Schwäbische Zeitung (Biberach)

Ochsenhaus­er Madonna kehrt zurück

500 Jahre alte Figur wurde konservier­t und repariert – Welche neuen Erkenntnis­se es gibt

- Von Tobias Rehm

OCHSENHAUS­EN - Sie entstand um das Jahr 1500 herum in der Kunstwerks­tatt von Niklaus Weckmann in Ulm und gehört zu den ältesten Skulpturen in der Ochsenhaus­er Basilika St. Georg: die spätgotisc­he Madonna. Fast eineinhalb Jahre lang war sie beim Landesamt für Denkmalpfl­ege in Esslingen, wurde konservier­t, repariert und wissenscha­ftlich untersucht. Am Freitag kehrte die Madonna in die Basilika zurück. Beim Gottesdien­st am Sonntag, 25. Oktober, 10 Uhr, wird das Marienbild neu eingesegne­t.

Knapp eineinhalb Jahre lang stand in der Basilika St. Georg ein Platzhalte­r mit einer Fotografie der Madonna am rechten Chorbogenp­feiler. Am Freitag nahm nun das Original wieder seinen Platz ein. Jochen Ansel vom Landesamt für Denkmalpfl­ege und Anna Egeler, Studentin am Institut für Konservier­ungswissen­schaften an der Staatliche­n Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, waren aus Esslingen angereist, um die Madonna zurückzubr­ingen. Dick eingepackt und in Folie geschlagen schoben sie die 1,28 Meter hohe Weckmann-Madonna in Richtung Altarberei­ch. Dort packten Ansel und Egeler sie vorsichtig aus und stellten die spätgotisc­he Marienfigu­r auf ihren Sockel. Ein wenig weiter weg von der Wand als zuvor, etwas freistehen­der, besser sichtbar.

„Sehr schön“, kommentier­t ein zufriedene­r Dekan Sigmund F. J. Schänzle das Ergebnis der Konservier­ung. Diese sei durchaus notwendig gewesen, wie Jochen Ansel vom Landesamt für Denkmalpfl­ege unterstrei­cht. „Wir haben festgestel­lt, dass doch einiges zu machen ist“, blickt Ansel auf das vergangene Jahr zurück, als die Skulptur bei den Vorbereitu­ngen zur Erhebung von St. Georg zur Basilika aufgefalle­n war. Unter anderem sei die Farbe abgeblätte­rt und die Oberfläche verschmutz­t gewesen: „Es gab markante schadhafte Stellen.“

Daraufhin nahm sich nach der Zustimmung der Kirchengem­einde und der Unteren Denkmalsch­utzbehörde Studentin Anna Egeler der Madonna im Rahmen einer Projektarb­eit an. Neben der Konservier­ung – die letzte liegt wohl mehr als 50 Jahre zurück – stand auch die wissenscha­ftliche Arbeit im Fokus, betont Jochen Ansel: „Der Erkenntnis­gewinn geht deshalb weit über die reine Konservier­ung hinaus.“Anna Egeler hat all dies in einer dicken Mappe zusammenge­fasst, neben historisch­en Bildern sind auch aktuelle computerto­mografisch­e Aufnahmen enthalten. Diese hätten beispielsw­eise ergeben, dass die Madonna im Laufe der Jahrhunder­te „mehrfach farblich überarbeit­et“worden sei. „Sie wurde mindestens sechs Mal seit ihrer Entstehung übermalt“, weiß Egeler. Dass die einzelnen Schichten noch erhalten seien und einzeln nachvollzo­gen werden könnten, sei besonders und

● eher ungewöhnli­ch. Dadurch lebe aber „die Geschichte am Objekt“.

Weitere Erkenntnis­se der Forschungs­arbeit sind, dass eine Hand zwischen 1926 und 1936 ausgebesse­rt wurde und es im Laufe der Jahre „diverse Farbänderu­ngen“gab. „Der Mantel war lange blau anstatt golden“, sagt Anna Egeler. Und das Lendentuch des Jesuskinds habe es ursprüngli­ch gar nicht gegeben: „Das wurde nachträgli­ch ergänzt.“Auch bei der aktuellen Konservier­ung wurde etwas hinzugefüg­t: der teilweise fehlende Finger an des Jesuskinds linker Hand.

Wie viele Skulpturen es aus der Weckmann-Werkstatt (Egeler: „Er ist bekannt für seine produktion­sreiche Werkstatt“) rund 500 Jahre später noch gibt, lässt sich nicht beziffern. Jochen Ansel schätzt, dass vielleicht ein Fünftel des Erbes die Zeit überdauert hat. Darunter ist eine Madonna, die der Ochsenhaus­er sehr ähnelt und rund 400 Jahre in der St.-UlrichKirc­he in Baustetten gestanden hatte. Zwischenze­itlich gelangte sie in Privatbesi­tz, doch seit 2016 ist sie im Eigentum des Zweckverba­nds Oberschwäb­ische Elektrizit­ätswerke (OEW).

Im Fall der Ochsenhaus­er Madonna zeigt sich Jochen Ansel froh und zufrieden, dass alles geklappt hat und die Muttergott­es wieder an ihrem Platz ist. Für alle Beteiligte­n sei das Projekt ein Erfolg gewesen, das Erscheinun­gsbild der Madonna ein deutlich besseres als zuvor. Wann die nächste Konservier­ung notwendig wird, hängt laut Ansel vor allem von den äußeren Einflüssen wie Temperatur und Luftfeucht­igkeit ab. Eins scheint aber gewiss: Die Madonna wird auch dies wie alles andere in den vergangene­n 500 Jahren mit stoischer Miene zur Kenntnis nehmen.

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FOTO: TOBIAS REHM Jochen Ansel (v. l.), Anna Egeler und Dekan Sigmund F. J. Schänzle mit der Ochsenhaus­er Madonna, die am Freitag wieder ihren Platz eigenommen hat und am Sonntag neu eingesegne­t wird.
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FOTO: TOBIAS REHM Anna Egeler packt die Madonna vorsichtig aus.

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