Schwäbische Zeitung (Biberach)

„Lockdown trifft auch die, die sich an die Regeln halten“

Weshalb sich eine Biberacher Gastronomi­n nur schwer mit einer erneuten Schließung abfinden könnte

- Von Gerd Mägerle

BIBERACH - „Lockdown light“, „Wellenbrec­her-Shutdown“– seit Wochenbegi­nn kursieren verschiede­ne Szenarien durchs Land für das, was Kanzlerin und Ministerpr­äsidenten an diesem Mittwoch womöglich beschließe­n wollen. Vor allem bei den Gastronome­n geht die Furcht um, wieder für längere Zeit schließen zu müssen. Mit einem kurzen Lockdown könne sie sogar leben, sagt Simone Göpper, die zusammen mit ihrer Zwillingss­chwester Manuela Ortlieb den Biberkelle­r in Biberach betreibt. „Aber wie geht es danach weiter?“, fragt sie sich beispielha­ft für viele Gastronome­n in diesen Tagen.

Simone Göpper hat einen großen Freundeskr­eis, der ihr bei Facebook folgt. Mehrfach hat sie dort in den vergangene­n Tagen Stellung bezogen, wie es ihr und ihrer Schwester mit der aktuellen Situation geht und welche Sorgen die beiden Gastronomi­nnen umtreiben. „Ich habe mich vorige Woche auch gefragt: Braucht es ausgerechn­et jetzt einen verkaufsof­fenen Sonntag und die Filmfestsp­iele“, sagt sie im Gespräch mit der SZ. Inzwischen sei ihr aber klar: „Wir können nicht alles zumachen. Wir müssen lernen, mit dem Virus zu leben, und dazu braucht es die Eigenveran­twortung jedes Einzelnen.“Sie finde es inzwischen richtig, dass die Händler die Chance erhalten hätten, auch mal am Sonntag öffnen zu können.

Für sie seien die vergangene­n sieben Monate die größte Lernkurve ihres Lebens gewesen, sagt Manuela Göpper. Sie habe Verständni­s für alle Maßnahmen gehabt und zusammen mit ihrer Schwester versucht, diese in ihrem Lokal strikt umzusetzen, „auch wenn wir dafür von manchem belächelt wurden“. Neben literweise Desinfekti­onsmittel, Gesichtsma­sken und Handschuhe­n hätten sie für den Winter in Heizer und Raumlüfter investiert. Sie hätten Umsatzeinb­ußen in Kauf genommen, sich neue Konzepte überlegt und sehen sich für die kalten Monate nun top vorbereite­t. „Wir haben für uns festgestel­lt, dass es mit den Regeln gut funktionie­rt hat. Hätten sich alle an alles gehalten, dann stünden wir vermutlich nicht da, wo wir jetzt sind“, vermutet Göpper.

Dieses Jetzt, das ist die Diskussion um einen „Lockdown light“oder ähnliche Schließsze­narien. Hier stelle sie die Verhältnis­mäßigkeit infrage, sagt die Gastronomi­n. „Denn es betrifft auch die, die sich an alles gehalten haben und die gerne die faire Chance bekommen würden, nun zu zeigen, dass sie das Gelernte gut umsetzen können.“

Sollte es zu einem Lockdown kommen, werde sie diesen dennoch akzeptiere­n. „Ich habe zunächst einmal Respekt vor denen, die Dinge entscheide­n müssen“, sagt Simone Göpper. „Wir haben in den vergangene­n Monaten gelernt, dass es nicht die eine Wahrheit oder die eine richtige Entscheidu­ng gibt. Im Rückblick würde man heute vermutlich manches anders machen.“

Sie sei kein Experte, könne sich aber vorstellen, dass ein ein- oder zweiwöchig­er Lockdown helfen könnte, die Infektions­welle zu brechen, sagt Göpper. Für Gastronomi­e und Handel brauche es dann aber weitere Finanzhilf­en. Die viel wichtigere Frage sei für sie aber, wie es danach weitergehe, denn das Virus sei ja auch dann nicht verschwund­en. „Und in diesem ständigen On-/OffModus weiterzuma­chen, wird nicht funktionie­ren“, sagt die Gastronomi­n.

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Für sie bleibe deshalb nur eine Konsequenz: „Die Menschen müssen über ihren Schatten springen, sich an die Regeln halten und lernen, zumindest mittelfris­tig mit dem Virus umzugehen.“Hierfür sei aber ein großer Zusammenha­lt notwendig, den sie aktuell aber nicht wirklich erkennen könne, so Göpper: „Ich befürchte gerade, dass die Diskussion eher in die Richtung geht, uns aufzureibe­n und uns zu spalten.“

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FOTO: GERD MÄGERLE Simone Göpper (r.) und Manuela Ortlieb betreiben seit rund zehn Jahren den Biberkelle­r in Biberach.

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