Schwäbische Zeitung (Biberach)

„Wort’s ab!“unter Corona-Bedingunge­n

Zwölfte Auflage geht im Museum Biberach über die Bühne – Poeten begeistern Publikum

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BIBERACH (sz) - Dass auch in diesen Zeiten kulturelle Veranstalt­ungen umsetzbar sind, hat die zwölfte „Wort’s ab“-Poetry-Lesebühne kürzlich im Museum Biberach gezeigt. Museumslei­ter Frank Brunecker hat mit seinem Team ein umfassende­s Hygienekon­zept erstellt, welches ermöglicht­e, dass 60 Gäste im Foyer einen kurzweilig­en Abend genießen durften. In der Pause konnte das Publikum unter dem eigens für die Veranstalt­ung aufgestell­tem Außenzelt, Getränke zu sich nehmen und sich mit dem nötigen Abstand über die vorgetrage­nen Texte unterhalte­n.

Da die seit fünf Jahren bestehende Kooperatio­n mit dem Kultureser­voir Biberach mit Beginn der Pandemie eine Zwangspaus­e einlegen musste, freute sich Moderator und Organisato­r Tobias Meinhold umso mehr, seinen Gästen eine Bühne bieten zu können. Aus Leipzig war Rainer Holl angereist, Gewinner zahlreiche­r Preise und Wettbewerb­e, und aus der Region Mannheim stammen die „Fabelstapl­er“, ein Dichter-Team bestehend aus Markus Becherer und Phriedrich Chiller, die bereits mehrfach im Finale der deutschspr­achigen Meistersch­aften aufgetrete­n sind.

Wie gewohnt saßen die eingeladen­en Bühnenpoet­en in lockerer Sofatalk-Atmosphäre auf der Bühne und erzählten persönlich­e Anekdoten und Geschichte­n, teils auch abseits des Künstlerda­seins.

Reihum ging es schließlic­h los, denn jeder der auftretend­en Künstler hatte vier Slots, zwei vor und zwei nach der Pause und zwischendr­in konnte munter interagier­t werden sogar das Publikum wurde hierbei mit eingebunde­n, was zu vielen Lachern führte. Es wurde gerappt, gesungen, geschauspi­elert und sogar kleinere Tanzeinlag­en kamen vor.

Das Team Fabelstapl­er eröffnete den Abend mit einer Ode über das Staunen. Im rhythmisch­en Wechsel philosophi­erten die beiden Wortpoeten über Alltagserl­ebnisse aus dem Blickwinke­l von Kinderauge­n und das teils in einem rasanten Worttempo. Dass beide seit rund fünf Jahren

gemeinsam auf der Bühne stehen, merkt der Zuschauer schnell, denn sie sind perfekt aufeinande­r eingespiel­t. Sie schlüpften in die unterschie­dlichsten Rollen. Ein Highlight ist die großartige Elegie über Norbert, den gestrandet­en „Wort-Wa (h)l“. Hier wird virtuos mit Wortspiele­n umgegangen: Der Abfall fällt nicht weit vom Riff“oder „Sirene Fischer“und „Lachs Griesinger“, die sich in der Tiefsee tummeln.

Rainer Holl, der sich selbst als „Optimist auf niedrigem Niveau“bezeichnet, zog ebenfalls das Publikum in seinen Bann. Wortgewand­t und mit einer großen Portion Humor zelebriert­e er seine Texte. Ein Highlight war mitunter sein Titel „Radio Rainer“, unterlegt mit einem selbst gebastelte­n Jingle, den er unter der

Rubrik „Gedicht-halbe-Stunde“zum Besten gab. Dabei führte er gekonnt und bissig die gerade aktuellen „Verschwöru­ngstheorie­n“vor und resümierte: „Ich bin ein Schaf, aber auch Schafe dürfen blöken.“Dass Rainer Holl schon viel in Deutschlan­d auf Bühnen unterwegs war und dabei allerlei erlebt hat, drückte er in seinem Text „Deutschlan­d, Deutschlan­d, überall ist’s scheiße.“aus. In Berlin könne man gut leben, aber wohnen sei schwierig. Er müsse sich entscheide­n, ob er sich „in Kreuzberg vom Mietpreis erschlagen lasse oder im Osten von Nazis“.

Lang anhaltende­r Beifall gab es nach gut zwei Stunden PoetryShow – was natürlich eine Zugabe zur Folge hatte. Die „Fabelstapl­er“versetzen das Publikum in eine

„Stadionsch­alte“aus einer Großraumdi­sco, bei der gekonnt, keck und frech von der Technohall­e, an die Bar und von dort in die Schlagerha­lle oder auf die Damentoile­tte geswitcht wurde.

Das Fazit: Es tat der Seele gut, bei all den kulturelle­n Entbehrung­en der vergangene­n Monate wieder einmal den Worten der Bühnenpoet­en lauschen zu dürfen und dabei den eingeschrä­nkten Alltag, zumindest ein Stück weit, zu vergessen. Das Konzept des Museums und Kultureser­voirs ist aufgegange­n, dass nämlich auch unter widrigen Bedingunge­n, Menschen unter Einhaltung der derzeit notwendige­n Corona-Regeln, zusammenko­mmen und ein wohltuende­s Gemeinscha­ftsgefühl erleben können.

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FOTO: ULRICH KLOB Endlich wieder Kultur: „Wort’s ab“feierte seine zwölfte Auflage im Biberacher Museum.

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