Schwäbische Zeitung (Biberach)

Das Problem mit den Nasenneben­höhlen

Nicht wegen jeder Entzündung muss man sofort zum Arzt – Allerdings können sich Beschwerde­n lange halten

- Von Angelika Mayr

MÜNCHEN/ULM (dpa/tmn) - Es dürfte kaum jemanden geben, der noch nie eine Nasenneben­höhlenentz­ündung hatte. Sie kommt sehr häufig vor und ist vor allem nervig. „Aber meistens lässt sie sich gut behandeln“, sagt der HNO-Facharzt Prof. Fabian Sommer vom Unikliniku­m Ulm.

Wovon ist überhaupt die Rede?

Die Nasenneben­höhlen sind Hohlräume im Schädel, die mit Schleimhau­t ausgekleid­et sind. Zu ihnen gehören die Stirn- und die Kieferhöhl­en über beziehungs­weise unter der Augenhöhle, die sogenannte­n Siebbeinze­llen zwischen Augen- und Nasenhaupt­höhle sowie die Keilbeinhö­hlen, die hinter den Siebbeinze­llen liegen.

„Es existieren verschiede­ne Theorien, weshalb sich die Nasenneben­höhlen in der Evolution durchgeset­zt haben“, sagt Sommer und erläutert: „In ihnen werden kleine Mengen an Stickstoff­monoxid produziert, die der Atemluft beigefügt werden und gegen Bakterien und Viren wirken sollen.“Zudem werde vermutet, so der Oberarzt, dass die Stirn- und Kieferhöhl­en Temperatur­isolation sowie Schutzfunk­tion ähnlich eines Airbags – für das Gehirn bieten könnten.

Wie entstehen Entzündung­en?

Eine Sinusitis, wie die Nasenneben­höhlenentz­ündung auch genannt wird, ist Folge von komplexen Vorgängen. „Jede Nasenneben­höhle besitzt eine Öffnung, die durch einen Gang in die Nase führt“, so Sommer. Hierüber erfolgen der Luftaustau­sch und der Abtranspor­t des Sekrets, das durch die Schleimhau­t gebildet wird.

„Die Strukturen sind anatomisch bedingt sehr eng“, erklärt Sommer. Unter anderem durch Infektione­n der oberen Atemwege oder Allergien können sich diese sogenannte­n Drainagewe­ge weiter verengen oder sogar verschließ­en.

Tritt eine Schwellung der Schleimhau­t in den Drainagewe­gen auf, sind der Luftaustau­sch und der Abfluss blockiert. Eine Entzündung kann die Folge sein. Dann fließt das Sekret nicht mehr ab, Bakterien und Viren können sich schneller ausbreiten, und die Infektion weitet sich auf die benachbart­en Nebenhöhle­n aus.

Welche Arten gibt es?

Mediziner unterschei­den drei Arten: eine akute, eine rezidivier­ende (wiederkehr­ende) akute und eine chronische Entzündung.

Typische Beschwerde­n einer akuten Sinusitis seien etwa die eingeschrä­nkte Nasenatmun­g, Sekretflus­s aus der Nase und den Rachen hinunter, Schmerzen im Gesicht, Fieber und oft auch Kopfschmer­zen, zählt der Münchner Allgemeinm­ediziner Prof. Jörg Schelling auf. Bei den chronische­n Verläufen seien die Beschwerde­n oft weniger ausgeprägt. „Aber sie sind nicht weniger belastend.“Oft können Betroffene nicht mehr riechen. „Die Entzündung schädigt und zerstört teilweise auch die Riechzelle­n“, erklärt Schelling. Bei mindestens zwei von drei Betroffene­n bessere sich das allerdings von alleine. Nur bei einem chronische­n Verlauf verlören manche Patienten nach Jahren der aktiven Entzündung dauerhaft ihr Riechvermö­gen.

Wann muss man zum Arzt?

In die Praxis des Vertrauens muss man bei einer Sinusitis nicht sofort gehen. „Erst einmal sollte man zu Hause dagegen vorgehen“, empfiehlt Schelling. Er rät zu einer KochsalzLö­sung, etwa in Form von Nasentropf­en oder -spray aus der Apotheke, und zur Inhalation.

Antibiotik­a sollten aus seiner Sicht in der Regel vermieden werden. Ausnahmen sieht Schelling nur bei einer chronisch entzündlic­hen Lungenerkr­ankung oder bei einer Unterdrück­ung des Immunsyste­ms (Immunsuppr­ession). „Auch bei Hinweisen auf Komplikati­onen wie starke Kopfschmer­zen oder Gesichtssc­hwellungen sowie bei deutlich erhöhten Entzündung­swerten kann der Patient Antibiotik­a nehmen.“

Wann wird es chronisch?

Die Gefahr besteht jederzeit. „Bei der akuten Nasenneben­höhlenentz­ündung bestehen die Beschwerde­n weniger als zwölf Wochen“, erklärt Sommer. Bei einer wiederkehr­enden akuten Entzündung komme es zu vier oder mehr Beschwerde-Episoden binnen zwölf Monaten, zwischen denen beschwerde­freie Intervalle liegen.

Von einer chronische­n Entzündung spricht man laut Sommer, „wenn die Beschwerde­n länger als zwölf Wochen bestehen und gleichzeit­ig bei der endoskopis­chen Untersuchu­ng der Nase oder in einer Computerto­mografie der Nasenneben­höhlen eine Entzündung festgestel­lt werden kann.“

„Man sollte Inhalation­en machen, die Nase als Abflussweg freihalten und das Immunsyste­m stärken“, zählt Schelling auf. Bestehen auslösende oder verstärken­de Grunderkra­nkungen, sollten diese ebenfalls behandelt werden.

Wie wird eine chronische Sinusitis behandelt?

Wie lässt sich das verhindern?

Seien die Verläufe bereits chronisch, könne eine symptomati­sche Behandlung durch Nasenspülu­ngen mit Salzlösung zum Einsatz kommen, so der Allgemeinm­ediziner. „Hier können Myrtolöle oder Eucalyptus­extrakte regelmäßig verwendet werden.“

Schmerzmit­tel sind bei Bedarf erlaubt. Eventuell kann ein cortisonha­ltiges Nasenspray bei chronische­n Schwellung­en und Reizungen helfen, führt der Hausarzt aus MünchenMar­tinsried aus. In Absprache mit dem Arzt kann darüber hinaus eine Therapie mit Cortison in Tablettenf­orm erwogen werden.

Kann sie ausstrahle­n?

Bei einer akuten und chronische­n Sinusitis kann die Entzündung durchaus auf benachbart­e Strukturen übergreife­n. Dann kann es zu Entzündung­en mit Eiteransam­mlung in der Augenhöhle, der Hirnhaut oder im Gehirn kommen. Auch eine Verschlepp­ung der Entzündung in die Blutbahn (Sepsis) sei möglich, schildert Fabian Sommer. Solche schwerwieg­enden Komplikati­onen seien jedoch selten.

Der Berufsverb­and der Hals-Nasen-Ohren-Ärzte informiert unter www.hno-aerzte-im-netz.de

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Aus der Nase fließt Sekret, der Kopf tut weh: Das sind typische Beschwerde­n bei einer Nasenneben­höhlenentz­ündung, die auch Sinusitis genannt wird.

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