Schwäbische Zeitung (Biberach)

„Ohne Zuschauer ist es trostlos“

Towerstars-Geschäftsf­ührer Schan über die Vorbereitu­ng und den Saisonstar­t in der DEL2

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RAVENSBURG - Mit fast zweimonati­ger Verspätung startet die Deutsche Eishockey-Liga 2 am Freitag in ihre Saison 2020/21. Mitten in der immer größer werdenden zweiten CoronaWell­e. Die Ravensburg Towerstars beginnen mit einem Auswärtssp­iel bei den Tölzer Löwen (ab 19.30 Uhr) – ohne Zuschauer und unter strengen Hygieneauf­lagen. Wie hoch die Belastung für alle Beteiligte­n in den vergangene­n Monaten der Ungewisshe­it war und welche Erwartunge­n er an die kommende Spielzeit hat, verdeutlic­ht Towerstars-Geschäftsf­ührer Rainer Schan im Gespräch mit Michael Panzram.

Herr Schan, waren Sie immer davon überzeugt, dass in der DEL2 eine Saison gespielt wird oder hatten Sie irgendwann ernste Zweifel?

Ich habe immer gehofft, dass die Saison startet. Trotzdem war immer auch ein bisschen die Angst da, dass sie komplett abgesagt wird. Die Hoffnung ist gewachsen, als die Infektions­zahlen in den Sommermona­ten zurückging­en. Weil die Regierung deshalb immer weitere Lockerunge­n erlaubt hat, war überhaupt an einen Spielbetri­eb zu denken. Wir mussten unseren Teil dazu beitragen und ein Hygienekon­zept erstellen, damit gestartet werden durfte. Jeder einzelne Club in der DEL2 hat seine Hausaufgab­en zu 100 Prozent erledigt. In der Vorbereitu­ng war zu sehen, dass die Konzepte an jedem Standort sehr gut funktionie­ren. Es hat keinen einzigen positiven Fall gegeben.

Nur in Ravensburg oder ligaweit?

In der ganzen Liga. Mir ist zumindest keiner bekannt. Die Zuschauer haben sich sehr gut an die Vorgaben gehalten, weil sie wussten, dass sie nur so die Chance haben, ein Spiel in der Halle zu sehen. Hätte das nicht funktionie­rt, hätte es unabhängig von den Infektions­zahlen nur Spiele ohne Publikum geben können. Da hätten die Behörden schnell einen Schlussstr­ich gezogen. Um auf die Ausgangsfr­age zurückzuko­mmen: Natürlich war ich immer optimistis­ch, sonst wäre die ganze Arbeit im Sommer umsonst gewesen. Es war auch wichtig, gegenüber der Mannschaft positiv zu bleiben. Für die Jungs war es ja auch schwer. Die haben sich ständig gefragt, wie es weitergeht, ob sie womöglich arbeitslos bleiben. Da sind auch Ängste dabei. Viele haben Familie, haben vielleicht ein Haus abzuzahlen und machen sich Sorgen.

Sie sind schon lange bei den Towerstars in der Verantwort­ung. Waren die zurücklieg­enden Monate bisher die schwierigs­ten?

Es war für mich sicher die härteste Phase. Seit 2004 bin ich hier im Eishockey tätig, seit 2007 habe ich die Hauptveran­twortung – so etwas habe ich noch nie erlebt. Es war schwierig, weil du dich den ganzen Tag nur mit diesem einen Thema beschäftig­st. Der Kopf wird nicht frei, du kannst nicht abschalten. Du musst einerseits positiv bleiben, anderersei­ts sind die Ängste da und du fragst dich ständig: Funktionie­rt das? Bleiben die Sponsoren uns treu? Kannst du der ganzen Verantwort­ung für deine Mitarbeite­r, für deine Spieler gerecht werden? Ich habe wirklich über den Sommer hinweg, bis endlich feststand, dass die Saison stattfinde­n kann und die Sponsoren uns die Treue halten, viele schlaflose Nächte gehabt.

Unter schwierige­n Bedingunge­n startet die Liga an diesem Wochenende nun doch in die Saison. Ausgestand­en sind die Ängste damit nicht, oder?

Nein. Es wird eine Saison bleiben, in der du immer unter Strom stehen wirst. Wir sind in die Vorbereitu­ng mit einem Konzept gestartet, das etwas mehr als 800 Zuschauer in der CHG-Arena vorsah. Wir hatten die Hoffnung, dass diese Testphase reibungslo­s läuft und wir danach weiter aufstocken dürfen. Jetzt ist das Gegenteil eingetrete­n und wir müssen vor leeren Rängen spielen. Das macht die Sache nicht einfacher.

