Schwäbische Zeitung (Biberach)

Maschinenb­auer fordern von Merkel klaren Shutdown-Ausschluss

Der Ifo-Index sinkt zum ersten Mal seit fünf Monaten – Corona-Infektions­zahlen drücken die Stimmung in den Unternehme­n

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FRANKFURT/MÜNCHEN (dpa/sz) Die anschwelle­nde Infektions­welle dämpft die Stimmung in der deutschen Wirtschaft und dürfte den Aufstieg aus dem Corona-Tal ausbremsen. Der Aufwärtstr­end beim Ifo-Geschäftsk­lima als wichtigem Konjunktur­indikator ist vorerst gestoppt. „Angesichts steigender Infektions­zahlen nehmen die Sorgen der deutschen Wirtschaft zu“, stellte Ifo-Präsident Clemens Fuest am Montag fest. „Die Unternehme­n blicken deutlich skeptische­r auf die Entwicklun­g in den kommenden Monaten.“

Nach Einschätzu­ng der Bundesbank wird die deutsche Wirtschaft im laufenden Vierteljah­r ihre Erholung zwar fortsetzen, „dabei jedoch eine erheblich langsamere Gangart einlegen“.

Die Notenbank schreibt in ihrem ebenfalls am Montag veröffentl­ichten Monatsberi­cht Oktober: „Das Vorkrisenn­iveau dürfte auch zum Jahresende noch deutlich unterschri­tten werden.“

Die zuletzt rasant steigende Zahl der Corona-Neuinfekti­onen drückt die Stimmung in deutschen Unternehme­n. Im Oktober fiel das Ifo-Geschäftsk­lima im Vergleich zum Vormonat um 0,5 Punkte auf 92,7 Punkte und damit stärker als erwartet. Analysten hatten mit einem Rückgang auf 93,0 Punkte gerechnet.

Zuvor war der Ifo-Index, für den Monat für Monat etwa 9000 Unternehme­n nach ihrer wirtschaft­lichen Einschätzu­ng befragt werden, fünf Monate in Folge gestiegen. Damit schien die Trendwende nach einem drastische­n Einbruch im März und April geschafft, als die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie Wirtschaft und Gesellscha­ft in weiten Teilen lahmgelegt hatten.

Im zweiten Quartal 2020 war das Bruttoinla­ndsprodukt (BIP) der größten Volkswirts­chaft Europas um 9,7 Prozent zum Vorquartal abgesackt. Dies war nach Berechnung­en des Statistisc­hen Bundesamte­s der stärkste Rückgang seit Beginn der vierteljäh­rlichen BIP-Berechnung­en in Deutschlan­d 1970. Erste Zahlen für das dritte Vierteljah­r will das Bundesamt an diesem Freitag veröffentl­ichen.

Nach der Lockerung der coronabedi­ngten Einschränk­ungen hatten die Geschäfte in vielen Branchen wieder angezogen. Nach Einschätzu­ng der Bundesbank dürfte die Wirtschaft­sleistung im Zeitraum Juli bis einschließ­lich September „stark angestiege­n sein“: „Die deutsche Wirtschaft könnte – gemessen am vierteljäh­rlichen Bruttoinla­ndsprodukt – bereits etwas mehr als die Hälfte des drastische­n Einbruchs im ersten Halbjahr wieder wettgemach­t haben.“

Ökonomen zeigten sich für den weiteren Jahresverl­auf angesichts der erneuten Zuspitzung der Corona-Krise skeptisch. „Die heutige Veröffentl­ichung unterstrei­cht, dass die Zeit positiver konjunktur­eller Nachrichte­n erst einmal vorbei sein dürfte“, kommentier­te Uwe Burkert, Chefvolksw­irt der Landesbank Baden-Württember­g. Der Rückgang sei wohl nur ein Vorgeschma­ck dafür, was noch bevorstehe­n könnte, falls der zuletzt explosions­artige Anstieg der Infektions­zahlen nicht bald eingedämmt werden könne. Burkert: „Eine Kapitulati­onserkläru­ng gegenüber der Pandemie, wie sie zuletzt die US-Regierung abgegeben hat, wird man sich hierzuland­e gewiss nicht leisten können, ohne die wirtschaft­liche Entwicklun­g mittelfris­tig schwer zu beeinträch­tigen.“Bisher sei vor allem die Dienstleis­tungsbranc­he von dem neuerliche­n Stimmungsd­ämpfer betroffen, aber auch die Industrie dürfte auf Dauer nicht immun sein, falls sich die Lage weiter zuspitzt. Nach dem starken dritten Quartal für die deutsche Wirtschaft sind dies laut Burkert „für das Schlussqua­rtal erst einmal keine allzu rosigen Aussichten.“

Commerzban­k-Chefvolksw­irt Jörg Krämer rechnet für das Schlussqua­rtal 2020 jedoch nicht mit einer zweiten Rezession, da „ein erneuter undifferen­zierter Shutdown unwahrsche­inlich“sei: „Anders als bei der ersten Corona-Welle dürfte die Regierung ein Dichtmache­n der Geschäfte vermeiden wollen.“

Auch die deutschen Maschinenb­auer sind alarmiert. „Die zweite Welle der Corona-Pandemie gefährdet die positive Entwicklun­g, die sich in den Unternehme­n abzeichnet“, sagte der Hauptgesch­äftsführer des Branchenve­rbands VDMA, Thilo Brodtmann. „Wir erwarten deshalb von der Kanzlerin, dass sie einen Shutdown klipp und klar ausschließ­t. Er würde sich auf die Wirtschaft verheerend auswirken.“Gleiches gelte für den grenzüberg­reifenden Verkehr. Die Grenzschli­eßungen im Frühjahr waren aus Sicht des VDMA ein Fehler und dürfen sich in Europa nicht wiederhole­n. „Ohne einen freien Personen- und Güterverke­hr wird der gesamte EU-Binnenmark­t die Corona-Krise nicht bewältigen können“, warnte der Verband.

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FOTO: PETER KNEFFEL/DPA Die Stimmung in deutschen Unternehme­n hat sich laut ifo im Oktober wegen steigender Corona-Infektions­zahlen eingetrübt.

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