Schwäbische Zeitung (Biberach)

Papa ist der Beste

Ein wunderbare­r Anti-Problemfil­m: Sofia Coppolas „On the Rocks“für den Streamingd­ienst Apple TV+

- Von Rüdiger Suchsland

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um ersten Mal seit 17 Jahren haben Sofia Coppola und Bill Murray wieder einen Film miteinande­r gedreht. Wie „Lost in Translatio­n“ist der für den Streamingd­ienst Apple TV+ produziert­e „On the Rocks“eine heiter-melancholi­sche Komödie, und wieder spielt Murray an der Seite einer jüngeren Frau. Diese ist dieses Mal aber nicht Scarlett Johansson, sondern Rashida Jones, die seine Tochter Laura verkörpert und gerade ein paar Sorgen hat. Mit ihrer Arbeit als Schriftste­llerin kommt sie nicht weiter, dafür macht sie sich Gedanken um ihre zwei Kinder und ihren Mann Dean (Marlon Wayans), den sie verdächtig­t, ein Verhältnis mit seiner attraktive­n Bürokolleg­in zu haben. Scheinbare Indizien gibt es dafür genug, wie es oft der Fall ist, wenn eine Beziehung altert, und beide mehr Zeit mit der Arbeit als miteinande­r verbringen.

Der Verdacht ist dabei gar nicht so stark. Trotzdem ermuntert Lauras Vater Felix (Murray) – ein Ex-Kunsthändl­er und Lebensküns­tler, der Bombay-Martini trinkt und ein knallrotes Alfa-Cabrio fährt – sie dazu, ihrem Gatten nachzuspio­nieren. Vielleicht nur aus dem Grund, weil ihm das Spiel mit den Möglichkei­ten Spaß macht, und er so wieder etwas mehr Zeit mit seiner Tochter verbringt.

Daraus entsteht schnell ein absurd werdendes Verstecksp­iel, das die Handlung vorantreib­t. Die Hauptsache ist aber das Zusammense­in der beiden Hauptfigur­en: die

Gespräche zwischen Tochter und Vater, die Erinnerung­en an kleine Momente, die das Leben ausmachen. „On the Rocks“ist ein Anti-Problemfil­m. Die Hauptfigur­en leiden unter keinerlei finanziell­en Problemen, sie gehören zu den oberen Zehntausen­d von New York. Coppola zeigt auch in „On the Rocks“die Beiläufigk­eit des Lebens. Inhaltslos ist der Film deshalb aber nicht.

Vielmehr erzählt die Regisseuri­n vom Verhältnis zweier Generation­en: über den Kleinmut der Jungen, in den 70er- und 80er-Jahren Geborenen, denen es materiell an wenig fehlt, dafür umso mehr an Utopien. Und die, anstatt ihre Problemfre­iheit zu genießen, ein schlechtes Gewissen über alle möglichen Banalitäte­n entwickeln. Die aber auch egozentris­ch und von einem Perfektion­ismus getrieben sind, der sie unglücklic­h macht.

Demgegenüb­er steht die Freiheit der Alten, der Post-68er, die in den „trentes glorieuses“, den glorreiche­n 30 Jahren nach dem Krieg, aufwuchsen. Von Wirtschaft­snot wussten sie nichts mehr, Ökoängste und Utopieverl­ust kannten sie noch nicht. Unmoralisc­h, besserwiss­erisch und im Innersten anarchisti­sch sind sie, während ihre Kinder mit ihrem Moralismus, ihrer puritanisc­hen Regelsehns­ucht und Angst vor Fehlern daneben alt und spießig aussehen.

Coppola schildert dies alles wie gewohnt mit viel Sensibilit­ät, gleichzeit­ig aber unaufdring­lich. Keiner hat hier mehr recht als der andere. Und an der Liebe zwischen Vater und Tochter besteht über alldem kein Zweifel. Von den Schauspiel­ern überzeugt vor allem Murray als Lebemann Felix, dem er eine stoische Nonchalanc­e verleiht. Wie eine Komödie von Ernst Lubitsch wird „On the Rocks“dadurch zu einer sehr souverän gezeigten Unterhaltu­ng.

Als Kunstwerk betrachtet ist er dennoch kein großer Film, sondern eher eine kleine Fingerübun­g. Man sieht „On the Rocks“tatsächlic­h an, dass er mit Apple TV+ für einen Streamingd­ienst gemacht wurde. Es gibt viel mehr Dialoge als ansonsten in einem Coppola-Film, und alles ist auch außerorden­tlich brav geschnitte­n. Ein Zwischenwe­rk, gut bezahlt von Apple, wo man sich mit großen Namen schmücken möchte.

Natürlich kann man sich fragen, ob diese kleine, feine, irgendwie banale, aber gut beobachtet­e Geschichte die Zuschauer auch über das Verhältnis der Regisseuri­n Sofia Coppola mit ihrem Vater, dem Hippie Francis Ford, erzählt. Aber derlei Privates ist nur etwas für die Klatschspa­lten und im Grunde völlig unwichtig.

„On the Rocks“zu sehen.

ist auf Apple TV+

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FOTO: JOJO WHILDEN/COURTESY OF APPLE/DPA Regisseuri­n Sofia Coppola (links) bei den Dreharbeit­en mit Rashida Jones und Bill Murray.

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