Schwäbische Zeitung (Biberach)
Der Handel bleibt offen, doch die Stimmung ist gedrückt
Supermärkte sehen sich gut aufgestellt – Warum Handel und Gastronomie einander brauchen
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BIBERACH - Während Gastronomie, Kultureinrichtungen und Fitnessstudios im November erneut schließen müssen, bleiben Geschäfte diesmal offen. Mit diesen Maßnahmen möchten Bund und Länder das Corona-Infektionsgeschehen bremsen. Sorgt diese Entscheidung bei Biberacher Händlern für Erleichterung? Die Antwort auf diese Frage ist schwieriger, als es im ersten Moment erscheinen mag. Denn für eine Belebung der Innenstadt brauchen Handel und Gastronomie einander.
„Wir in der Innenstadt sind eine Gemeinschaft“, sagt Friedrich Kolesch, Modehändler und stellvertretender Vorsitzender der Werbegemeinschaft. Er rechne mit einen größeren Einbruch für den Einzelhandel. Vor allem störe ihn das Mahnen der Politik, zu Hause zu bleiben. Das sei ein „Lockdown durch die Hintertür“, so der Händler. Er habe den Verdacht, die Politik lasse den Einzelhandel nur offen, um nicht auch noch seiner Branche fehlende Umsätze ersetzen zu müssen. Ansteckungen in der Gastronomie und im Kulturbereich hätte es fast nicht gegeben, erläutert Kolesch und verweist auf eine Studie des baden-württembergischen Sozialministeriums. „Für die Betroffenen tut es mir unendlich leid“, sagt er.
Natürlich seien sein Team und er froh, weiterhin offen haben zu dürfen. „Alles andere wäre auch unverhältnismäßig gewesen“, sagt der Modehändler. Die Regel, ein Kunde pro zehn Quadratmeter, empfindet er als unproblematisch. Er appelliert an die Kunden, weiter bei Händlern vor Ort einzukaufen und To-Go-Angebote der Gastronomie zu nutzen.
Das Bewusstsein über die Wichtigkeit des stationären Handels sei da, sagt Christian Heinzel vom gleichnamigen Sportgeschäft und Vorsitzender der Bibercard. „Wir hoffen, dass die Biberacher den ein oder anderen Klick weiterhin in der Stadt lassen.“Auch er fürchtet, dass sich durch die Gastronomie-Schließung weniger Menschen in der Stadt aufhalten und damit auch die Umsätze in den Läden sinken. Laut ihm hat die Frequenz in der Stadt im Vergleich zum Vorjahr ohnehin schon zwischen 30 und 40 Prozent eingebüßt. Die neuen Beschränkungen verunsicherten die Menschen weiter.
Die Regel, ein Kunde pro zehn Quadratmeter, führt bei den Supermärkten zu keinen Problemen. „Die neuen Regelungen haben auf die Rewe-Märkte keine relevanten, weitreichenderen Auswirkungen als bisher“, teilt das Unternehmen auf Anfrage mit. Sollten Beschränkungen nötig werden, kann dies durch Einlasskontrollen oder abgezählte Einkaufswagen oder -körbe geschehen. Die Warenversorgung sei gesichert, auch „wenn mal eine Stelle im Regal zeitweise leer sein sollte“.
Für seine Edeka-Märkte hält Martin Walke die Regelung ebenfalls für umsetzbar. Am Marktplatz zum Beispiel dürften 28 Kunden gleichzeitig drin sein. „Das ist in der Regel ausreichend“, sagt der Inhaber. Die Lager seien ordentlich gefüllt: „Die Erfahrungswerte aus dem Frühjahr haben wir ja jetzt.“Auch bei Trockenhefe, Klopapier, Mehl, Desinfektion und Seife sehe es vernünftig aus: „Ohne Panikkäufe hätten wir ohnehin kein Problem.“Supermärkte, die Profiteure der Krise? Diese These stimmt aus seiner Sicht nicht. Zwar verzeichne er insgesamt etwas mehr Umsatz, aber dem stehen Corona-Ausgaben von 150 000 Euro gegenüber. Das sei auf jeden Fall ordentlich, sagt Walke. „Zudem ist es für die Mitarbeiter eine psychische Belastung, sich Tag für Tag mit den Maskenverweigerern auseinanderzusetzen.“