Schwäbische Zeitung (Biberach)
„Lockdown light“trifft Branchen hart
Restaurants und Fitnessstudios schließen ab Montag – Viele Investitionen im Vorfeld getätigt
BIBERACH - Der ●„Lockdown light“trifft Betreiber von Restaurants, Bars, Fitnessstudios und Kinos hart. Aber auch die Stadtverwaltung und die Kirchen haben mit den Auflagen zu kämpfen. Ab Montag, 2. November, liegt des gesellschaftliche Leben auch in Biberach nahezu wieder brach. Wie die Betroffenen dazu stehen, die SZ hat nachgefragt.
Gastronomie: Für die Gastronomie ist die erneute Schließung wie ein Schlag ins Gesicht. Viele haben nach dem ersten Shutdown in ihre Bars, Restaurants und Cafés investiert, um ihre Gäste coronakonform zu empfangen. Nun wird das gesellschaftliche Leben wieder nahezu auf Null gefahren. Für Wolfram Pfeifer, Biberacher Gastronom und selbstständig in der Veranstaltungsbranche, absolut unverständlich: „Hier geht es um Existenzen, der Hoffnungsschimmer, den wir hatten, ist weg“, sagt der 38Jährige. „Ich hätte von der Politik erwartet, dass sie die Gastronomiebranche mit den aktuellen Verordnungen weiterlaufen lässt, von mir aus hätten sie schärfer kontrollieren können.“Man müsse einen gemeinsamen fairen Weg für alle finden.
Erst vor zwei Wochen hatte Wolfram Pfeifer sein Café Berlin in Biberach nach einer Umgestaltung mit neuem Konzept und Öffnungszeiten wieder geöffnet, jetzt muss er wieder schließen. Unter anderem gehört ihm auch die kleine Gaststätte Flughäfele in Birkenhard und er ist einer der Eigentümer des neuen Restaurants Motorworld Inn in Warthausen, ehemals Knopf und Knopf: „Auch unsere Mitarbeiter sind total verunsichert, sie wissen nicht, was kommt, ihnen fehlen Perspektiven im Leben“, so Pfeifer. Von seiner anderen Tätigkeit als Selbstständiger in der Veranstaltungsbranche will er gar nicht sprechen: „Ursprünglich hatte ich hier mit mehr als 40 Hochzeiten geplant, doch seit acht Monaten steht alles still.“
Auch Ludwig Zwerger, Vorsitzender der Kreisstelle Biberach des Hotelund Gaststättenverbands DEHOGA und Inhaber des Ringhotels Mohren in Ochsenhausen, weiß nicht mehr, was er dazu noch sagen soll: „Die Branche hat sich an alle Vorgaben und Auflagen gehalten, hat umgerüstet und die Entscheidungen der Politik mitgetragen und dafür werden wir jetzt wieder bestraft.“Das Einzige, was ihn nicht verzweifeln lässt, ist die Aussage der Bundeskanzlerin, dass die Gastronomen für den kommenden Montag 75 Prozent ihres Umsatzes aus dem Novembergeschäft von 2019 erstattet bekommen. „Wenn das wirklich die Wahrheit ist, dann kann sich kein Gastronom beschweren“, sagt Zwerger. „Dann lasse ich im Dezember auch noch zu, da habe ich mehr davon.“Aber natürlich sei das nicht die Lösung für die Branche: „Wir wollen schließlich für unsere Gäste da sein, für sie kochen und sie bewirten.“
Ähnlich sieht das auch Wolfram Pfeifer: „Wenn wir diese 75 Prozent bekommen, ist das aus wirtschaftlicher Sicht ein fairer Weg, aber gesellschaftlich ein absoluter Tiefpunkt. Er stelle sich auch die Frage, aus welchem Geldbeutel das wiederum bezahlt werden solle.
Fitnessbranche: Und erneut müssen auch die Fitnessstudios wieder schließen. „Es ist wie ein Déjà-vu, das haben wir ja alles schon erlebt“, sagt Christian Borst vom Leitungsteam der Sportfabrik in Mittelbiberach. „Nur, dass wir dieses Mal besser vorbereitet sind, weil wir die Konzepte bereits ausgearbeitet haben.“Das Ganze sei sehr ärgerlich, aber man müsse das Beste daraus machen. „Wir hoffen auf die Solidarität und das Verständnis unserer Mitglieder“, so der Fitnesscoach. „Wir bieten im kommenden Monat wieder ein OnlineKursprogramm an und hoffen, dass wir wenigstens den Tennisbetrieb und das EMS-Training irgendwie aufrechterhalten können.“Die Mitarbeiter bleiben weiter beschäftigt, werden aber in Kurzarbeit geschickt. „Dann hoffen wir mal, dass es nur bei einem Monat bleibt“, so Borst.
