Schwäbische Zeitung (Biberach)
Corona beschleunigt Digitalisierung
Sollten sie erneut schließen müssen, sind die Schulen dieses Mal gut vorbereitet
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BAD SCHUSSENRIED - Digitale Lernplattformen, auf die alle Schüler Zugriff haben, Videokonferenzen mit dem Lehrer: Die Corona-Pandemie hat die Digitalisierung in den Schulen stark vorangetrieben. Wie stark, kann man in diesen Tagen und Wochen immer mehr erkennen.
Tagtäglich ändern sich die Zahlen, wie viele Schüler in BadenWürttemberg im Moment von zu Hause aus unterrichtet werden. Sobald ein Mitschüler oder ein Klassenlehrer positiv getestet wird, muss die ganze Klasse in Quarantäne. In Bad Schussenried können im Moment noch alle Klassen vor Ort unterrichtet werden – doch alle Schulen sind mittlerweile auf den Ernstfall vorbereitet.
Eine der wichtigsten Errungenschaften ist für Rektor Albrecht Binder, dass inzwischen alle seiner Realschüler Zugriff auf die landesweite Lernplattform Moodle haben und dass diese zuverlässig funktioniert. „Den Sommer über waren wir noch in der Probephase, haben unsere Lehrer geschult. Jetzt sind alle Schüler angemeldet, die Klassen haben ihre eigenen Chatgruppen und sollte eine davon in Quarantäne müssen, können sie den Unterricht wie gewohnt online fortführen“, sagt er.
Die Art und Weise, wie nun online gelernt und gelehrt werde, habe sich seit dem Beginn der Pandemie deutlich verbessert. Als die Schulen im Frühjahr von einem auf den anderen Tag geschlossen werden mussten, habe das viele eiskalt erwischt. Ein grundlegendes Problem damals war, dass nicht alle Schüler zu Hause Zugang zu einem eigenen Rechner hatten. Das habe sich nun geändert. Über die sogenannten Soforthilfen hat die Stadt Fördergelder erhalten. Davon wurden laut Bürgermeister Achim Deinet insgesamt 124 IPads angeschafft und an die Schulen verteilt. Bei Bedarf werden die Leihgeräte an Schüler ausgegeben.
Ein weiterer wichtiger Punkt: die
Kommunikation mit den Eltern. „Ich habe inzwischen E-Mail-Adressen von allen Eltern. Das macht die Kommunikation viel einfacher und schneller“, erklärt Binder. In Zeiten wie diesen sei es wichtiger denn je, eng im Kontakt zu bleiben. Bei den Elternabenden, die in den vergangenen Wochen stattfanden, hätten Pädagogen und Eltern sich darüber ausgetauscht, wie das Lernen zu Hause funktioniert habe und was sich dabei in Zukunft verbessern lasse.
„Wir haben in den vergangenen Monaten viel ausprobiert, Videokonferenzen mit den Klassen zum Beispiel, und wir wissen nun, was gut funktioniert. Sollte es zu einer erneuten Schließung der Schulen kommen, sind wir dieses Mal weitaus besser vorbereitet“, so der Rektor der Realschule. Allerdings wisse er auch durch den Austausch mit Kollegen, dass es im Land noch große Unterschiede gebe. Binder ist Stellvertreter in der Arbeitsgemeinschaft der Realschulrektoren im Regierungspräsidium Tübingen. Seine Einschätzung: Je finanzstärker eine Kommune, umso weiter seien die Schulen in der Digitalisierung. „Es gibt Schulen, die haben alles, was technisch möglich ist und andere haben nicht einmal eine stabile Internetverbindung.“Die Schere gehe weit auseinander.
Auch am Progymnasium befindet sich noch keine Klasse in Quarantäne. Doch auch dort bereitet sich das Kollegium auf jegliches Szenario vor. „Wir sind am Progymnasium in der glücklichen Lage, dass wir unsere gesamte Lehrerschaft regulär im Präsenzunterricht einsetzen können, da wir keine Angehörigen von Risikogruppen in der Lehrerschaft haben“, sagt Rektorin Susanne Wehling. Daher hoffe sie, so lange wie möglich Präsenzunterricht anbieten zu können. Die IPads, die die Stadt den Schulen zur Verfügung gestellt hat, würden momentan im Unterricht eingesetzt, um alle Schüler mit dem Umgang vertraut zu machen.
