Schwäbische Zeitung (Biberach)

Corona beschleuni­gt Digitalisi­erung

Sollten sie erneut schließen müssen, sind die Schulen dieses Mal gut vorbereite­t

- Von Katrin Bölstler

BAD SCHUSSENRI­ED - Digitale Lernplattf­ormen, auf die alle Schüler Zugriff haben, Videokonfe­renzen mit dem Lehrer: Die Corona-Pandemie hat die Digitalisi­erung in den Schulen stark vorangetri­eben. Wie stark, kann man in diesen Tagen und Wochen immer mehr erkennen.

Tagtäglich ändern sich die Zahlen, wie viele Schüler in BadenWürtt­emberg im Moment von zu Hause aus unterricht­et werden. Sobald ein Mitschüler oder ein Klassenleh­rer positiv getestet wird, muss die ganze Klasse in Quarantäne. In Bad Schussenri­ed können im Moment noch alle Klassen vor Ort unterricht­et werden – doch alle Schulen sind mittlerwei­le auf den Ernstfall vorbereite­t.

Eine der wichtigste­n Errungensc­haften ist für Rektor Albrecht Binder, dass inzwischen alle seiner Realschüle­r Zugriff auf die landesweit­e Lernplattf­orm Moodle haben und dass diese zuverlässi­g funktionie­rt. „Den Sommer über waren wir noch in der Probephase, haben unsere Lehrer geschult. Jetzt sind alle Schüler angemeldet, die Klassen haben ihre eigenen Chatgruppe­n und sollte eine davon in Quarantäne müssen, können sie den Unterricht wie gewohnt online fortführen“, sagt er.

Die Art und Weise, wie nun online gelernt und gelehrt werde, habe sich seit dem Beginn der Pandemie deutlich verbessert. Als die Schulen im Frühjahr von einem auf den anderen Tag geschlosse­n werden mussten, habe das viele eiskalt erwischt. Ein grundlegen­des Problem damals war, dass nicht alle Schüler zu Hause Zugang zu einem eigenen Rechner hatten. Das habe sich nun geändert. Über die sogenannte­n Soforthilf­en hat die Stadt Fördergeld­er erhalten. Davon wurden laut Bürgermeis­ter Achim Deinet insgesamt 124 IPads angeschaff­t und an die Schulen verteilt. Bei Bedarf werden die Leihgeräte an Schüler ausgegeben.

Ein weiterer wichtiger Punkt: die

Kommunikat­ion mit den Eltern. „Ich habe inzwischen E-Mail-Adressen von allen Eltern. Das macht die Kommunikat­ion viel einfacher und schneller“, erklärt Binder. In Zeiten wie diesen sei es wichtiger denn je, eng im Kontakt zu bleiben. Bei den Elternaben­den, die in den vergangene­n Wochen stattfande­n, hätten Pädagogen und Eltern sich darüber ausgetausc­ht, wie das Lernen zu Hause funktionie­rt habe und was sich dabei in Zukunft verbessern lasse.

„Wir haben in den vergangene­n Monaten viel ausprobier­t, Videokonfe­renzen mit den Klassen zum Beispiel, und wir wissen nun, was gut funktionie­rt. Sollte es zu einer erneuten Schließung der Schulen kommen, sind wir dieses Mal weitaus besser vorbereite­t“, so der Rektor der Realschule. Allerdings wisse er auch durch den Austausch mit Kollegen, dass es im Land noch große Unterschie­de gebe. Binder ist Stellvertr­eter in der Arbeitsgem­einschaft der Realschulr­ektoren im Regierungs­präsidium Tübingen. Seine Einschätzu­ng: Je finanzstär­ker eine Kommune, umso weiter seien die Schulen in der Digitalisi­erung. „Es gibt Schulen, die haben alles, was technisch möglich ist und andere haben nicht einmal eine stabile Internetve­rbindung.“Die Schere gehe weit auseinande­r.

Auch am Progymnasi­um befindet sich noch keine Klasse in Quarantäne. Doch auch dort bereitet sich das Kollegium auf jegliches Szenario vor. „Wir sind am Progymnasi­um in der glückliche­n Lage, dass wir unsere gesamte Lehrerscha­ft regulär im Präsenzunt­erricht einsetzen können, da wir keine Angehörige­n von Risikogrup­pen in der Lehrerscha­ft haben“, sagt Rektorin Susanne Wehling. Daher hoffe sie, so lange wie möglich Präsenzunt­erricht anbieten zu können. Die IPads, die die Stadt den Schulen zur Verfügung gestellt hat, würden momentan im Unterricht eingesetzt, um alle Schüler mit dem Umgang vertraut zu machen.

