Schwäbische Zeitung (Biberach)

Corona-Hilfspaket der EU nimmt wichtige Hürde

Kommission und Parlament legen Streit über EU-Haushalt bei – Polen und Ungarn drohen weiter mit Veto

- Von Ansgar Haase

BRÜSSEL (dpa) - Für EU-Programme zu Themen wie Forschung, Gesundheit, Jugend und Bildung soll in den kommenden sieben Jahren ein zweistelli­ger Milliarden­betrag zusätzlich zur Verfügung stehen. Darauf einigten sich Vertreter des Europaparl­aments und der Regierunge­n der Mitgliedst­aaten am Dienstag nach wochenlang­en schwierige­n Verhandlun­gen in Brüssel.

Insgesamt erstritten die Europaabge­ordneten nach eigenen Angaben 16 Milliarden Euro mehr für ihre Anliegen als die Regierunge­n der Mitgliedst­aaten eigentlich bereitstel­len wollten. Der derzeitige deutsche EU-Ratsvorsit­z rechnet damit, dass davon rund 12,5 Milliarden Euro frisches Geld sein werden. Es soll zum größten Teil aus Einnahmen aus EU-Wettbewerb­sstrafen kommen, die bislang an die Mitgliedst­aaten zurückflos­sen.

Der deutsche EU-Ratsvorsit­z zeigte sich als Vertretung der Regierunge­n der EU-Staaten zufrieden. „Das ist ein ausgewogen­er Deal, der auf die vom Parlament aufgeworfe­nen Bedenken eingeht und dabei die vom Europäisch­en Rat im Juli erhaltenen Leitlinien respektier­t“, kommentier­te der deutsche Botschafte­r

Michael Clauß. Man sei jetzt in der Lage, die nächsten entscheide­nden Schritte zu unternehme­n. Dazu gehöre, die verschiede­nen Teile des Pakets den Mitgliedst­aaten und dem Parlament zur formellen Annahme vorzulegen.

Clauß spielte darauf an, dass die Einigung eine der Voraussetz­ungen dafür ist, dass die Vorbereitu­ngen für die geplanten EU-Corona-Hilfen im Umfang von 750 Milliarden Euro weiter vorangetri­eben werden können. Sie sollen zusätzlich zu den knapp 1,1 Billionen Euro für den mehrjährig­en Finanzrahm­en für die Jahre 2021 bis 2027 bereitgest­ellt werden. Mit Spannung wird nun erwartet, ob alle EU-Staaten die notwendige Zustimmung geben. Das ist nötig, damit der Haushalt und das Corona-Programm finanziert werden können.

Ungarn und Polen hatten zuletzt mit einer Blockade von wichtigen EU-Entscheidu­ngen zum Gemeinscha­ftshaushal­t gedroht. Grund: Sie sind dagegen, dass die EU ein neues Verfahren einführt, um Verstöße gegen Prinzipien wie die Rechtsstaa­tlichkeit innerhalb des Staatenbun­des zu ahnden. Auf dieses neue Vorgehen hatten sich Unterhändl­er bereits vorige Woche geeinigt – doch Ungarn

und Polen lehnen die Pläne ab. Sie fürchten, Brüssel könnte ihnen EU-Geld sperren.

Der Grund: Der neue Mechanismu­s sieht vor, dass erstmals in der Geschichte der Europäisch­en Union EU-Gelder in großem Stil wegen Rechtsstaa­tlichkeits­verstößen gekürzt werden könnten. Konkret soll dies zum Beispiel dann der Fall sein, wenn im Empfängers­taat bestimmte Gerichte nicht vollständi­g unabhängig agieren können. Das wiederum träfe unter Umständen auf beide osteuropäi­schen Staaten zu.

Wie der Konflikt mit Ungarn und Polen gelöst werden könnte, ist offen. In beiden Ländern bemängelt die für die Einhaltung von EU-Recht zuständige EU-Kommission seit längerem einen zu großen Einfluss der Politik auf Gerichte. Kritik daran wird von den Regierunge­n in Warschau und Budapest allerdings kategorisc­h zurückgewi­esen.

Bundesauße­nminister Heiko Maas (SPD) warnte am Dienstag vor Vetos gegen den EU-Haushalt und die Freigabe der Corona-Hilfen. „Alle, die in Europa politische Verantwort­ung tragen, sind jetzt gefordert, die ausstehend­en Schritte rasch umzusetzen“, ließ er mitteilen. „Die zweite Welle der Pandemie erlaubt uns keine weiteren Verzögerun­gen.“

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FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA Im Streit über den EU-Haushalt haben die Verhandlun­gsführer einen Kompromiss erzielt.

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