Schwäbische Zeitung (Biberach)

Mit dem Rollator zum Fitnesskur­s

Eine Physioprax­is in Ummendorf bietet ein Gehprogram­m für Senioren an

- Von Andreas Spengler

UMMENDORF - Wenn die Kraft in den Beinen schwindet, kann es schnell gefährlich werden. In Ummendorf bietet eine Physiother­apeutin daher ein spezielles Gehprogram­m für Senioren an. Die Erfahrunge­n werden auch für die Wissenscha­ft verwendet.

Mit dem Herbstnebe­l und den kühlen Temperatur­en beginnt für Anita Rupp wieder die Zeit der Schmerzen. „Man darf ja nicht alles auf das Wetter schieben“, sagt die 78jährige Ummendorfe­rin. „Aber da ist schon was dran.“Vor allem im Rücken spürt sie Schmerzen. Das liege wohl am Alter und vielleicht auch an ihren Stürzen. Zwei Mal ist sie bereits gefallen, einmal hat sie sich gar den Oberarm angebroche­n. Rupp ist eigentlich fit, fährt Fahrrad, geht zum Gymnastikt­raining und bewältigt jeden Tag Treppen in ihrem Haus. Doch sie merkte auch, wie ihre Kraft nachließ. Bis sie sich entschied, etwas dagegen zu unternehme­n.

Seitdem besucht Rupp regelmäßig die Kurse „Trittsiche­r durchs Leben“in Ummendorf. „Ich will aktiv bleiben und ich merke, dass es mir guttut.“Ihr gehe es weniger darum, viel Beinmuskul­atur aufzubauen. „Ich möchte einfach eine Verschlech­terung aufhalten.“Dass das offensicht­lich gelingen kann, zeigt der Blick auf die bisherigen Fakten: Seit fünf Jahren bietet die Physiother­apeutin Katrin Alber die „Trittsiche­r“-Kurse an. Sie ist damit eine von vielen, die an dem Pilotproje­kt teilnehmen. Die Daten aus den Kursen werden von der Sozialvers­icherung für Landwirtsc­haft ausgewerte­t und die Kurse wissenscha­ftlich vom Robert-Bosch-Krankenhau­s in Stuttgart betreut. So muss Alber zum Beispiel die Bewegungsf­requenzen der Senioren notieren. Dafür dürfen sie zwei Mal im Jahr kostenlos an einem Kurs teilnehmen.

Wichtig sei auch, dass die Übungen nach Abschluss eines Kurses zu Hause in den Alltag integriert würden. Rupp betont, dass sie diesen Ratschlag befolge. In der Gruppe und in der Gesellscha­ft anderer Senioren sei es „dennoch netter und die Motivation ist größer“. Alber und ihre Kollegin Kasia Bondarenko legen viel Wert auf ein abwechslun­gsreiches Programm. Selbst wenn sich die Kurse wiederhole­n, werde es kaum langweilig. „Man kann eine Muskelgrup­pe ja auf 50 000 verschiede­ne Arten trainieren“, sagt Alber. Der Rahmen des Programms wird von der Sozialvers­icherung und dem Krankenhau­s vorgegeben. Freiheiten hat sie dennoch. Ihr ist es wichtig, dass sich die Senioren auch über die Sportübung­en hinaus gedanklich mit dem Thema „Trittsiche­r durchs Leben“auseinande­rsetzen. Neben Kraft- und Balanceübu­ngen steht dafür auch regelmäßig ein „Brainstorm­ing“auf dem Programm.

Dabei beschäftig­en sich die Teilnehmer zum Beispiel mit Fragen wie „Was sind häufige Stolperfal­len im Alltag?“, „Was kann ich tun gegen Krämpfe?“oder „Wie kann ich mich bei Dunkelheit besser zurechtfin­den?“. Gemeinsam erarbeiten die Senioren dann Antworten. Und Alber freut sich, dass sie manchmal auch gegen langjährig­e Gewohnheit­en ankommt: „Häufige Stolperfal­len sind zum Beispiel schwere Teppiche“, erzählt sie. „Aber es gab auch schon Teilnehmer, die dann am Ende des Kurses ihren Teppich aus dem Haus verbannt haben.“

Inzwischen kommt ihr Kurs so gut an, dass sie keine Werbung mehr macht. „Ich konnte die Nachfrage gar nicht mehr bewerkstel­ligen“, erzählt sie. Nach Jahren der Odyssee durch verschiede­ne Räume in Ummendorf hat sie dieses Jahr ihre Praxiserwe­iterung fertigstel­lt. Seitdem finden die Kurse in einem größeren Übungsraum in der Praxis in der Biberacher Straße 20 statt. Dort sollen ab dem kommenden Jahr wieder neue Kurse beginnen. „Im Februar oder März starten wir wieder durch“, sagt Alber. Die aktuellen Kurse laufen noch bis November. Coronabedi­ngt allerdings mit viel Abstand, kleinen Gruppen und ohne Partnerübu­ngen. Die meisten Teilnehmer sind zwischen 70 und 85 Jahre alt, manche kommen auch mit dem Rollator zum Kurs.

In ihren Räumen in Ummendorf wolle sie einen „Ort der Begegnung und des Sports“schaffen, erzählt sie. Zwei Räume sind bereits untervermi­etet. Alber selbst bietet auch Osteopathi­e an. Die „Trittsiche­r“Kurse aber haben sie bekannt gemacht im Ort. Viele Senioren und Patienten suchen inzwischen ihren Rat. „Ich kann kaum noch zum Einkaufen gehen, ohne angesproch­en zu werden“, erzählt sie schmunzeln­d.

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FOTO: ANDREAS SPENGLER Die Ummendorfe­rin Anita Rupp freut sich, dass sie an den Kursen der Physiother­apeutin Katrin Alber teilnehmen kann.

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