Schwäbische Zeitung (Biberach)
Mit dem Rollator zum Fitnesskurs
Eine Physiopraxis in Ummendorf bietet ein Gehprogramm für Senioren an
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UMMENDORF - Wenn die Kraft in den Beinen schwindet, kann es schnell gefährlich werden. In Ummendorf bietet eine Physiotherapeutin daher ein spezielles Gehprogramm für Senioren an. Die Erfahrungen werden auch für die Wissenschaft verwendet.
Mit dem Herbstnebel und den kühlen Temperaturen beginnt für Anita Rupp wieder die Zeit der Schmerzen. „Man darf ja nicht alles auf das Wetter schieben“, sagt die 78jährige Ummendorferin. „Aber da ist schon was dran.“Vor allem im Rücken spürt sie Schmerzen. Das liege wohl am Alter und vielleicht auch an ihren Stürzen. Zwei Mal ist sie bereits gefallen, einmal hat sie sich gar den Oberarm angebrochen. Rupp ist eigentlich fit, fährt Fahrrad, geht zum Gymnastiktraining und bewältigt jeden Tag Treppen in ihrem Haus. Doch sie merkte auch, wie ihre Kraft nachließ. Bis sie sich entschied, etwas dagegen zu unternehmen.
Seitdem besucht Rupp regelmäßig die Kurse „Trittsicher durchs Leben“in Ummendorf. „Ich will aktiv bleiben und ich merke, dass es mir guttut.“Ihr gehe es weniger darum, viel Beinmuskulatur aufzubauen. „Ich möchte einfach eine Verschlechterung aufhalten.“Dass das offensichtlich gelingen kann, zeigt der Blick auf die bisherigen Fakten: Seit fünf Jahren bietet die Physiotherapeutin Katrin Alber die „Trittsicher“-Kurse an. Sie ist damit eine von vielen, die an dem Pilotprojekt teilnehmen. Die Daten aus den Kursen werden von der Sozialversicherung für Landwirtschaft ausgewertet und die Kurse wissenschaftlich vom Robert-Bosch-Krankenhaus in Stuttgart betreut. So muss Alber zum Beispiel die Bewegungsfrequenzen der Senioren notieren. Dafür dürfen sie zwei Mal im Jahr kostenlos an einem Kurs teilnehmen.
Wichtig sei auch, dass die Übungen nach Abschluss eines Kurses zu Hause in den Alltag integriert würden. Rupp betont, dass sie diesen Ratschlag befolge. In der Gruppe und in der Gesellschaft anderer Senioren sei es „dennoch netter und die Motivation ist größer“. Alber und ihre Kollegin Kasia Bondarenko legen viel Wert auf ein abwechslungsreiches Programm. Selbst wenn sich die Kurse wiederholen, werde es kaum langweilig. „Man kann eine Muskelgruppe ja auf 50 000 verschiedene Arten trainieren“, sagt Alber. Der Rahmen des Programms wird von der Sozialversicherung und dem Krankenhaus vorgegeben. Freiheiten hat sie dennoch. Ihr ist es wichtig, dass sich die Senioren auch über die Sportübungen hinaus gedanklich mit dem Thema „Trittsicher durchs Leben“auseinandersetzen. Neben Kraft- und Balanceübungen steht dafür auch regelmäßig ein „Brainstorming“auf dem Programm.
Dabei beschäftigen sich die Teilnehmer zum Beispiel mit Fragen wie „Was sind häufige Stolperfallen im Alltag?“, „Was kann ich tun gegen Krämpfe?“oder „Wie kann ich mich bei Dunkelheit besser zurechtfinden?“. Gemeinsam erarbeiten die Senioren dann Antworten. Und Alber freut sich, dass sie manchmal auch gegen langjährige Gewohnheiten ankommt: „Häufige Stolperfallen sind zum Beispiel schwere Teppiche“, erzählt sie. „Aber es gab auch schon Teilnehmer, die dann am Ende des Kurses ihren Teppich aus dem Haus verbannt haben.“
Inzwischen kommt ihr Kurs so gut an, dass sie keine Werbung mehr macht. „Ich konnte die Nachfrage gar nicht mehr bewerkstelligen“, erzählt sie. Nach Jahren der Odyssee durch verschiedene Räume in Ummendorf hat sie dieses Jahr ihre Praxiserweiterung fertigstellt. Seitdem finden die Kurse in einem größeren Übungsraum in der Praxis in der Biberacher Straße 20 statt. Dort sollen ab dem kommenden Jahr wieder neue Kurse beginnen. „Im Februar oder März starten wir wieder durch“, sagt Alber. Die aktuellen Kurse laufen noch bis November. Coronabedingt allerdings mit viel Abstand, kleinen Gruppen und ohne Partnerübungen. Die meisten Teilnehmer sind zwischen 70 und 85 Jahre alt, manche kommen auch mit dem Rollator zum Kurs.
In ihren Räumen in Ummendorf wolle sie einen „Ort der Begegnung und des Sports“schaffen, erzählt sie. Zwei Räume sind bereits untervermietet. Alber selbst bietet auch Osteopathie an. Die „Trittsicher“Kurse aber haben sie bekannt gemacht im Ort. Viele Senioren und Patienten suchen inzwischen ihren Rat. „Ich kann kaum noch zum Einkaufen gehen, ohne angesprochen zu werden“, erzählt sie schmunzelnd.