„Von der Ausstattung der Endgeräte her wie auch von der Vorbereitung her sind wir nun jederzeit in der Lage und bereit dazu, teilweise oder komplett auf Fernunterricht digital umzustellen“, so Wehling. „Die einzige Schwachstelle ist weiterhin, dass nicht immer und überall in Bad Schussenried eine ausreichend leistungsfähige und vor allem stabile Internetversorgung
gegeben ist, was zum Beispiel zu Unterbrechungen bei Videokonferenzen führen kann“, erläutert sie.
An der Grund- und Werkrealschule hat sich das Kollegium für eine andere Kommunikationsplattform entschieden. Moodle sei ihrer Erfahrung nach für die Schüler zu komplex, erläutert Rektorin Stephanie Krüger. School Fox habe den Vorteil, dass es sowohl über einen Browser als auch als App funktioniere. Die Plattform werde nun schrittweise in den Unterricht integriert, Videokonferenzen ausprobiert. Eine Umfrage am Schuljahresende habe ergeben, dass die meisten Schüler Zugang zu Laptops oder IPads hätten, sie zu Hause die online heruntergeladenen Aufgaben aber nicht ausdrucken könnten. „Wir überlegen daher, eine mobile Druckerstation einzurichten“, so Krüger. „Es ist ein Prozess, herauszufinden, was im Bereich digitales Lernen funktioniert, und wir lernen ständig dazu.“An allen Schulen wird zurzeit der Einsatz von Smartboards im Unterricht getestet. Diese sollen angeschafft werden, sobald alle drei Medienentwicklungspläne genehmigt und die hierfür bereitgestellten Gelder des Digitalpakts bewilligt sind. Einer der Vorteile der Smartboards ist, dass die Handys oder Tablets der Schüler direkt mit diesem verknüpft werden können. Lösungen von Aufgaben, die die Schüler erarbeitet haben, können direkt für alle sichtbar auf das Smartboard übertragen werden. Ein enormer Vorteil, wie Wehling findet. „Auch für den Quarantänefall ist es super, dass wir einen Lehrer, der sich in Quarantäne befindet, direkt auf das Smartboard sichtbar schalten können, der dann also virtuell im Klassenzimmer präsent ist und Unterricht halten kann“, erklärt sie. Seine Unterrichtsinhalte würden so für alle Schüler sichtbar, er sei zu hören und könne gemeinsam mit den Schülern an der virtuellen Tafel Aufgaben direkt besprechen. Das sei ein enormer Fortschritt.
Und was sagen die Eltern zu den Veränderungen in der Schule?
ist Elternbeiratsvorsitzender an der Schussenrieder Realschule. Er ist sehr zufrieden mit der Vorgehensweise von Albrecht Binder. Im Gegensatz zum Frühjahr, als die Schließung der Schulen alle unvorbereitet getroffen habe, bereite sich das Kollegium jetzt gezielt auf eine zweite eventuelle Schließung vor. Es sei gut und wichtig, dass die Kinder schon jetzt Zugang zu den neuen Onlinelernplattformen hätten, um zu überprüfen, wo es mögliche Schwierigkeiten gebe. Auch die Kommunikation zwischen
den Lehrern und Eltern funktioniere nun viel besser. Das weitaus größere Problem sei die Internetverbindung. Denn die Familie lebt auf einem Aussiedlerhof, „und sobald wir alle gleichzeitig ins Internet gehen, geht gar nichts mehr“, sagt er. Wenn nur eins seiner Kinder eine Videokonferenz starte, könnten die anderen online nicht mehr arbeiten. Und: Bisher besitzt die Familie nur einen Laptop. Im Lockdown habe sich gezeigt, dass das nicht mehr reiche. Bei nächster Gelegenheit will die Familie Zimmermann sich daher einen zweiten kaufen. (böl)