Schwäbische Zeitung (Biberach)
Wegen Beziehungsstreits: Höllenfahrt nach Laupheim
Junger Mann verkraftet Trennung von Freundin nicht – Gericht verurteilt ihn zu zwölf Monaten auf Bewährung
FRIEDRICHSHAFEN/LAUPHEIM (sig) Neun Monate dauerte die Beziehung zwischen einem zur Tatzeit 20-Jährigen und einer 23-jährigen Frau. Als sie Schluss machte, konnte der junge Mann damit nicht umgehen. Er stahl ihre EC-Karte und hob am Bankautomaten in Ailingen Geld ab, drang mit einem nachgemachten Schlüssel in ihre Wohnung ein und randalierte dort, schob sie auf den Beifahrersitz ihres Autos und startete eine Höllenfahrt nach Laupheim, überfiel sie in einer Damentoilette und zerrte sie aus dem Lokal.
Am Mittwoch musste sich der italienische Staatsangehörige vor dem Jugendschöffengericht des Amtsgerichts Tettnang verantworten. Mit einstündiger Verspätung. „Schön, dass Sie den Weg hierher gefunden haben“, bemerkte Richter Peter Pahnke zum Angeklagten. Der wollte den Termin vergessen haben und musste von der Polizei geholt und vorgeführt werden. Als die Verhandlung beginnen konnte, warf die Staatsanwältin dem jungen Mann vom Computerbetrug über Körperverletzung mit Freiheitsberaubung bis zu schwerem Raub, Nötigung und Hausfriedensbruch einen Strauß von Straftaten vor, für die ein Erwachsender einige Jahre hätte einfahren müssen.
Als der damals 20-Jährige seine Ex-Freundin Ende 2019 unter einem Vorwand von ihrem Arbeitsplatz weglockte, zog er sie am Oberarm zu ihrem Auto, schob sie auf den Beifahrersitz, setzte sich selbst ans Steuer und fuhr los. Angeblich zur Polizei in Friedrichshafen, um seine vorangegangenen Straftaten zu beichten. Tatsächlich lenkte er ihr Auto in Richtung Ravensburg, ihre Forderung ignorierend anzuhalten, um sie aussteigen zu lassen. Als sie an einer roten Ampel versuchte, das Auto zu verlassen, hielt er sie fest. „Es macht alles keinen Sinn“, meinte er unterwegs auf der B30. In aggressiver Stimmung startete er mit dem Fahrzeug gefährliche Manöver, lenkte es trotz Gegenverkehrs auf die Gegenfahrbahn.
In Laupheim angekommen, bat sie, eine Toilette aufsuchen zu dürfen. Er hielt bei einem Lokal, sie stieg aus, verschloss sich in einer WC-Kabine, telefonierte mit Kollegen in Friedrichshafen und schilderte ihre Situation. Doch ihr ExFreund war ihr gefolgt, stieg über eine Trennwand zu ihr in die Damentoilette und forderte sie auf, das Telefonat zu beenden. Er nahm ihr das Handy weg, packte sie, zeigte angeblich ein Klappmesser, zerrte sie aus der Toilette und dem Lokal. Anschließend fuhr er ohne sie mit dem Auto weg, um nach kurzer Zeit zurückzukommen. Mittlerweile hatten sich Zeugen der Frau angenommen und die Polizei gerufen. Beamte nahmen ihn fest.
In einem weiteren Fall hatte er die Wohnung der Ex in Friedrichshafen mit einem nachgemachten Schlüssel geöffnet, nachdem er zuvor geklingelt, die Frau aber nicht geöffnet hatte. Er drang trotz ihres Widerstands in die Wohnung ein, verfolgte die 23-Jährige, zertrümmerte ihr Handy. Ein Messer habe er nie dabeigehabt und er habe die ExFreundin auch nicht umbringen wollen, ließ sich der Angeklagte vernehmen. Zu allen anderen Vorwürfen schwieg er.
Im Zeugenstand berichtete die mittlerweile nach Esslingen verzogene Ex-Freundin, dass man mit der Zeit immer öfter gestritten habe, wobei es sich um keinen normalen Streit gehandelt habe. Unter anderem habe er sie eingesperrt und ihr das Handy abgenommen. Sie habe schließlich die Beziehung beendet, doch dann sei es erst richtig losgegangen. Er habe die Trennung nicht akzeptiert.
Ein Soldat aus Laupheim schilderte im Zeugenstand, wie er Geschrei aus der Damentoilette hörte und die Frau am Boden, vom Angeklagten gezogen, vorfand. Als er fragte, was los sei, habe der Angeklagte von ihr abgelassen und sei abgehauen. Der Zeuge und ein anderer Mann halfen ihr auf die Beine, brachten ihr ein Getränk, und sie berichtete von ihrer Höllenfahrt aus Friedrichshafen. Die Frau des Soldaten rief die Polizei, die den Angeklagten festnahm.
Bei der Frage, ob Erwachsenenoder Jugendstrafrecht anzuwenden sei, tendierte die Vertreterin der Anklage aufgrund der Reifeverzögerung des Angeklagten zum Jugendbereich. Sie fand eine Freiheitsstrafe von einem Jahr, zur Bewährung ausgesetzt, tat- und schuldangemessen. Der junge Mann habe immer wieder eine massive Übergrifflichkeit gezeigt und schwere Schuld auf sich geladen. Sie ist allerdings auch überzeugt, dass er keine weiteren Straftaten begehen werde. Seit einem Jahr sei nichts mehr passiert, sagte Verteidiger Alexander Greiner und bat, von den auferlegten Kosten für seinen Mandanten abzusehen, schloss sich dem einen Jahr der Staatsanwaltschaft jedoch an.
Das Jugendschöffengericht folgte weitgehend der Vertreterin der Anklage und verurteilte den Auszubildenden im Hotelfach zu einer moderaten Einheitsstrafe von einem Jahr, für zwölf Monate zur Bewährung ausgesetzt, und einer Geldbuße von 300 Euro, zu leisten in Raten an einen gemeinnützigen Verein.
Bis auf die vorgeworfene Drohung nach dem Leben habe sich der Anklagevorwurf bestätigt, sagte Richter Peter Pahnke. Das Gericht glaubte den Zeugen, sah alle Strafen im Zusammenhang mit der gescheiterten Beziehung und beim Angeklagten Entwicklungsverzögerungen.
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