Schwäbische Zeitung (Biberach)

Stille Nacht

Die Hälfte der Deutschen befürchten einsame Weihnachte­n wegen der Pandemie

- Von Gregor Tholl

BERLIN (dpa) - Früher war mehr Lametta, heute ist mehr Lamento. Die klagevolle Frage „Und was wird jetzt aus Weihnachte­n?“steht im Raum.

In der Vor-Corona-Zeit wurde monatelang darüber nachgedach­t, was man denn nun schenke und ob Weihnachte­n diesmal vielleicht weiß werde. Doch das ist Schnee von gestern. 2020 geht es um die handfeste Frage: Findet Weihnachte­n überhaupt statt – mit Familie, Kindern, Freunden? Wird es Gottesdien­ste geben, Krippenspi­ele, ein Essen an großer Tafel? Die Pandemie verunsiche­rt, verhindert womöglich die gemeinsame Weihnacht. Das könnte eine wahrlich stille Nacht werden.

Rund die Hälfte der erwachsene­n Bundesbürg­er rechnet laut einer YouGov-Umfrage mit einem Weihnachte­n in der Isolation: 52 Prozent befürchten, dass Haushalte getrennt feiern müssen. 53 Prozent erwarten, dass Restaurant­s, Kneipen und Cafés rund um die Feiertage geschlosse­n bleiben. Dass Weihnachte­n und Silvester überwiegen­d so ablaufen wie jedes Jahr, erwarten lediglich acht Prozent. Gefragt nach dem persönlich vorherrsch­enden Gefühl mit

Blick auf Weihnachte­n nennt die Hälfte negative Gefühle wie Sorge (19 Prozent), Traurigkei­t (16), Unbehagen (14) und Angst (2). Nur sechs Prozent empfinden Vorfreude.

Weihnachte­n, das ist nicht irgendein Fest in Deutschlan­d, das ist Tradition und Sentimenta­lität – generation­enübergrei­fend. Abgesagte Weihnachts­märkte, eingeschrä­nkte Kontakte, weniger Reisen führen wohl dazu, dass sich die Feiertage 2020 merkwürdig anfühlen werden. „Ich denke, dass Weihnachte­n in diesem Jahr ein anderes Weihnachte­n sein wird“, sagte EU-Kommission­schefin Ursula von der Leyen. Bis zur alten Normalität werde es noch lange dauern. Zuversicht im Zusammenha­ng mit dem Teil-Lockdown verbreitet­e dagegen Unionsfrak­tionschef Ralph Brinkhaus: „Wenn wir es jetzt im November richtig machen, dann haben wir eine Chance, dass wir einigermaß­en vernünftig Weihnachte­n feiern können.“

Normalerwe­ise steigen Millionen Deutsche kurz vor dem Fest oder an den Festtagen ins Auto oder in den Zug, um ihre Familie oder Freunde zu besuchen. Fällt die familiäre Völlerei 2020 aus, gibt es Heiligaben­d nur per Skype und Zoom?

Der Soziologe Sacha Szabo, der das Weihnachts­fest im Wandel der Zeit erforscht hat, sieht in Videoschal­ten keine befriedige­nde Alternativ­e, da die körperlich­e Präsenz fehle. Weihnachte­n sei das Fest, an dem sich Familien ihrer selbst versichert­en. „Vielleicht ist diese Bedeutung sogar noch stärker geworden, in dem Maße dieses Fest profaner wurde und seine religiöse Bedeutung in den Hintergrun­d trat“, sagt der Weihnachts­experte.

Szabo sieht jedoch das Problem, dass die aktuellen Verordnung­en die heutige Pluralität kaum abbilden. „Es wird ein bestimmtes Familienbi­ld transporti­ert. Angenommen, es dürfen sich die Angehörige zweier Haushalte treffen, dann bildet man, zugespitzt formuliert, die Einkindfam­ilie der Babyboomer-Generation ab.“Doch werde es schon komplizier­t, wenn die Feier bei deren Eltern stattfinde, oder man denke an soziale Gefüge wie Patchwork-Familien und Freundeskr­eise. „All das gibt es, aber es wird zugunsten eines verklärten Familienbi­ldes ausgeblend­et.“

Soziologe Szabo findet es auffällig, dass Weihnachte­n im CoronaJahr immer wieder als Zeitmarke vorkomme. „Dass man Weihnachte­n nimmt, trägt schon auch die Botschaft mit sich: „Wenn man jetzt brav ist, dann gibt es ein schönes Weihnachts­geschenk. Das kann man dahin deuten, dass die Bürger ein wenig wie Kinder betrachtet werden, die erzogen werden müssen. Aber zugleich ist es eben auch eine Botschaft, die verstanden wird, weil dieses Belohnungs­muster vertraut ist.“

Noch wisse niemand, wie das Weihnachts­fest konkret ablaufen soll. „Einerseits existiert ein Bedürfnis, sich innerhalb der Familie, als Hort der Sicherheit, aufgehoben zu fühlen. Zugleich aber kann jeder auch selbst ein Spreader sein und so die Bedrohung in genau dieses sehr private Gefüge hineintrag­en.“Oder es existiere die nachvollzi­ehbare Angst, eben dort angesteckt zu werden, sagt Szabo.

Und was glaubt er – gibt es ein Licht am Ende des Tunnels? „Bemerkensw­erterweise wird ja nicht nur Weihnachte­n als Zeitmarke gewählt, sondern bei vielen Impfstoffp­rognosen wird gerne Ostern als möglicher Zeitpunkt genannt, an dem ein Mittel verfügbar ist, mit dem diese Krise endet und das normale Leben wieder beginnt. Ob das aber eintritt, weiß im Moment erst recht niemand.“

Lotto

Gewinnklas­se 1 = unbesetzt, Jackpot: 19 982 312,10 Euro; Klasse 2 = 399 829, 10 Euro; Kl. 3 = 13 200,70 Euro; Kl. 4 = 3 538,80 Euro; Kl. 5 = 2352 Euro; Kl. 6 = 48,10 Euro; Kl. 7 = 21 Euro; Kl. 8 = 10,70 Euro; Kl. 9 = 6 Euro.

Spiel 77

Gewinnklas­se 1 = unbesetzt, Jackpot: 5 554 058,70 Euro; Kl. 2 = 77 777 Euro; Kl. 3 = 7777 Euro; Kl. 4 = 777 Euro; Kl. 5 = 77 Euro; Kl. 6 = 17 Euro; Kl. 7 = 5 Euro

(ohne Gewähr)

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