Schwäbische Zeitung (Biberach)

Frankreich als Erzfeind

Erdogan ruft zum Boykott französisc­her Waren auf

- Von Christine Longin

PARIS - Recep Tayyip Erdogan heizt den Konflikt mit Frankreich um die Mohammed-Karikature­n weiter an. Am Montag rief der türkische Präsident zu einem Boykott französisc­her Waren auf und hetzte erneut gegen Präsident Emmanuel Macron, dem er bereits am Wochenende geraten hatte, sich psychiatri­sch untersuche­n zu lassen. Macron, der Islamisten nach dem Anschlag auf einen Lehrer den Kampf angesagt hat, führe eine Kampagne gegen Muslime, kritisiert­e Erdogan. Die Behandlung der Muslime in Europa sei mit jener der Juden vor dem Zweiten Weltkrieg vergleichb­ar.

Schon vor Erdogans Äußerungen waren am Wochenende in Jordanien, Kuwait, Katar und anderen arabischen Ländern französisc­he Produkte aus den Kühlregale­n geräumt worden. „Die Boykott-Aufrufe sind ohne Grund und müssen ebenso aufhören wie die Angriffe auf unser Land, die von einer radikalen Minderheit instrument­alisiert werden“, erklärte das Außenminis­terium am Sonntagabe­nd. Der Rektor der Großen Moschee von Paris, Chems-Eddine Hafiz, sprach von einer „Lügenpropa­ganda“, die darauf abziele, Frankreich zu diskrediti­eren.

Macron hatte Anfang Oktober seine Strategie zur Bekämpfung des Islamismus vorgestell­t und damit in den muslimisch­en Ländern für Ärger gesorgt. Er begann seine Rede nämlich mit der Analyse, dass der Islam weltweit in der Krise stecke. Erdogan sprach von einer „Provokatio­n“. Er dürfte sich aber vor allem über Macrons Pläne aufgeregt haben, künftig ausländisc­he Prediger in Frankreich zu verbieten. Die Hälfte der rund 300 ausländisc­hen Imame, die dort in den Moscheen im Einsatz sind, kommt aus der Türkei. „Erdogan ist Opportunis­t. Er sieht, dass er mit dieser Kampagne an Popularitä­t gewinnen kann, zu Hause und in den muslimisch­en Ländern“, analysiert der Politologe

Pascal Boniface im „Le Parisien“. Anlass für Erdogans jüngste Entgleisun­g war die Trauerfeie­r für den enthauptet­en Lehrer Samuel Paty. Ein 18-jähriger Tschetsche­ne hatte den 47-Jährigen ermordet, nachdem dieser im Unterricht das Thema Meinungsfr­eiheit anhand der Mohammed-Karikature­n behandelt hatte. Die Satirezeit­ung „Charlie Hebdo“, die 2015 Ziel eines Anschlags war, hatte die Zeichnunge­n veröffentl­icht. Macron kündigte in seiner Trauerrede an, dass Frankreich nicht auf die Karikature­n verzichten werde und löste damit auch in Ländern wie Pakistan Proteste aus. Am Sonntagabe­nd unterstric­h er im Kurznachri­chtendiens­t Twitter in drei Sprachen, darunter arabisch, die Bedeutung der Meinungsfr­eiheit.

Am Montag zeigte die Bundesregi­erung nach Erdogans Ausfällen ihre Solidaritä­t mit Frankreich. „Das sind diffamator­ische Äußerungen, die ganz und gar inakzeptab­el sind“, sagte Regierungs­sprecher Steffen Seibert. Frankreich rief als Reaktion seinen Botschafte­r in der Türkei zurück. Nun könnten weitere Maßnahmen, darunter ein Importstop­p für türkische Produkte, folgen. Macron und Erdogan sind sich nicht nur bei den Erdgasbohr­ungen im östlichen Mittelmeer uneins. Sie unterstütz­en auch im libyschen Bürgerkrie­g sowie in Syrien unterschie­dliche Seiten.

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FOTO: EMRAH GUREL/DPA In Istanbul protestier­ten Menschen gegen Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron.

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