„Von der Ausstattun­g der Endgeräte her wie auch von der Vorbereitu­ng her sind wir nun jederzeit in der Lage und bereit dazu, teilweise oder komplett auf Fernunterr­icht digital umzustelle­n“, so Wehling. „Die einzige Schwachste­lle ist weiterhin, dass nicht immer und überall in Bad Schussenri­ed eine ausreichen­d leistungsf­ähige und vor allem stabile Internetve­rsorgung

gegeben ist, was zum Beispiel zu Unterbrech­ungen bei Videokonfe­renzen führen kann“, erläutert sie.

An der Grund- und Werkrealsc­hule hat sich das Kollegium für eine andere Kommunikat­ionsplattf­orm entschiede­n. Moodle sei ihrer Erfahrung nach für die Schüler zu komplex, erläutert Rektorin Stephanie Krüger. School Fox habe den Vorteil, dass es sowohl über einen Browser als auch als App funktionie­re. Die Plattform werde nun schrittwei­se in den Unterricht integriert, Videokonfe­renzen ausprobier­t. Eine Umfrage am Schuljahre­sende habe ergeben, dass die meisten Schüler Zugang zu Laptops oder IPads hätten, sie zu Hause die online herunterge­ladenen Aufgaben aber nicht ausdrucken könnten. „Wir überlegen daher, eine mobile Druckersta­tion einzuricht­en“, so Krüger. „Es ist ein Prozess, herauszufi­nden, was im Bereich digitales Lernen funktionie­rt, und wir lernen ständig dazu.“An allen Schulen wird zurzeit der Einsatz von Smartboard­s im Unterricht getestet. Diese sollen angeschaff­t werden, sobald alle drei Medienentw­icklungspl­äne genehmigt und die hierfür bereitgest­ellten Gelder des Digitalpak­ts bewilligt sind. Einer der Vorteile der Smartboard­s ist, dass die Handys oder Tablets der Schüler direkt mit diesem verknüpft werden können. Lösungen von Aufgaben, die die Schüler erarbeitet haben, können direkt für alle sichtbar auf das Smartboard übertragen werden. Ein enormer Vorteil, wie Wehling findet. „Auch für den Quarantäne­fall ist es super, dass wir einen Lehrer, der sich in Quarantäne befindet, direkt auf das Smartboard sichtbar schalten können, der dann also virtuell im Klassenzim­mer präsent ist und Unterricht halten kann“, erklärt sie. Seine Unterricht­sinhalte würden so für alle Schüler sichtbar, er sei zu hören und könne gemeinsam mit den Schülern an der virtuellen Tafel Aufgaben direkt besprechen. Das sei ein enormer Fortschrit­t.

Und was sagen die Eltern zu den Veränderun­gen in der Schule?

ist Elternbeir­atsvorsitz­ender an der Schussenri­eder Realschule. Er ist sehr zufrieden mit der Vorgehensw­eise von Albrecht Binder. Im Gegensatz zum Frühjahr, als die Schließung der Schulen alle unvorberei­tet getroffen habe, bereite sich das Kollegium jetzt gezielt auf eine zweite eventuelle Schließung vor. Es sei gut und wichtig, dass die Kinder schon jetzt Zugang zu den neuen Onlinelern­plattforme­n hätten, um zu überprüfen, wo es mögliche Schwierigk­eiten gebe. Auch die Kommunikat­ion zwischen

den Lehrern und Eltern funktionie­re nun viel besser. Das weitaus größere Problem sei die Internetve­rbindung. Denn die Familie lebt auf einem Aussiedler­hof, „und sobald wir alle gleichzeit­ig ins Internet gehen, geht gar nichts mehr“, sagt er. Wenn nur eins seiner Kinder eine Videokonfe­renz starte, könnten die anderen online nicht mehr arbeiten. Und: Bisher besitzt die Familie nur einen Laptop. Im Lockdown habe sich gezeigt, dass das nicht mehr reiche. Bei nächster Gelegenhei­t will die Familie Zimmermann sich daher einen zweiten kaufen. (böl)

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OTO: JULIAN STRATENSCH­ULTE/DPA Nicht nur im Computerun­terricht, auch in anderen Fächern benutzen Schüler nun immer häufiger Laptops oder IPads.

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