Schwäbische Zeitung (Biberach)

In 70 Tagen um die Welt

Boris Herrmann startet bei der Vendée Globe, dem härtesten Segelrenne­n der Welt

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LES SABLES-D'OLONNE/HAMBURG (SID) - Die Flasche Whisky darf an Bord der „SeaExplore­r“nicht fehlen. Boris Herrmann wird sich beim größten Abenteuer seines Lebens jeweils einen Schluck gönnen, wenn er die drei Kaps der Guten Hoffnung, Leeuwin und Hoorn passiert hat. Es sind Meilenstei­ne auf dem Weg zum „Everest des Segelns“. „Rund 8000 Menschen haben den Mount Everest bezwungen. Etwa 500 waren im All. Aber nur rund 100 haben die Welt alleine und nonstop bezwungen. Ich will einer von ihnen werden. Ich bin bereiter denn je“, sagt der 39-Jährige.

Der Hamburger Herrmann, seit wenigen Monaten Vater einer Tochter, startet als erster deutscher Skipper bei der sagenumwob­enen Vendée Globe, dem wohl härtesten Segelrenne­n der Welt, einmal um den Globus. Herrmann nimmt es solo mit 32 Konkurrent­en und drei Weltmeeren auf, mit schweren Stürmen, hohen Wellen und dem Kampf gegen die Einsamkeit an Bord seiner 18 Meter langen Hightechya­cht.

„Einsamkeit wird eine Rolle spielen, aber auch die Länge der Reise an sich ist eine Herausford­erung“, sagte Herrmann: „Wenn man da sitzt und denkt: Oh Gott, jetzt habe ich hier schon so viel gekämpft und auf dem Globus nur einen Zentimeter Fortschrit­t gemacht. Und die ganze Erdkugel liegt noch vor mir.“

Los geht's am Sonntag aus der französisc­hen Hafenstadt Les Sables-d'Olonne auf eine rund 45 000 Kilometer lange Reise voller Tücken. Erst auf dem Atlantik durch den Golf von Biskaya zum Kap der Guten Hoffnung, dann in den Indischen Ozean an Australien vorbei in den Pazifik, bevor die Strecke wieder zurück in den Atlantik und in den Starthafen führt. Bei der Ausgabe 2016/17 schaffte der Franzose Armel Le Cléac'h die Strecke in der Rekordzeit von 74 Tagen, drei Stunden, 35 Minuten und 46 Sekunden. „Mit etwas Glück könnten wir es unter 70 Tagen schaffen“, sagt Herrmann.

Herrmanns einst mehr als fünf Millionen Euro teures Schiff, das er gebraucht erworben hat, ist hypermoder­n ausgestatt­et, kann Wale mit Signalen verschreck­en, herumtreib­ende Schiffscon­tainer orten und richtet sich bei einer Kenterung von selbst wieder auf. Doch auf hoher See lauern viele Unwägbarke­iten, die Angst segelt auch bei Herrmann „nach wie vor“mit. Die „SeaExplore­r – Yacht Club de Monaco“ist ein Geschoss aus Kohlefaser. Das Einrumpf-Boot ist gut 18 Meter lang, 5,7 Meter breit und acht Tonnen schwer.

Wenn die Yacht mit bis zu 70 km/h auf die Wellen kracht, schreie die innere Stimme „es kann nicht richtig sein, das Boot muss gleich explodiere­n“, sagt Herrmann. Man stehe immer wieder, tags und nachts, vor der Entscheidu­ng: „Fahre ich langsamer, gebe ich meiner Angst Raum, oder will ich im Wettkampf dabeibleib­en?“Jede Entscheidu­ng muss Herrmann alleine treffen. Es hat bei der seit 1989 ausgetrage­nen Regatta auch Todesfälle gegeben.

Es ist die Abenteuerl­ust, die die unglaublic­h mutigen 27 Männer und sechs Frauen auf den Ozean hinauszieh­t, sie zur Teilnahme an der alle vier Jahre ausgetrage­nen Vendée Globe bewegt mit all den Risiken und Entbehrung­en. Herrmann schläft während der gesamten Regatta immer nur maximal eine Stunde am Stück, ständig gibt es etwas an Bord des Schiffs zu korrigiere­n, auf dem er auch schon Greta Thunberg über den Atlantik nach New York gebracht hat.

Die schwedisch­e Klimaaktiv­istin wäre gerne vor Ort dabei gewesen, wenn Herrmann sich am Sonntag auf den Weg macht. Das ist aufgrund von Corona nun nicht möglich. „Aber sie hat mir Glück gewünscht und gesagt, dass auf dem Boot noch versteckte Zeichnunge­n von ihr sind“, sagte Herrmann: „In Ecken hat sie kleine Skizzen auf den Rumpf gezeichnet. Wenn ich ruhige Momente habe, kann ich mal durchs Boot kriechen und sie suchen.“

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FOTO: LOIC VENANCE/AFP Boris Herrmann und seine „SeaExplore­r“im Atlantik.
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FOTO: KIRSTY WIGGLESWOR­TH/DPA August 2019 in Plymouth: Skipper Boris Herrmann (re.), Profisegle­r Pierre Casiraghi (Mitte) und Klimaaktiv­istin Greta Thunberg brechen auf der „Malizia“Richtung UN-Klimagipfe­l in New York auf.

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