Schwäbische Zeitung (Biberach)
Mit voller Wucht
Der deutsche Sport reagiert gespalten auf den Teil-Lockdown – Fragen und Antworten zu den Maßnahmen
RAVENSBURG (SID) - Wettkämpfe werden abgesagt, Ligen kommen zum Stillstand, Sportanlagen und Trainingszentren stehen vor der Schließung. Der Teil-Lockdown trifft den Sport mit Macht. Die Vertreter des Amateur- wie des Profisports reagieren mit Empörung und Verzweiflung, aber auch mit Fairplay und Verständnis auf die von Montag an geltenden drastischen CoronaEinschränkungen. Fragen und Antworten zu den Maßnahmen:
Was verändert sich durch die Corona-Beschlüsse der Bundesregierung und der Ministerpräsidenten?
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Auf der Freizeit- und Amateursportebene fast alles. Die Verbände, Vereine und kommerziellen Anbieter müssen wieder komplett herunterfahren, wenn die Länderchefs die Beschlüsse wie angekündigt umsetzen. Auch der Profisport muss teils existenzbedrohende Einschnitte hinnehmen. Die Wettbewerbe dürfen zwar stattfinden, im November werden keine Fans bei Sportveranstaltungen erlaubt und „Geisterspiele“wieder die Realität sein.
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Sie schwanken weitgehend zwischen Frust, Enttäuschung und Unverständnis, obwohl die Verantwortlichen die schwere Corona-Situation anerkennen (siehe rechts; d. Red.). So sagt Geschäftsführer Thomas Stoll von ratiopharm Ulm: „Die Entscheidung ist für den gesamten Spitzensport und damit auch für den Ulmer Basketball eine Katastrophe.“Und weiter: „Es gab gerade ein kleines Pflänzchen Hoffnung und ich glaube, die Hygienekonzepte der BBL sind so gut, dass es keinen Grund für einen Lockdown in der Halle gibt.“Man akzeptiere die Entscheidung, könne sie aber nicht nachvollziehen. DOSB-Präsident Alfons Hörmann sorgt sich, weil „die bereits sichtbaren und die für viele noch unsichtbaren Corona-Schäden in Sportdeutschland durch diese pauschale Maßnahme der Politik“nochmals deutlich verstärkt würden.
Kann die neue 75-Prozent-Regel eine Chance sein?
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Wie fallen die Reaktionen aus?
Breitensportvereine können wohl davon profitieren. Sie haben aller Voraussicht nach die Möglichkeit, bei bis zu 50 Mitarbeitern 75 Prozent ihres entsprechenden Umsatzes aus dem November 2019 vom Staat zu erhalten (60 Prozent bei mehr als 50 Mitarbeitern). Ob auch Proficlubs teilhaben können, werden die Ligen und Clubs prüfen. Laut Stefan Holz, Chef der BBL, ist „zu klären, kommt sowas on top oder ersetzt das eine andere Hilfe. Dann wäre es wieder egal.“
Geraten Proficlubs ernsthaft in Gefahr?
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Ja. Die Clubs der Deutsche Eishockey Liga (DEL) sowie der Bundesligen im Handball (HBL), Basketball (BBL) und Volleyball (VBL) sind viel stärker von den Zuschauereinnahmen abhängig als die Fußball-Bundesliga. HBL-Boss Frank Bohmann äußerte die Hoffnung, „erstmal bis Weihnachten alle durchzukriegen“, doch selbst das sei noch nicht endgültig sicher: „Das ist kein leeres Gerede, die Furcht und die Gefahr sind ganz konkret.
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Es herrscht Unsicherheit. Inwieweit die Olympiastützpunkte zum Training genutzt werden können, ist nicht klar, Einschränkungen drohen.
Ist ab dem Dezember mit einer Entspannung zu rechnen?
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Was ist mit den Einzelsportlern?
