Schwäbische Zeitung (Biberach)

Corona wirbelt CDU-Pläne durcheinan­der

Vor dem Superwahlj­ahr 2021 bleiben nach der Verschiebu­ng der Chef-Kür zentrale Fragen offen

- Von Jörg Blank und Ruppert Mayr

BERLIN (dpa) - Die Lage für die CDU ist gefährlich, nicht einmal ein Jahr vor der Bundestags­wahl. Die Vorsitzend­enfrage absehbar wohl bis ins Frühjahr ungelöst, von einer Entscheidu­ng über die Kanzlerkan­didatur der Union ganz zu schweigen. Gut möglich, dass der interne Kampf zwischen Friedrich Merz und Armin Laschet um den Parteivors­itz mit dem Beschluss des CDU-Vorstands vom Montag, den von vielen in der Partei so dringend herbeigese­hnten Wahlpartei­tag ins nächste Jahr zu verschiebe­n, nun richtig an Schärfe gewinnt.

Die Gefahr nimmt zu, dass die Partei zerstritte­n ins Superwahlj­ahr 2021 zieht – das dürfte in der Geschichte der CDU ziemlich einmalig sein. Dass die massiv gestiegene­n Corona-Infektions­zahlen bis zur letzten regulären Vorstandss­itzung in diesem Jahr am 14. Dezember soweit zurückgehe­n, dass dann schon ein Beschluss für einen Präsenzpar­teitag am 16. Januar fallen kann, glaubt kaum jemand in der CDU-Spitze. Das dürfte auch ExFraktion­schef Merz klar sein.

Die Junge Union und die Mittelstan­dsvereinig­ung – eher auf Seiten von Merz – verhandelt­en in den Beschluss hinein, dass der 14. Dezember in einer Art Stufenplan zum nächsten Parteitag doch noch eine größere Rolle spielen soll. Aber das gilt eben nur, falls sich die Corona-Lage entspannt. Diese Hintertür hat sich der Vorstand offengelas­sen – wohl auch als Zeichen des Entgegenko­mmens an Merz und seine Anhänger.

Die Konsequenz – Verschiebu­ng voraussich­tlich bis ins Frühjahr – wird von manchen als Erfolg von NRW-Ministerpr­äsident Laschet gegenüber Merz gewertet. CDU-Vize Laschet hatte am Wochenende wissen lassen, er sei wegen Corona für eine Verschiebu­ng des Parteitags. Als Ministerpr­äsident könne er nicht größere Veranstalt­ungen verbieten, während die CDU mit 1001 Delegierte­n zusammenko­mme. Merz dagegen kämpfte bis zuletzt um eine Klärung der Führungsfr­age noch 2020. In der Partei heißt es, der Sauerlände­r habe unbedingt die für ihn derzeit guten Umfragewer­te nutzen wollen.

Dass sich in den nächsten Monaten der Ton zwischen Merz und Laschet verschärfe­n dürfte, ist schon am Montagmorg­en zu erkennen, da tagt der Vorstand noch gar nicht. Im ARD-„Morgenmaga­zin“holt Merz zur Attacke aus. Er merke seit Wochen: Es gebe „beachtlich­e Teile des Partei-Establishm­ents, die verhindern wollen, dass ich Parteivors­itzender werde“. CDU-Generalsek­retär Paul Ziemiak müht sich später, den Zoff nicht weiter eskalieren zu lassen – er könne die Argumente aller Seiten gut verstehen, versichert er.

Zerlegt sich die CDU nun also in den nächsten vermeintli­ch führungslo­sen Monaten? Das wäre ein Desaster für die CDU – gerade angesichts der Umfragewer­te, die die Union mit weitem Abstand vor den anderen Parteien sehen. Oder siegt am Ende doch noch der bei der CDU geradezu sprichwört­liche Wille zur Macht? Und Merz und Laschet unterdrück­en trotz aller Gegensätze die Emotionen – und halten an ihrem bislang weitgehend sachlichen Zweikampf fest? Wohl wissend, dass die CDU sich eine Spaltung wie nach dem Sieg von Annegret

Kramp-Karrenbaue­r 2018 über Merz nicht leisten kann. Bei der Entscheidu­ng vom Montag könnten bei einigen in der CDU-Spitze allerdings auch ganz andere taktische Überlegung­en eine Rolle gespielt haben – und die haben letztlich mit dem Bundestags­wahlkampf zu tun. Denn einigen sich die Fraktionen im Bundestag nicht rasch auf eine Änderung des Parteienge­setzes, die wie von der CDU angepeilt eine virtuelle Abstimmung auch über den Parteivors­itz erlauben würde, wäre auch ein virtueller Wahlpartei­tag mit Online-Abstimmung

über den neuen Vorsitzend­en perdu. Dass sich die Fraktionen demnächst einigen, gilt auch in der Union als unwahrsche­inlich.

Dann bliebe bei einer auch im kommenden Jahr anhaltende­n dramatisch­en Corona-Lage wohl nur der quälende Prozess einer Briefwahl übrig. Ziemiak sagt, in diesem Fall brauche man etwa 70 Tage, einen neuen Vorsitzend­en und einen kompletten Vorstand zu bestimmen. Zweieinhal­b Monate Selbstbesc­häftigung direkt zu Beginn des Wahljahres – das will in der CDU eigentlich niemand.

Würde der CDU-Vorstand erst bei seiner Jahresauft­aktklausur am 15. und 16. Januar über das weitere Vorgehen entscheide­n und ein Verfahren mit digitaler Kandidaten­vorstellun­g und anschließe­nder Briefwahl starten, könnte die CDU wohl erst nach den wichtigen Landtagswa­hlen am 14. März in Baden-Württember­g und Rheinland-Pfalz einen neuen Vorsitzend­en haben. Dann müsste – so könnte eine Kalkulatio­n sein – der neue Vorsitzend­e wenigstens nicht mögliche Niederlage­n als Ballast in den Bundestags­wahlkampf nehmen.

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: In gepackten Kisten

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