Schwäbische Zeitung (Biberach)
Teurer Turm, fesches Feuerwehrhaus
Steuerzahlerbund kritisiert Ulm, Aalen und Weingarten wegen Verschwendung
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STUTTGART - Ein teurer Turm, ein fesches Feuerwehrhaus und ein Festival mit Finanzlücke: Jedes Jahr sammelt der Steuerzahlerbund Fälle, in denen aus seiner Sicht Steuergeld verschwendet wurde. Am Dienstag hat der Verein sein „Schwarzbuch 2020/2021“vorgelegt. Auch Beispiele aus dem Süden Deutschlands haben es ins Jahrbuch geschafft.
Wenn der Staat fragwürdige Investitionen tätigt, hebt der Bund der Steuerzahler seit Jahrzehnten mahnend den Zeigefinger. Grundsätzlich befürworte er nun die Staatshilfen während der Corona-Pandemie, betonte Präsident Reiner Holznagel am Dienstag in Berlin bei der Vorstellung des neuen Schwarzbuchs. Dadurch steige aber die Neuverschuldung der öffentlichen Haushalte in neue Höhen. Zudem sei die Auszahlung von Soforthilfen zum Teil mangelhaft, was Missbrauch fördere. Vor allem eine Beteiligung des Staats bei Firmen sei riskant und müsse daher an genauere Bedingungen geknüpft werden, sagte Holznagel mit Blick auf die jüngsten Beteiligungen an der Fluglinie Lufthansa oder dem Touristikkonzern TUI.
Scharfe Kritik übte Holznagel zudem am staatlich subventionierten Kohleausstieg bis 2038. Durch einen CO2-Preis wäre Kohleverstromung mittelfristig ohnehin wirtschaftlich unrentabel geworden. Durch den staatlich beschlossenen Ausstieg mit Entschädigungszahlungen für Energiekonzerne aber würden die Steuerzahler unnötig zur Kasse gebeten.
In die aktuelle Ausgabe des Schwarzbuchs hat der Verein acht Beispiele aus Bayern aufgenommen. Häufig handelt es sich dabei um Bauprojekte, deren Kosten aus dem Ruder gelaufen sind. Konkretes Beispiel: das
Der Stadtrat hatte 2016 beschlossen, das damals noch städtische Theater für 186 Millionen Euro zu sanieren. Jetzt rechnet die Stadt mit 320 Millionen Euro. „Ein Fass ohne Boden“, sagt Maria Ritch, Landes-Vizepräsidentin des Steuerzahlerbunds in Bayern. „Jeder private Bauträger würde in die Insolvenz gehen, wenn er so planen und so mit den Kosten umgehen würde.“
Ins Visier nimmt der Verein auch die
Diese will 3000 staatliche Stellen in strukturschwache ländliche Regionen im Freistaat verlagern. Ob dafür Kosten „mindestens in dreistelliger Millionenhöhe“gerechtfertigt seien, stellt der Steuerzahlerbund in Frage. Zumal bisher gut funktionierende Verwaltungen geschwächt werden könnten. So würden etwa Teile des
Staatstheater in Augsburg.
Staatsregierung in München.
Bau- und Verkehrsministeriums nach Augsburg ausgelagert.
Aus Baden-Württemberg stammen neun Beispiele für Verschwendung von Steuergeld, drei davon aus dem Gebiet der „Schwäbischen Zeitung“. Da ist zum einen die Stadt
die im vergangenen Jahr ein „Ostalb-Festival“im Waldstadion mit insgesamt 238 000 Euro bezuschusst hat. Während der Planungen für das Festival 2018 hatte die Stadt eine pauschale Unterstützung von 63 000 Euro zugesichert. „Die Zuschauerresonanz war jedoch geringer als erwartet: Es kamen nur rund 20 000 Besucher“, erklärt der Steuerzahlerbund. Um das Defizit auszugleichen, hat
Aalen,
der Gemeinderat weitere 175 000 Euro nachgelegt. 100 000 Euro hiervon wollte die Stadt über mehrere Jahre zurückfordern. Wie die „Aalener Nachrichten“berichteten, hat der Gemeinderat dieses Konzept aber gekippt und in einen einmaligen Zuschuss verwandelt. Pikant an der Geschichte: Der Veranstalter des Festivals ist Armin Abele. Er leitet die Veranstaltungsagentur Ventura und sitzt für die CDU im Gemeinderat. Eine Stadt-Sprecherin betont, „dass das Regierungspräsidium alle Unterlagen zum Sachverhalt geprüft hat und nichts zu beanstanden hatte“.
Verschwendung hat der Steuerzahlerbund auch in ausgemacht.
Ulm
Es geht um einen Aussichtsturm zum 250. Geburtstag von Albrecht Berblinger, der als „Schneider von Ulm“für seine Erfindungen vor allem von Fluggeräten bekannt wurde. Er wollte schwebend die Donau überqueren. „Das Denkmal in Form einer Spindeltreppe aus Stahl am Ulmer Donauufer erinnert an die Stelle, wo Albrecht mit seinem Flugapparat absprang“, erklärt der Steuerzahlerbund. Die Stadt hatte dafür pauschal 500 000 Euro angesetzt. Die Annahmen des Statikers, der von den Künstlern beauftragt war, seien aber unrealistisch gewesen. „Die Folgen: eine Überarbeitung samt erheblicher Kostensteigerung“auf 750 000 Euro, die die Stadt mit Steuergeld stemmte. „,Augen zu und durch’ lautete offenbar irgendwann das Motto.“Die Stadt sieht sich bestätigt: „Die Resonanz von Bürgern und Besuchern zeigt uns, dass es richtig war, den Turm trotz gestiegener Kosten zu errichten“, betont eine Sprecherin.
Und dann ist da noch das Feuerwehrhaus in Bereits 2012 hatte die Freiwillige Feuerwehr eine Sanierung plus Ausbau des 30 Jahre alten Gebäudes beantragt. „Die Entwicklung der voraussichtlichen Kosten für das Projekt kann nur als dramatisch bezeichnet werden“, heißt es dazu im Schwarzbuch. Ursprünglich war von 4,1 Millionen Euro die Rede. Als der Gemeinderat 2018 dem Bau zustimmte, legte er einen Kostendeckel von 5,7 Millionen Euro fest. Den verwarf das Gremium im Herbst 2019, nachdem Probleme vor allem mit dem Grundstück auftauchten – es gab Altlasten und ein Hang musste gesichert werden. Nun waren die Kosten auf 8,1 Millionen Euro angewachsen. Weitere Steigerungen seien aber selbst in diesem Betrag gar nicht berücksichtigt, hatte ein externer Berater festgestellt – vor allem bei den Baupreisen. Im Raum stand plötzlich eine Summe von mehr als zehn Millionen Euro. Die Stadt sucht nach Einsparmöglichkeiten. „Zuletzt ging man von Kosten von mindestens 8,7 Millionen Euro aus“, so der Steuerzahlerbund.
Auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“antwortet eine Sprecherin der Stadt umfänglich. „Was man sicher sagen kann: Aufgrund des langen Projektzeitraums kam es zu empfindlichen Kostensteigerungen bei den anfallenden Nebenkosten.“Die branchenüblichen 20 bis 25 Prozent seien aufgrund der derzeitigen Marktlage und der Komplexität der Baumaßnahme auf circa 36 Prozent gestiegen. Ihr Ausblick: „Die ersten Ausschreibungen laufen derzeit und wir freuen uns, dass das Projekt mit Baubeginn Anfang 2021 – dann nicht nur medial – Fahrt aufnehmen wird.“
Weingarten.