Eher nicht. Sportmediziner Prof. Dr. Wilhelm Bloch, Leiter der Abteilung für molekulare und zelluläre Sportmedizin an der Deutschen Sporthochschule Köln, erwartet harte Monate. „Danach brauchen wir nicht zu denken, dass wir ,business as usual’ haben, und wir alles wieder machen können. Ich glaube, wir werden den ganzen Winter damit zu tun haben. Bis ins Frühjahr und den Sommer hinein“, so Bloch. Es gebe momentan allerdings auch „keine Alternativen. Der Appell sollte sein, dass sich jeder seiner Verantwortung bewusst wird.“
„Das zerstört natürlich völlig die Geschäftsmodelle der Sportarten hinter dem Fußball. Sportarten wie Handball, Basketball und Eishockey wird jede Geschäftsgrundlage geraubt. Damit müssen wir jetzt erstmal zurecht kommen, nochmal nachrechnen, wie lange können wir das überhaupt aushalten. Wir spielen erstmal bis Weihnachten weiter, zur Not auch ohne Zuschauer. Ob es auch alle Vereine durchhalten, steht auf einem anderen Blatt Papier.“
(Geschäftsführer Handball Bundesliga)
„Ich sehe es nach wie vor etwas ambivalent. Auf der einen Seite finde ich es ernüchternd, dass man uns Konzepte aufträgt, die wir uns höchst aufwändig erarbeiten, dann macht man einen Testbetrieb. Den machte man üblicherweise um zu sehen, ob es funktioniert. Der Testbetrieb hat funktioniert, und trotzdem dreht man die Zuschauer ab. Es sind einfach keine fachlichen Gründe, sondern es sind übergeordnete politische Gründe. Auf der anderen Seite haben wir natürlich auch Verständnis für die Gesamtsituation, wir sind Teil des Gesamtsystems.“
(Geschäftsführer Basketball Bundesliga)
„Die Auswirkungen auf den Breitensport ärgern mich besonders, da es hier vor allem diejenigen trifft, die in den letzten Wochen mit sehr großem Engagement und innovativen Konzepten das Vereinsleben aufrecht gehalten haben. Denn eines ist ja bislang unbestritten: Sportveranstaltungen unter Einhaltung stringenter Hygienekonzepte sind weder im Profi- noch im Breitensport als Superspreader aufgefallen.“
(Vorsitzende BundestagsSportausschuss)
„Bei aller angebrachten Vorsicht wird es auch in den kommenden Wochen und Monaten von großer Bedeutung sein, den Menschen, vor allem auch Kindern und Jugendlichen, Orte der Gemeinschaft und Ablenkung zu bieten, ohne damit das gesundheitliche Risiko zu erhöhen.“(Präsident Deutscher Fußball-Bund)
„Gerade der Sport in Deutschland hat bewiesen, dass es aufgrund guter Hygienekonzepte im Spitzenund Breitensport möglich ist, auch in Corona-Zeiten Sport zu treiben und einen Beitrag für den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu leisten.“(Präsident Deutscher Leichtathletik-Verband)
„Ich würde mir wünschen, dass Bundeskader-Athleten einheitlich als Profis behandelt werden und weiter ihrem Beruf nachgehen und sich auf ihren Saisonhöhepunkt vorbereiten können. Wir werden für die Athleten schnell in den Dialog mit der Politik gehen.“(Präsident Athleten Deutschland)
„Im Worst Case sitze ich Montag wieder zu Hause. Aber bei drei Grad draußen frieren mir beim Krafttraining auf der Auffahrt die Hände an der Hantelstange fest.“
(Olympiasieger Speerwurf)
„Ich weiß, dass es in dieser Situation schwierig ist für Leistungssportler eine Extra-Wurst zu fordern, nur weil wir uns auf Olympia vorbereiten. Jetzt gilt, dass wir zusammenhalten müssen, um uns da durchzubeißen.“
(deutscher Speerwurf-Rekordler)
„Der DTB befürwortet die Maßnahmen der Bundesregierung ausdrücklich. Nichtsdestotrotz geht der DTB davon aus, dass das Ausüben des Tennissports als Individualsportart nicht vollends eingestellt werden muss. Vielmehr sollte ein Spiel zu zweit oder ein Doppel mit vier Personen aus maximal zwei Haushalten weiterhin möglich sein.“
„Am massivsten sind die Einschränken für unseren Nachwuchs- und Freizeitbereich und für unsere Vereine. Hier hätten wir uns eine differenziertere Reglementierung gewünscht. Eine unserer wichtigsten Aufgaben ist es, Kinder und Jugendliche zu fördern und in Bewegung zu halten. Hier spüren wir die Auswirkungen des Lockdowns ganz unmittelbar.“
(Direktor Kommunikation Deutscher Ski-Verband)