Stadtverwaltung: Um festzulegen, wie die Arbeit der Stadtverwaltung und des Gemeinderats in den nächsten Wochen aussieht, warte man noch auf die entsprechende Verordnung von Landesseite, sagte die städtische Pressesprecherin Andrea Appel. Dass der Veranstaltungsbetrieb in der Stadthalle und eine Öffnung des Museums ab 2. November nicht mehr möglich sind, scheine klar zu sein. „Unser Bürgerservice im Rathaus sollte nicht von einer Schließung betroffen sein. Hier werden wir aber noch mehr als bisher darauf achten, dass sich nur wenige Menschen im Rathausfoyer auf- und die entsprechenden Abstände einhalten“, so Appel. Grundsätzlich empfehle sie bei Behördengängen eine vorherige Terminvereinbarung.
Ebenfalls noch unklar sei, wie der Gemeinderat in den kommenden Wochen weiterarbeiten kann. Im November stehen eigentlich die wichtigen Beratungen des städtischen Haushalts für 2021 an. „Ich gehe davon aus, dass es eine Ausnahmeregelung geben wird, die es uns erlaubt, Sitzungen, die zur Aufrechterhaltung des öffentlichen Lebens notwendig sind, auch abzuhalten“, so die Pressesprecherin, „natürlich unter den erforderlichen Auflagen“. Bürgermeister und Dezernenten würden am Montag besprechen, wie das genaue Prozedere aussehen soll.
Änderungen werden sich möglicherweise auch für den Kommunalen Ordnungsdienst (KOD) ergeben, der angehalten ist, die Einhaltung der Einschränkungen schärfer zu kontrollieren. „Wir haben die Zeiten, in denen die Mitarbeiter auf Streife sind, zuletzt bereits vom Abend mehr in den Tag hinein verlegt“, sagt Appel. Wenn die Gastronomie nicht geöffnet habe, brauche man dort nicht zu kontrollieren, sondern könne tagsüber eine Auge auf Straßen und öffentliche Plätze haben. Ob auch Spiel- und Bolzplätze gesperrt werden müssen, konnte die Stadt am Donnerstag noch nicht beantworten.
Kirchen: Erleichtert zeigen sich die Stadtpfarrer Stefan Ruf (katholisch) und Ulrich Heinzelmann (evangelisch) darüber, dass Gottesdienste im November weiter stattfinden dürfen. Er finde das, was gerade passiere, unter sozialen Gesichtspunkten sehr schwierig, so Ruf. „Der Mensch ist ein Wesen, das Gemeinschaft braucht. Ich bin froh, dass wir als Kirche in dieser Situation da sein können.“Wenn die Kirche verstumme, dann verstumme der Herzschlag einer Kultur. Zwar gelten strenge Regeln für den Besuch von Gottesdiensten (Anmeldung, Maske, Abstand), er wisse aber, dass es vielen Menschen wichtig sei, ihren Glauben trotz dieser Einschränkungen zu leben. Er danke in diesem Zusammenhang auch den Mesnern und Ehrenamtlichen, die dies den Gottesdienstbesuchern ermöglichen. Im Übrigen seien die Kirchenräume tagsüber geöffnet und die Pfarrbüros erreichbar, so Ruf. Auch die Öffnung der Kindergärten sei ein wichtiges Signal , um die Eltern zu entlasten und für die Entwicklung der Kinder.
„Es herrscht insgesamt ein Gefühl der Verunsicherung“, sagte sein evangelischer Amtsbruder Heinzelmann. Trotz allem freue er sich, dass Gottesdienste weiter möglich sind. „Das ist schön, ermutigend und tröstlich, auch wenn ich weiß, dass sich derzeit längst nicht alle in die Kirche trauen, die gerne einen Gottesdienst besuchen würden.“Denen, die da seien, tue dieses „Auftanken“aber gut. „Das ist vielen ein Bedürfnis, das ein virtueller Gottesdienst nicht ersetzen kann“, so Heinzelmann. In Sorge sei er, dass es bei Beerdigungen wieder eine Beschränkung der Zahl der Trauergäste geben könnte. „Das wäre wirklich schlimm“, sagt Heinzelmann.