, mal die Koordinati­on und die Beweglichk­eit bei Diagonalüb­ungen. Jeder macht die Übungen so, wie er kann. „Wer eine Pause braucht, schaut zu“, stellt Claudia Weber klar.

„Ich hole die Teilnehmer da ab, wo sie belastungs­mäßig gerade stehen“, sagt sie. Über Monate konnten die Senioren wegen der Coronapand­emie nicht trainieren. Das hatte Folgen. Zumal nicht nur der Kurs mit den gezielten Übungen und der Motivation durch die Gruppe, sondern auch ein Teil der Bewegung im Alltag wegfiel, etwa der Gang zum Supermarkt oder das Tragen von Einkaufsta­schen. „Im hohen Alter geht der Kraftabbau deutlich schneller“, sagt Claudia Weber. Der Leistungsa­bfall nach der wochenlang­en Pause sei enorm gewesen, erzählt sie. Das merkten auch die Senioren, als es im Juli wieder losging. „Man musste ein Stück weit wieder neu anfangen. Kraft, Beweglichk­eit, alles ist ein bisschen weniger geworden“, erzählt die 87-jährige Toni Weber, begleitet vom Nicken ihrer Sportkolle­gen Christel Morgen und Heribert Natter.

Aber nicht nur auf die körperlich­e Fitness wirkte sich die lange Auszeit aus. Der Sport am Freitagvor­mittag ist eine wichtige Möglichkei­t, andere Menschen zu treffen. Die habe sehr gefehlt, sind sich die Senioren einig. In den Wochen, in denen wegen der

Pandemie keine Sportkurse stattfande­n, schrieben sie sich auf Anregung des SV Birkenhard zwar Briefe und telefonier­ten, aber sich jede Woche beim Sport zu treffen, ist eben doch etwas anderes. „Man redet vor und nach dem Kurs miteinande­r“, sagt Christel Morgen. „Wenn man älter ist, ist es sehr wichtig, Gemeinscha­ft zu pflegen“, ergänzt Toni Weber. Denn viele sind in dem Alter alleinsteh­end. Es bestehe die Gefahr, dass man das Haus nicht mehr verlasse, der Kurs hingegen bringe einen dazu, unter Leute zu gehen, weiß eine andere Teilnehmer­in.

Wie sehr das wöchentlic­he Training den Senioren gefehlt hatte, zeigte sich insbesonde­re in den ersten Stunden, die im Juli im Biberacher Wielandpar­k stattfande­n. Auch schlechtes Wetter hielt die über 80Jährigen nicht auf. „Einmal hatte ich gedacht, dass heute keiner kommt, aber sie standen alle mit Regenjacke­n da“, erzählt Claudia Weber, die die Sportstund­e dann ins Kassenhaus des Parkhauses verlegte.

Seit September trainiert die Gruppe jetzt im Biberacher Abdera, wo genug Platz ist, um die Abstandsre­geln einzuhalte­n. Den alten Leistungss­tand aus Vor-Coronazeit­en hätten sie fast wieder erreicht, berichtet Claudia Weber. Auf ihren Sport und die dadurch gewonnene Fitness sind die Senioren stolz. Wenn einmal kurz ein Muskelkate­r zwacke, sehe er das positiv, als ein Zeichen dafür, dass die Muskeln angestreng­t wurden, die man daheim eben nicht trainiere, sagt der 83-jährige Heribert Natter. „Manches Gesicht fängt an zu strahlen, wenn Belebung und Aktivität in den Körper zurückkomm­t“, hat die Kursleiter­in beobachtet.

Die Senioren hoffen sehr, dass ihr Kurs nicht wieder wegen Corona abgesagt werden muss. „Die Angst, nicht mehr teilnehmen zu können, sitzt tief“, weiß Claudia Weber. „Wieder daheimblei­ben zu müssen“, sind sich Toni Weber, Christel Morgen und Heribert Natter einig, „das wäre furchtbar“. Wegen des Sports und wegen der Gemeinscha­ft. „Man würde einsam werden.“

Der SV Birkenhard bietet das Alltagstra­ining „Fit bis ins hohe Alter“in seiner Gesundheit­ssportabte­ilung an. Die Kurse sind laut Abteilungs­leiter Ingo Rembach nicht nur für Mitglieder, sondern für alle Interessie­rten offen. Die Angebote seien zertifizie­rt, weshalb bei den Krankenkas­sen ein Zuschuss beantragt werden kann, sagt er. In Kurse einzusteig­en ist auch derzeit noch möglich, Interessie­rte können auch erst einmal schnuppern. Informatio­nen gibt es unter www.sv-birkenhard.de oder bei Ingo Rembach unter Telefon 07351/80181.

ANZEIGE

 ?? FOTO: BIRGIT VAN LAAK ?? Motiviert und gut gelaunt trainieren die Senioren beim Kurs „Fit bis ins hohe Alter“des SV Birkenhard.
FOTO: BIRGIT VAN LAAK Motiviert und gut gelaunt trainieren die Senioren beim Kurs „Fit bis ins hohe Alter“des SV Birkenhard.

Newspapers in German

Newspapers from Germany