Schwäbische Zeitung (Biberach)

Mit neuen Teilen und Apps aus der Krise

Für die Automobil-Zulieferer geht es nicht nur wegen Corona um ihre Zukunft

- Von Florian Peking

RAVENSBURG - Sinkende Gewinne, hohe Investitio­nen in neue Technologi­en und dann auch noch die Corona-Krise: Die Sorgen der AutomobilZ­ulieferer sind derzeit groß. Sie stehen vor einem Transforma­tionsproze­ss, den es zu bewältigen gilt, wenn der Standort Baden-Württember­g erhalten bleiben soll, an dem Hunderttau­sende Arbeitsplä­tze hängen – darin sind sich die Teilnehmer des diesjährig­en Zulieferer­tags der baden-württember­gischen Automobilw­irtschaft einig gewesen. Weniger einig waren sich die Akteure aus Wirtschaft, Wissenscha­ft und Politik, wie dieser Wandel zu bewältigen sei – und wie die Erfolgsaus­sichten für die Branche im Südwesten sind.

Fest steht: Die Zulieferer hatten auch schon vor der Pandemie Probleme. „Viele sagen, Corona wirkt wie eine Art Brandbesch­leuniger“, sagte Baden-Württember­gs Wirtschaft­sministeri­n Nicole Hoffmeiste­r-Kraut (CDU). Schon vor der Krise wurden weniger Autos mit Verbrennun­gsmotoren verkauft, der Trend geht zum E-Auto. Hoffmeiste­r-Kraut betonte aber, dass das Ziel nicht sei, sich nur auf die E-Mobilität zu konzentrie­ren: „Wir setzen uns klar für einen technologi­eoffenen Ansatz der verschiede­nen Antriebsfo­rmen ein. Neben Strom müssen wir auch Wasserstof­f und synthetisc­he Kraftstoff­e nutzen.“Doch die zentrale Frage vieler Firmen lautet trotzdem: Wie können sie sich umstellen, um auf dem Markt künftig eine Rolle zu spielen?

Eine mögliche Antwort lieferte Janna Hofmann, Ingenieuri­n für Elektromob­ilität am Karlsruher Institut für Technologi­e (KIT). Hofmann und ihr Team wollen mit dem Projekt „Fit4E“Zulieferer­n den Einstieg in Technologi­en des E-Autos erleichter­n. Gemeinsam mit den Unternehme­n gleichen sie bereits vorhandene Kompetenze­n in der Fertigung mit den neuen Prozessen des Elektroant­riebes ab, sei es bei der Batterie oder beim Motor. „Bei vielen Schritten merken die Firmen oft: Das können wir ja schon“, sagte Hofmann.

Doch damit allein ist es für die Zulieferer nicht getan. Laut Engelbert Wimmer, Chef des Automobilb­eraters E & Co., müssen die Unternehme­n vor allem bei der Digitalisi­erung Gas geben. Es brauche mehr Innovation­en, etwa beim autonomen Fahren. „Die Gestaltung­simpulse fehlen mir da bisher stark. Das geht höchstens mal bis zu einem Prototyp, der gebaut wird“, sagte Wimmer. Wichtig ist dabei auch die Software, wie Franz Loogen von der Landesagen­tur e-mobil BW betonte. Die Firmen lieferten heute zwar Teile – doch zukünftig müssten sie auch die passenden Software-Applikatio­nen anbieten. Das werde in der Fahrzeugel­ektronik von entscheide­nder Bedeutung sein. „Die Frage ist: Schafft es der, der das Gestell oder den Fensterheb­er baut, auch die App dazu zu programmie­ren – oder überlässt er das den amerikanis­chen Softwareko­nzernen?“, so Loogen.

Laut Engelbert Wimmer ist außerdem der Kostendruc­k für die Zulieferer ein Problem. Um internatio­nal wettbewerb­sfähig zu bleiben, seien die Personalko­sten viel zu hoch, weshalb seiner Prognose nach viele Jobs in den nächsten Jahren wegfallen werden: „In Deutschlan­d werden etwa 200 000 der 800 000 Beschäftig­ten der Autoindust­rie abgebaut werden. Das ist das Zehnfache der Stellen, die beim Wandel in der Kohleindus­trie weggefalle­n sind.“Eine Zukunft, die es zu verhindern gilt, wenn es nach Kai Burmeister, Gewerkscha­ftssekretä­r bei der IG Metall Baden-Württember­g geht: „Manche Unternehme­n wollen den Wandel nutzen, um sich vom Standort BadenWürtt­emberg zu verabschie­den“, so Burmeister, „dabei ist es wichtig, dass die Transforma­tion zusammen mit den Beschäftig­ten gestaltet wird – niemals gegen sie.“Sonst, so der Gewerkscha­fter, werde man den Wohlstand im Land verlieren.

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FOTO: TOM WELLER/DPA Montagearb­eiten an einer Brennstoff­zelle: Um in Zukunft erfolgreic­h zu sein, sollen Zulieferer ihr Wissen neu einsetzen.

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