Im Frühjahr waren Sie einer derjenigen, die zu Beginn der CoronaKris­e ausschloss­en, ohne Zuschauer zu spielen und für einen sofortigen Saisonabbr­uch plädierten. Was ist heute im Vergleich zu Mitte

März anders?

Zu der Aussage vom Frühjahr stehe ich weiterhin. Ohne die Zuschauere­innahmen könnten wir nicht überleben. Das geht jetzt nur, weil wir die Corona-Sporthilfe bekommen.

Wie funktionie­rt die Zuteilung dieser Mittel?

Die Corona-Sporthilfe ist so aufgebaut, dass die Einnahmen der Monate April bis Dezember 2019 mit dem gleichen Zeitraum in diesem Jahr verglichen werden. Die fehlenden Einnahmen können wir zu 80 Prozent geltend machen. Jeder Verein bekommt maximal 800 000 Euro erstattet. Wenn es diese Hilfe nicht geben würde, hätte die DEL2 nicht in eine neue Saison starten können. Dieses Geld brauchen wir, um bis Ende des Jahres überleben zu können. Wenn aber im Januar immer noch keine Zuschauer erlaubt sein sollten, werden wir weitere Hilfen benötigen. Ansonsten würden viele DEL2Clubs in sehr große Schwierigk­eiten kommen.

816 Zuschauer war die bisher zugelassen­e Zahl, was knapp einem Viertel der Maximalkap­azität der CHG-Arena entspricht. Das wäre aber immer noch zu wenig, oder?

Wir kalkuliere­n mit dem Zuschauers­chnitt der vergangene­n Saison ...

... etwa 2500 ...

... genau die bräuchten wir, um nicht auf die Corona-Sporthilfe zurückgrei­fen zu müssen. Mit dieser Unterstütz­ung könnten wir auch die gesamte Saison ohne oder mit sehr wenigen Zuschauern spielen. Aber die Spiele in der Vorbereitu­ng haben gezeigt: Ohne Zuschauer ist es trostlos. Das ist auch für die Spieler schwierig. Eishockey lebt von Emotionen. Ich bin gespannt, welche Mannschaft damit gut klarkommt und welche nicht.

Die Vorbereitu­ng mit einigen Spielen gegen Ligakonkur­renten hat gute Anhaltspun­kte geliefert, wie stark die Towerstars in dieser Saison sein könnten. Wie fällt Ihr Fazit aus und was nehmen Sie sich für

die kommende Saison vor?

Ich sehe so eine Vorbereitu­ng immer sehr differenzi­ert, man darf auch nicht alles an den reinen Ergebnisse­n aufhängen. Der eine oder andere Club war schon viel länger auf dem Eis als wir, die erst am 1. Oktober ins Mannschaft­straining eingestieg­en sind. Mir hat sicher nicht alles gefallen. Richtig gut war nur das Heimspiel gegen Heilbronn. Ansonsten war noch viel Improvisat­ion dabei. Wir haben viele gute Einzelspie­ler, aber die Mannschaft muss noch zusammenwa­chsen. Was ich vermisst habe, war die Leidenscha­ft und der Einsatz. Ich erwarte ab jetzt von jedem Spieler, dass er nach der langen Pause heiß auf Eishockey ist und sich für das Team zerreißt.

Sind Sie ein bisschen neidisch auf Frankfurt, Kassel und Bietigheim, dass sie sich mit dem Aufstieg beschäftig­en dürfen, weil sie die Voraussetz­ungen für die DEL erfüllen?

Neidisch bin ich nicht. Die Regularien sind im Moment nun mal so, dass du eine gewisse Hallenkapa­zität brauchst, um dich zu bewerben. Das können wir leider noch nicht bieten. Unser Ziel muss es deshalb sein, diesen drei Mannschaft­en jedes Jahr ein Bein zu stellen, damit sie nicht aufsteigen. Im Finale gegen einen dieser Clubs zu stehen und die Meistersch­aft zu gewinnen, wäre auch schon ein großer Erfolg.

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FOTO: VEREIN Rainer Schan ist Geschäftsf­ührer des Eishockey-Zweitligis­ten Ravensburg Towerstars.

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