Schwäbische Zeitung (Biberach)

Mode ist mehr als Rüschen und Bügelfalte

Die Ausstellun­g „Fashion?! Was Mode zu Mode macht“im Landesmuse­um Württember­g

- Von Adrienne Braun

STUTTGART - Am Geld wird es nicht gelegen haben. Schließlic­h hat es Steve Jobs, der Mitbegründ­er von Apple, zum Milliardär gebracht. Seine Birkenstoc­k-Schlappen scheint er trotzdem geliebt zu haben – was man ihnen deutlich ansieht. Nun stehen die abgetragen­en Latschen im Landesmuse­um Württember­g und beweisen, dass sogar im Silicon Valley Gesundheit­sschuhe Made in Germany getragen werden.

Bekleidung ist heute weit gereist. Ein schlichtes T-Shirt hat in der Regel 30 000 Kilometer hinter sich, wenn es in Deutschlan­d in den Laden kommt. Und da es im Durchschni­tt nur 163 Mal getragen wird, ist der ökologisch­e Fußabdruck gewaltig, den so ein Stück Stoff in der Welt hinterläss­t. Eine von vielen Facetten rund um das Thema Kleidung, die die Große Landesauss­tellung „Fashion?! Was Mode zu Mode macht“im Alten Schloss in Stuttgart ins Visier nimmt. Das Landesmuse­um Württember­g stellt auf höchst anregende Art Weise die verschiede­nen Aspekte der Kleidung vor, vom glitzernde­n Zirkus auf dem Catwalk über Modefotogr­afie bis hin zu Stil-Ikonen und Influencer­innen.

Die Ausstellun­g spannt den Bogen von den 1950er-Jahren bis in die Gegenwart, schreitet die Entwicklun­gen aber nicht lehrbuchha­ft ab, sondern hat die thematisch­en Kapitel mit viel Glamour inszeniert und sich bemüht, das Publikum auf vielerlei Weise einzubinde­n und anzuregen. So werden die Besucher zum Beispiel um ihre Meinung gebeten, wie sie sich über Mode informiere­n, wie sie einkaufen, was sie inspiriert. Im Lauf der Wochen wird sich anhand der Aufkleber zu den jeweiligen Positionen ein Stimmungsb­ild ablesen lassen, wie die Bevölkerun­g in Sachen Kleidung tickt.

Mode geht uns alle an, das ist die Botschaft dieser Ausstellun­g, die sich keineswegs um Rüschen und Bügelfalte­n dreht, um Hosenschni­tte und Krawattenb­reite, sondern die mitten im Alltag ansetzt und bewusst macht, wie groß die gesellscha­ftliche Tragweite des Themas ist – selbst wenn einer immer nur das trägt, was im Schrank oben liegt. Ob es Statements aus der Bevölkerun­g sind, die zitiert werden, ob es ein Kleid von Sisi ist oder teure Designermo­de – es wird auf vielerlei Weise erzählt, wie Kleidung gesellscha­ftliche Normen untermauer­n kann und wie sie manchmal auch Kategorien sprengt. So ist das imposante Kleid zu sehen, mit dem Conchita Wurst, die Diva mit Vollbart den European Song Contest 2015 moderierte und weltweit für Schlagzeil­en sorgte. Auch als zum ersten Mal ein Model mit Kopftuch auf den Laufsteg ging, war das weniger ein modisches als ein politische­s Statement.

Auch wenn Mode ein internatio­nales System ist, schlägt die Ausstellun­g immer wieder Bögen in die Region und stellt Projekte vom Vintage-Markt oder Kleidertau­schpartys vor, erinnert an die Esslinger Modefotogr­afin Walde Huth oder das Stuttgarte­r Unternehme­n Bleyle, das einst der größte Hersteller von „Strick- und Wirkware“war. So spricht diese Ausstellun­g ganz unterschie­dliche Interessen an, beleuchtet hier den globalen Markt, dort ökologisch­e Fragen. Der eine wird die Lederjacke von Arnold Schwarzene­gger aus „Terminator 2“bewundern, der andere sich eher für die veganen Sneakers aus Naturkauts­chuk interessie­ren. Wer mag, kann sich auf einem Catwalk sogar in Stimmung bringen lassen beim „Voguing“. Bei dem Tanzstil, den die New Yorker Schwulensz­ene in den Achtzigerj­ahren entwickelt­e, wurden Models aus der Vogue kopiert.

Nur Anfassen ist in Zeiten von Corona leider verboten, dabei würde man schon gern wissen, wie sich der Stoff aus recycelten PET-Flaschen anfühlt oder der Vorhang aus Sojabohnen. Ein Grund mehr, sich vielleicht doch mal Kleidung aus umweltfreu­ndlichen Materialie­n zu kaufen – anstelle weit gereister Chemiecock­tails.

Ausstellun­g bis 25. April im Landesmuse­um Württember­g im Alten Schloss in Stuttgart, geöffnet Di, Mi 10 bis 17 Uhr, Do 10 bis 21 Uhr, Fr bis So, Feiertage 10 bis 18 Uhr, Mo geschlosse­n, außer an Feiertagen. Es wird um eine Online-Reservieru­ng für ein bestimmtes Zeitfenste­r gebeten.

„Fashion?! Was Mode zu Mode macht.“ www.landesmuse­um-stuttgart.de

Newspapers in German

Newspapers from Germany