Schwäbische Zeitung (Biberach)
Liebherr berät über Stellenabbau
Unternehmen will betriebsbedingte Kündigungen „möglichst“vermeiden – Gespräche laufen
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BAD SCHUSSENRIED - Vor einem Monat gab Liebherr bekannt, dass das Unternehmen am Standort Bad Schussenried 100 Stellen in der Stammbelegschaft abbauen will. Um diesen Stellenabbau möglichst sozialverträglich zu gestalten, laufen seitdem intensive Gespräche zwischen der IG Metall, dem Betriebsrat und der Geschäftsführung. Wie das Unternehmen auf SZ-Anfrage mitteilt, sollen betriebsbedingte Kündigungen „möglichst“vermieden werden.
Hintergrund ist eine strategische Neuausrichtung der Sparte Betontechnik mit ihren vier Produktbereichen Fahrmischer, Mischanlagen, Betonpumpen und Messtechnik. Der geplante Stellenabbau betrifft vor allem den Stahlbau, der ins Ausland verlagert werden soll. Geplant ist, Teile der Wertschöpfungskette der Gesellschaft in Bad Schussenried für den Bereich Fahrmischer nach Bulgarien zu verlegen. Der bestehende Liebherr-Standort in Plovdiv wird im Zuge der Neuausrichtung weiterentwickelt.
Michael Braun, zweiter Bevollmächtigter der IG Metall Ulm, sagte, das Ziel aller sei, betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden. Man habe sich zwischenzeitlich einen wirtschaftlichen Sachverständigen ins Haus geholt, der den Prozess begleite. Dieser habe alle Unterlagen hinsichtlich der Prognosen gesichtet und sei zu einem ähnlichen Ergebnis wie die Geschäftsführung gekommen. Dadurch werde die Entscheidung der Geschäftsleitung für die Arbeitnehmerseite verständlicher.
Man müsse sich nun die Zeit nehmen, in Ruhe zu überlegen, wie diese zwei Ziele am besten erreicht werden könnten. „Das ist nichts, was man in wenigen Monaten erreichen kann“, so Braun. Der Prozess der Transformation werde sich seiner Einschätzung nach eher über zwei, drei Jahre hinziehen. Denn es gehe nicht nur darum, Teile der Produktion ins Ausland zu verlegen, sondern auch darum, sich zukunftsfähig aufzustellen. „Es ist ein erster großer Schritt, dass das Unternehmen sich darauf eingelassen hat, diesen Transformationsprozess gemeinsam mit uns zu gehen und wir sind froh, dass Liebherr bereit ist, sich dafür Zeit zu nehmen“, so Braun.
Eine erste Verhandlungsrunde habe bereits stattgefunden. Da die Themen und Fragestellungen hoch komplex seien, hätten die Beteiligten sich nun in Arbeitsgruppen aufgeteilt, um in kleineren Runden diese anzugehen. Um möglichst keine betriebsbedingten Kündigungen auszusprechen, werde über neue Altersteilzeitmodelle nachgedacht. Auch Versetzungen innerhalb der LiebherrGruppe würden diskutiert, genauso wie die Möglichkeit, Arbeiter so zu qualifizieren, dass sie nach der Restrukturierung der Arbeitsprozesse weiter im Unternehmen verbleiben können.
Jürgen Müller, Betriebsratsvorsitzender am Schussenrieder Standort, zeigte sich ebenfalls zuversichtlich angesichts dieser Entwicklung. „Natürlich herrscht unter den Mitarbeitern immer noch eine große Unsicherheit, denn es ist ja noch nichts geklärt“, erläuterte er. „Wir versuchen jedoch alle Kollegen auf dem Laufenden zu halten und sie in den Prozess miteinzubeziehen.“
Es gebe ein gemeinsames Verständnis,
„Natürlich herrscht unter den Mitarbeitern immer noch eine große
Unsicherheit.“
dass es Veränderungen geben müsse, um den Sprung in die Zukunft zu schaffen. Auch er betonte, dass der Betriebsrat alles daran setzen werde, betriebsbedingte Kündigungen zu verhindern, es dafür jedoch noch keine Garantie seitens des Arbeitgebers gebe. Er hoffe, dass es, was den Interessenausgleich angehe, erste Ergebnisse am Jahresende geben werde. Bisher sei er mit dem Verlauf der Gespräche zufrieden. „Wir sind auf einem guten Weg“, so Müller. Noch stehe man jedoch ganz am Anfang der Verhandlungen.
Die Unternehmensführung bestätigte, dass in den Arbeitsgruppen passende Programme für die von der Neuausrichtung betroffenen Mitarbeiter ausgearbeitet und organisiert würden. Langfristig werde die Liebherr-Mischtechnik GmbH unter anderem die Bereiche Betonpumpenproduktion und Messtechnik vergrößern. Auch der Bereich Kundenservice werde in Zukunft mehr Mitarbeiter haben. Daher müsse über die Unterbringung von Mitarbeitern in anderen Bereichen beziehungsweise
Jürgen Müller, Betriebsratsvorsitzender am
Schussenrieder Standort über Umschulung nachgedacht werden. „Überdies ist unsere Geschäftsführung im Gespräch mit den anderen Liebherr-Werken der Region, an die Mitarbeitende aus Bad Schussenried ausgeliehen werden. Hier gibt es bereits positive Rückmeldungen. Zusätzlich soll es für Mitarbeitende Angebote für Altersteilzeitregelungen geben“, erklärte Marketing-Leiter Klaus Eckert.
In den vergangenen vier Wochen hätten die Führungskräfte der Liebherr-Mischtechnik GmbH den Mitarbeitenden bei verschiedenen Veranstaltungen ihre Strategie vorgestellt. In Workshops habe man gemeinsam viele Vorschläge und neue Ideen erarbeitet, welche nun in die Strategie und zukünftige Projekte integriert würden. „Durch die Einbindung aller Beteiligten nehmen wir bei vielen Mitarbeitenden Verständnis und eine hohe Motivation wahr, gemeinsam die Basis für zukünftiges Wachstum zu schaffen und unsere Kunden mit neuen Technologien, innovativen Produkten und erstklassigem Service zu begeistern“, sagte der Marketing-Leiter. Ein aktuelles Highlight sei der vollelektrische Fahrmischer „ETM“. Dieses innovative Produkt sei ein Meilenstein. Die ersten Auslieferungen gingen in die Schweiz und stünden kurz bevor.