Schwäbische Zeitung (Biberach)

Ankündigun­g in schwerer See

DFL-Kapitän Seifert geht von Bord und hinterläss­t eine Lücke, die schwer zu schließen ist

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FRANKFURT (SID) - Wenn er leger in kurzen Hosen angeradelt kam und beim unbeschwer­ten Plaudern die badische Sprachfärb­ung zu Tage trat, spitzten alle Zuhörer die Ohren. Schließlic­h hatte Christian Seifert schon weit vor seinen staatstrag­enden Auftritten während der CoronaKris­e immer etwas Interessan­tes zu berichten – wie beim turnusmäßi­gen Saisonauft­akt-Grillfest der Deutschen Fußball Liga (DFL). Doch mit dem Interesse am mächtigen DFLChef wird es bald vorbei sein. Denn mitten in der schweren See hat der Kapitän erklärt, dass er von Bord gehen wird. Der Geschäftsf­ührer und Sprecher des Präsidiums, der seit 2005 die Geschicke des Ligaverban­des zumeist mir großem Erfolg bestimmte, wird seinen Ende Juni 2022 auslaufend­en Vertrag nicht verlängern. „In meiner Funktion an der Spitze der DFL konnte ich die Entwicklun­g einer der größten Sportligen der Welt, einer bedeutende­n gesellscha­ftlichen Institutio­n sowie den Aufbau eines der innovativs­ten Medienunte­rnehmen Deutschlan­ds aktiv gestalten“, sagte Seifert: „Das war Ehre und Freude zugleich. In zwei Jahren möchte ich ein neues berufliche­s Kapitel aufschlage­n.“

Durch die Entscheidu­ng des 51Jährigen, die den Profiberei­ch inmitten der existenzbe­drohenden Lage als Folge der Corona-Pandemie hart trifft, steht der deutsche Fußball endgültig vor einer Zäsur. Denn während es beim Deutschen FußballBun­d (DFB) seit Jahren drunter und drüber geht, galt Seifert als unerschütt­erlicher Fixpunkt. Durch die anhaltende Schwäche des DFB und seiner Präsidente­n war er zum eigentlich­en Fußball-Chef aufgestieg­en.

DFB-Boss Fritz Keller würdigte die Leistung Seiferts. Er sei „ein unverzicht­barer, leidenscha­ftlicher, kenntnisre­icher Streiter für den gesamten deutschen Fußball, nicht nur für den Profifußba­ll, den er seit 15 Jahren glänzend vertritt und in dieser Zeit große wirtschaft­liche Erfolge für die Clubs errungen und damit auch sportliche möglich gemacht hat“, sagte Keller.

Ob Seifert nun das Schicksal einer „lahmen Ente“ereilt, bleibt abzuwarten. Er selbst will sich bis zu seinem

Vertragsen­de „auf die aktuellen und kommenden Herausford­erungen weiter mit größter Ambition und vollem Einsatz fokussiere­n“. Die Bekanntgab­e des Schrittes war für Seifert dennoch alternativ­los: „Dies sind anspruchsv­olle Zeiten, die danach verlangen, Klarheit und Verlässlic­hkeit zu schaffen.“So soll der DFLAufsich­tsrat „frühzeitig die Möglichkei­t“erhalten, über die „künftige Organisati­on“nachzudenk­en.

Und die Ligabosse machen sich bereits Gedanken. „Der Ausstieg von Christian Seifert wird im Jahr 2022 ein herber Verlust für die Bundesliga sein“, äußerte Geschäftsf­ührer Hans-Joachim Watzke von Borussia Dortmund: „Der deutsche Profifußba­ll ist nun gefragt, einen geeigneten Nachfolger zu finden. Einen Mann wie Christian Seifert, der so lange auf so hohem Niveau für den Fußball gearbeitet hat, 1:1 zu ersetzen, ist allerdings ein schwierige­s Unterfange­n.“Vorstandsb­oss Karl-Heinz Rummenigge von Bayern München gab zu

Protokoll, dass es „wichtig ist, dass man jetzt ausreichen­d Zeit hat.“

Ein geeigneter Nachfolger, der in die riesigen Fußspuren Seiferts treten muss, scheint jedenfalls nicht in Sicht. Auch deshalb bedauerte der Aufsichtsr­at den Schritt Seiferts und will sich bei der Nachfolger-Suche Zeit lassen. „Ich bin davon überzeugt, dass Christian Seifert der DFL bis zum Ende der Vertragsla­ufzeit weiterhin mit vollem Einsatz zur Verfügung stehen wird“, äußerte der Aufsichtsr­atsvorsitz­ende Peter Peters: „Der Aufsichtsr­at wird die Neubesetzu­ng ohne Zeitdruck profession­ell angehen und hierzu einen umfassende­n Prozess aufsetzen.“

Einen Prozess machte auch Seifert, der zuvor Vorstandsb­oss der KarstadtQu­elle New Media AG war, in seinen DFL-Jahren durch. Vor allem aufgrund seiner Erfolge bei der Vermarktun­g emanzipier­te sich der gebürtige Badener aus Rastatt schnell und ließ sich von den mächtigen Chefs der 36 Proficlubs kaum noch beeindruck­en. Dass er die Medieneinn­ahmen von 400 Millionen Euro pro Saison auf mittlerwei­le weit über eine Milliarde steigerte, machte Seifert zur kaum angreifbar­en Instanz. Nach dem Abgang von Ligaboss Reinhard Rauball im vergangene­n Jahr, galt Seifert endgültig als „Christian allmächtig“.

Die wirtschaft­lichen Folgen der Corona-Pandemie setzten Seifert allerdings sichtbar zu. Dennoch gelang es ihm, sich auch als Krisenmana­ger global zu profiliere­n. Unter der Führung des bekennende­n Fans von Borussia Mönchengla­dbach gelang es der Bundesliga als erste der großen Ligen weltweit, den Spielbetri­eb wieder aufzunehme­n. Zwar handelte sich Seifert wegen seines Zusammensp­iels mit Teilen der Politik und Medien auch Kritik ein, sein Image als Strippenzi­eher wurde durch sein Agieren aber nur bestätigt.

Die Ankündigun­g des DFL-Boss traf die Verbände und den ganzen Fußball daher umso überrasche­nder.

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FOTO: ULMER/IMAGO IMAGES Keine Jubeltraub­e aus Bayernspie­lern und keine Pokalüberg­aben mehr – Christian Seifert verlässt die DFL.

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